In der Ausgabe unserer Vereinszeitschrift „Jeschurun.online“ vom Tischri 5783, Heft 1, 2. Jg., wurde als Monatsblatt ein Artikel von Rabbiner Hirsch der aus 4 Abschnitten besteht veröffentlicht. Die ersten 3 Abschnitte über Rosch HaSchana, die Teschuwa-Woche und Jom Kippur wurden in der dortigen Broschüre wiedergegeben. Der 4. Abschnitt über Sukkot fehlte. Er wird hier somit nachgereicht. Ich empfehle, um die hier gebräuchlichen Ausdrücke sich zu erinnern, den Artikel von vor einem Jahr sich nochmals vorzunehmen oder auf unserer Plattform unter https://hirschinitiative.de/magazin-fuer-den-monat-tischri-5783/ nachzulesen.
Das Original finden Sie in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main unter https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/2939067
Der Text wurde dem heutigen Sprachgebrauch leicht angepasst und mit Erläuterungen versehen von Michael Bleiberg.
Vorbemerkung: Zum Laubhüttenfest ist jedermann aufgerufen sich eine Laubhütte selbst zu bauen, in der er während der Festtage seine Mahlzeiten einnimmt, — besser natürlich, wenn es das Wetter erlaubt, in der Hütte auch zu nächtigen. Die Betonung liegt hier auf „Mann“, da Frauen zur Laubhütte nicht verpflichtet sind, da es sich hier um eine zeitgebundene Mizwah handelt. Vielen orthodoxen Juden ist der Bau aus den unterschiedlichsten Gründen nicht möglich, deshalb stellen die orthodoxen Gemeinden ihren Mitgliedern eine „Gemeinschaftshütte“ zu Verfügung. Für den nachfolgenden Text von Rabbiner Hirsch s“l ist es wichtig zu wissen, dass es auf die Beschaffenheit der Wände der Laubhütte nicht ankommt. Sie können ebenso gut aus festen Mauerwerk bestehen, als auch einfach nur aus Stoff. Es braucht auch keine 4 Wände, sondern ausreichend sind 2 Wände und ein handbreites Brett, dass die 3. Wand andeutet. Worauf es bei der Laubhütte ankommt, ist das Dach. Für das Dach dürfen nur Materialien aus der Natur verwendet werden, die aber nicht mehr mit dem Erdboden verwachsen sind, z.B. abgeschnittene Äste, Zweige, Schilf, Laub. Das Dach darf damit aber auch nicht zu dicht belegt werden, sondern es muss ein bestimmtes Verhältnis von Licht und Schatten gewahrt bleiben.
Arm standen wir am Jom Kippur, fastend und feiernd, genußlos und werklos vor Gott.
Denn es hatte das genießend zu nährende Menschendasein am Altar des [1] אֵל זָר die göttliche Reinheit eingebüßt, es hatte das schaffend auszubauende Menschenleben im Dienst des [2] אֵל נֵכָר die göttliche Berechtigung verloren.
„תִּטְהֲרוּ!“ „Seid wieder rein!“ verkündete Jom Kippur. [3]הֶחָפֹ֤ץ אֶחְפֹּץ֙ מ֣וֹת רָשָׁ֔ע נְאֻ֖ם ה‘, „will ich denn den Tod des Sünders,“ sprach unseres Gottes Erlösungswort, [4] הֲל֛וֹא בְּשׁוּב֥וֹ מִדְּרָכָ֖יו וְחָיָֽה , will, dass er umkehre von seinen Wegen und lebe!“ [5]לֹ֤א אֶחְפֹּץ֙ בְּמ֣וֹת הַמֵּ֔ת, „will nicht den Tod des dem Tode Verfallenen!“ וְהֵשִׁיבוּ! „Wendet euren Weg zum Bessern —“ וְחָיוּ! „und lebet!„
וְחָיוּ!, „Lebet!“ Der אֵל נֵכָר hat euer Dasein getötet, der אֵל נֵכָר euer Lebensheil geraubt, לִפְנֵי ה‚, לִפְנֵי ה‘ אֱלֹקֵיכֶם vor Gott, vor dem einen Einzigen eurem Gott, findet Ihr das Dasein wieder, ersteht Ihr zu neuem Leben, Er selber öffnet euch der Zukunft Pforten, Er selber lädt euch zu einem reinen, freien, aber darum auch freudigen Dasein vor Seinem Angesicht, zu einem reinen, gerechten aber darum auch heiter frohen Leben auf Seiner Erde.
„Freude?“ „Heiterkeit?“ „Friede?“ „Frohsinn?“ Wo wohnen diese Paradiesesgenien[6] auf Erden? Wo sind sie hinweggeflohen, seitdem Dornen und Disteln die Erde erzeugt, mit dem Schweiße seines Angesichtes der Mensch die Erde düngt und mit den Sorgen seiner Nächte und mit den Mühen seiner Tage den nie zur Vollendung erreichenden Bau seiner Sicherheitsschlösser und seiner himmelanstrebenden Ruhmestürme betreibt? Siehe das Geschlecht! So klug ist’s geworden, so tief ist’s in die Geheimnisse der Schöpfung eingedrungen, dass es schon — den Schöpfer verleugnet, hört das Gras wachsen, sieht die Kräfte weben, hat wie der Todesengel sich tausend künstliche Augen geschaffen, zaubert den Blitz in seinen Dienst, macht Wolken zu seinem Ross, hat die Gesetze des Himmels und der Erde erspäht, den Bau des Weltalls a priori[7] zu konstruieren — und hat noch die Kunst nicht gelernt, hat noch das Gesetz nicht gefunden wie man zwei Menschenhütten nebeneinander auf Erden baue, dass in den Hütten die Ruhe und zwischen den Hütten der Friede walte auf Erden!
Siehe das jüngere Geschlecht! Sieh die Jünglinge der Zeit! „Genuss!“ „Freude!“ „Lust!“ Sind es nicht die Parolen der Zeit? Sind das nicht die Zeiten, die mit aller Lebenshast, mit allem Kraftaufwand, mit allen Sorgen der Nacht, mit allen Mühen des Tages errungen werden sollen? Sind das nicht die Götter, um die man den Altar des einen Einzigen verlässt, sind das nicht die Ziele, um die man sich die Allweisheit des Himmels und der Erde ersehnt? Ach, der Gang der Sterne wird erlauscht, die Straßen der Meere werden erforscht, die Eingeweide der Erde werden durchwühlt, die Erzeugnisse aller Zonen werden gesammelt, die Kräfte aller Stoffe werden gemischt, alle Kenntnisse, alle Wissenschaften, alle Entdeckungen, alle Erfindungen, alle Künste reichen sich die Hand, — um dem Menschen eine vergnügte Stunde zu machen auf Erden — und wie viel vergnügte Stunden zählt das Geschlecht?
Da sitzt das Geschlecht, — auf hohem, hohem Aschenhügel, — im jugendlichen Schmuck der Eleganz des Jahrhunderts sitzt die Zeit, aber ihr Blick ist verkohlt, aber ihre Wangen sind fahl, aber ihre Stirn ist gesunken, aber ihr Scheitel ist kahl und das Antlitz ist alt — alle Blüten hat sie gebrochen, alle Früchte hat sie genossen, alle Genüsse erprobt, den Becher der Lust hat sie bis auf die Neige geleert, — und hat alles sorglos, skrupellos genossen, — die Meister der Lupe sind an sie herangetreten, haben sie durch ihre Gläser schauen lassen und haben gesprochen: seht, überzeugt euch selber, es gibt keinen Gott und keinen Geist, unsere künstlichen Todesengel-Augen zeigen ja weder das eine noch das andere! — und die Meister des Tiegels sind an sie herangetreten, und haben ihnen den Menschen als Brei gewiesen und haben zu ihnen gesprochen, seht, es gibt keine Freiheit und kein Gewissen, Reiz und Trieb beherrscht alles, und was man euch Gewissen nannte, ist nichts, als eine — Unverdaulichkeit! — darum genießt, genießt, Genuss ist der Gott des bewussten Weltganzen! Und da haben sie genossen ohne Skrupel, ohne Unruhe genossen, haben nach allem gehascht, haben alles gebrochen, haben alles gekostet, und nachdem sie alles erhascht und alles gekostet, sitzen sie da auf dem Aschenhügel ihrer Lust und ihrer Freuden, und haben die blasierte Weisheit gefunden, dass die ganze Welt und das bisschen Leben darin gar nicht der Mühe wert, dass der Genuss keinen Genuss, und die Lust keine Lust, und die Freude keine Freude gewähre, und klagen die Torheit an, die sie an die Welt und ihre Freuden glauben gelehrt, und sprechen mit bitterer Sterbensironie: [8]לִשְׂח֖וֹק אָמַ֣רְתִּי מְהוֹלָ֑ל וּלְשִׂמְחָ֖ה מַה־זֹּ֥ה עֹשָֽׂה. „Lächeln ist Torheit und Freude was schafft sie?“
Und wie die Raben zur künftigen Richtstatt, so treten die schwarzen Leichenbitter der Menschheit, die von jeher in dem Schmerz des Menschengeschlechts den Acker ihrer Hoffnungen gefunden כִּי־אָבַ֨ל עָלָ֜יו עַמּ֗וֹ וּכְמָרָיו֙ עָלָ֣יו יָגִ֔ילוּ [9]„deren Jubel beginnt, wenn das Volk in Trauer sich hüllt“ — sie treten an das lusterstorbene sorg- und gramerfüllte Geschlecht hinan und sprechen: nicht eine Torheit nur ist das Lächeln, nicht nutzlos nur die Freude eine Sünde ist das Lächeln und ein Verbrechen ist die Freude, Schmerz und Jammer, Trauer und Elend ist die Bestimmung des irdischen Lebens, dass der Mensch recht sehnsüchtig nach dem Jenseits werde und ihn der Durst nach Erlösung fasse, und er das Heil nur in einer Lehre finde, deren Wahrzeichen den Schmerz bedeutet, die den Menschen in der Gewalt des Todes, und alle irdischen Beziehungen, Blüten und Freuden unter dem Banne des Fluches betrachten lehrt, und nur über die Gräber alles irdischen Lebens ihre Weihestätten und ihr Siegeszeichen erbaut —
Aber zu Israel — spricht Gott: בַּחֲמִשָּׁ֨ה עָשָׂ֜ר י֗וֹם לַחֹ֤דֶשׁ הַשְּׁבִיעִי֙ הַזֶּ֔ה [10]“ am fünfzehnten Tag dieses selbigen siebten Monats“, auf der Lichthöhe dieses Sabbathmonats aller Monate, auf der Lichthöhe dieses selbigen Monats, der mit Schofargewalt zu Gott und zur Umwandlung des Lebens gerufen, und mit Jom Kippur-Ernst fastend und feiernd den Stab über alles gottabgewandte Dasein und Leben gebrochen, am fünfzehnten dieses siebten Monats ist das Gottesfest des heitern Hüttenbaus שִׁבְעַ֥ת יָמִ֖ים לה‘ sieben Tage! Nur einen Tag Rosch Haschanah, nur einen Tag Jom Kippur — aber sieben Tage das heitere Gottesfest des Hüttenbauens auf Erden! Nur Anfang ist Rosch Haschana nur Vermittlung Jom Kippur, aber die Lebensvollendung ist Suckoth! Lichtloser Anfang der Erste, im wachsenden Lichte vermittelnd der Zehnte, aber in lichtiger Fülle strahlt die Vollendung des Fünfzehnten! Nur einen Tag die Erschütterung nur einen Tag das Fasten, aber sieben Tage, der ganze, geschlossene Kreis der irdischen Lebenszeit, der Friede und die Heiterkeit und die Freude vor Gott!
Und wie wiederholt, drei, viermal wiederholt: dass in diesem ernsten siebten Monat, und nur in diesem ernsten siebten Monat, das siebentägige Gottesfest des heitern Hüttenbaus auf Erden zu feiern sei:
בַּחֲמִשָּׁ֨ה עָשָׂ֜ר י֗וֹם לַחֹ֤דֶשׁ הַשְּׁבִיעִי֙ הַזֶּ֔ה חַ֧ג הַסֻּכּ֛וֹת שִׁבְעַ֥ת יָמִ֖ים לה‘[11]
אַ֡ךְ בַּחֲמִשָּׁה֩ עָשָׂ֨ר י֜וֹם לַחֹ֣דֶשׁ הַשְּׁבִיעִ֗י בְּאָסְפְּכֶם֙ אֶת־תְּבוּאַ֣ת הָאָ֔רֶץ תָּחֹ֥גּוּ אֶת־חַג־ה‘ שִׁבְעַ֣ת יָמִ֑ים[12]
וְחַגֹּתֶ֤ם אֹתוֹ֙ חַ֣ג לַֽה‘ שִׁבְעַ֥ת יָמִ֖ים בַּשָּׁנָ֑ה, חֻקַּ֤ת עוֹלָם֙ לְדֹרֹ֣תֵיכֶ֔ם, בַּחֹ֥דֶשׁ הַשְּׁבִיעִ֖י תָּחֹ֥גּוּ אֹתֽוֹ[13]
Somit für alle Zeiten und alle Geschlechter besiegelnd und vor der sie vernichtenden, nach beiden Seiten ausschweifenden Lüge die Menschheit erlösende ewige Gotteswahrheit schützend:
Dass die Freude, die Freude des irdischen Lebens nicht vor Gottes Angesicht zu fliehen habe, dass vielmehr [14]הַשִּׂמְחָה בִּמְעוֹנוֹ, dass sie ganz eigentlich bei ihm wohne, dass vor Seinem Angesicht die Freude neben dem Ernst ihre Stätte finde, ja, dass in der Freude der Ernst erst seine rechte Blüte und Vollendung finde und dass nur der rechte, echte Ernst der Gotteswahrheit es sei, der zur dauernden, ewigen, Leben erfüllenden Freude auf Erden führe: בַּחֹ֥דֶשׁ הַשְּׁבִיעִ֖י! Im Monat des Ernstes — das heitere Fest der Freude!
Dass aber auch nur in dem Ernst dieses siebenten Monats die Freude gepflanzt und gepflegt und dauernd gewonnen werden könne! Nur nach Rosch Haschanah und Jom Kippur — Suckoth! Nur der aus den Banden des אֵל זָר und den Fesseln der אֵל נֵכָר durch den einen Einzigen frei gewordene, reine, freie Mensch baut froh und heiter, freudig und friedlich seine Lebenshütte auf Erden! Nicht in der Ernte, in der Ernte vor Gott liegt der Quell und der Boden und zugleich die ewige Sicherung der Freude אַ֡ךְ בַּחֲמִשָּׁה֩ עָשָׂ֨ר י֜וֹם לַחֹ֣דֶשׁ הַשְּׁבִיעִ֗י בְּאָסְפְּכֶם֙ אֶת־תְּבוּאַ֣ת הָאָ֔רֶץ תָּחֹ֥גּוּ אֶת־חַג־ה‘ שִׁבְעַ֣ת יָמִ֑ים!33 Nur am fünfzehnten des siebenten Monats feiert ihr zur Zeit der Ernte das siebentägige Gottesfest!
Das ist jüdische Lehre!
Derselbe Gott, der בְּעָשׂוֹר לַחֹדֶשׁ, der am Zehnten: וְכָל מְלָאכָה לֹא תַעֲשׂוּ, „schaffet kein Werk!“ gesprochen und mit diesem Ausspruch uns die Beherrschung seiner Erde für die Zwecke der Menschenbegründung auf Erden genommen, derselbe Gott spricht zum Fünfzehnten: [15] בַּסֻּכֹּ֥ת תֵּשְׁב֖וּ שִׁבְעַ֣ת יָמִ֑ים, bauet euch Hütten, siedelt euch an, wohnt in Hütten sieben Tage, jeder Angehörige Israels wohne in Hütten! Derselbe Gott ordnet für den Fünfzehnten das Gottesfest der Hütten sieben Tage!
Denn nur der dem Feuer des אֵל זָר in uns, der der blinden Befriedigung und Leidenschaften gespendete Genuss ist זָר , ist unheilig, ungöttlich und menschenunwürdig und gewährt daher dem Menschen keine dauernde Freude, verkauft für jahrelange Erschlaffung, Überdruss und Elend den flüchtigen Reiz vorübereilender Minuten, eben weil er זָר ist, weil er es nicht ist, für den der Mensch geschaffen, weil er dem Menschen im Menschen fremd ist, und schon während das Tier im Menschen schwelgt — das Reine, Göttliche in ihm trauert.
Wenn aber der Ernst des siebenten Monats unser ganzes, ungeteiltes Wesen mit Gott dem Einen, Einzigen verbindet, wir mit Leib und Seele ihm angehören, und auch den leiblichsten Genuss nur in seinem Dienste und um seines Dienstes willen wollen, und Trieb und Reiz und Kraft und Streben mit freier, göttlicher Energie dem reinen Altarfeuer seines heiligen Wortes weihen, dann — reicht Er uns selber den Blütenstrauß seines Segens, dann weiht Er Trieb und Reiz und Kraft und Streben selber zu Dienern seines heiligen Willens, dann hebt Er Genuss und Freude selber in den heiligen Kreis seiner Mizwoth und spricht: Brecht die Blüten, nehmt die Früchte, die meine Erde euch spendet, und freut euch ihrer vor meinem Angesicht! Und dann ist die Freude ewig, weil sie heilig und göttlich ist, weil sie das Wesen im Menschen beglückt, das, unabhängig von dem Wechsel der Dinge, sich nur das Gefühl seiner reinen, freien, göttlichen Natur zu erringen und zu bewahren braucht, um die freudigste Seligkeit zu genießen, und weil sie in dem Strahl des Angesichtes desjenigen reift, dessen Liebe- und Gnadenantlitz stets zu finden — [16]שֹׂ֣בַע שְׂ֭מָחוֹת אֶת־פָּנֶ֑יךָ נְעִמ֖וֹת בִּימִינְךָ֣ נֶֽצַח — und weil der flüchtigste, im Dienste des Einen, Einzigen hier auf Erden verlebte Augenblick die unendliche Fülle der ganzen künftigen Lebensseligkeit aufwiegt יָפָה שָׁעָה אַחַת בִּתְשׁוּבָה וּמַעֲשִׂים טוֹבִים בָּעוֹלָם הַזֶּה, מִכָּל חַיֵּי הָעוֹלָם הַבָּא[17].
Und ebenso, wenn wir im Dienste des אֵל נֵכָר die Erde bezwingen, den Göttern huldigen, denen man anderweitig die Gestaltung und Leitung der menschengesellschaftlichen Verhältnisse unterstellt, wenn wir der קִנְאָה, תַּאֲוָה und כָּבוֹד, dem Neid, der Lust und dem Ruhm, der Habsucht, der Genusssucht und der Ehrsucht unsere Häuser bauen, unsere Städte gründen, unsere Staaten stiften, wenn nicht לְשֵׁם שָׁמַיִם, wenn nicht dem Namen Gottes, wenn נַעֲשֶׂה לָנוּ שָׁם[18], wenn unserem Namen in allem und mit allem gehuldigt wird, unsere selbstgeschaffenen Zwecke mit aller Wissenschaft und Kunst, mit aller Kenntnis und Erfindung gefördert werden, wenn Selbstdünkel und Selbstsucht unsere kleinen und großen Kreise stiften und regieren, — oder wir [19]עוֹרְכִים לְגֵר שֻׁלְחָן dem Glück und dem Zufall, dem Schicksal und der Notwendigkeit unsern Tisch hinstellen, dass sie ihn füllen — da dürfen wir uns nicht wundern, wenn in den Häusern nicht die Liebe und in den Städten nicht der Friede und in den Staaten nicht das Heil erblüht; da dürfen wir uns nicht wundern, wenn mit allen diesen Verirrungen, mit denen der Mensch sich festzusetzen glaubt auf Erden, [20] מוֹצִיאִין אֶת הָאָדָם מִן הָעוֹלָם, er vielmehr den Boden sich selber unter den Füßen entzieht; da dürfen wir uns nicht wundern, wenn der Mensch mit sich und seinen Schritten eine Welt im Gegensatz findet, die nicht ein Zufall und nicht eine blinde Notwendigkeit, die der eine, einzige, freie, heilige Allmächtige regiert, der nicht von bloß mechanischer Bewältigung, der von der Pflege des Rechts und der Liebe und der Heiligung in Seinem Dienst die Blüte des Menschenheils auf seiner Erde und durch seine Erde bedingt.
Wenn aber Gott es ist dem unsere Hütten und Häuser, unsere Städte und Staaten wir bauen, wenn sein Name es ist, der den Mann und das Weib, der die Eltern und Kinder, der die Brüder und Schwestern, der die Genossen unserer Häuser, der die Bürger unserer Städte, der die Glieder unserer Staaten zusammenführt; wenn sein heiliger Wille es ist, dem von allen und mit allem gedient wird, und in welchem alle mit allem sich zusammenfinden, in seinem Dienst der Bauer auf dem Feld und der Schiffer auf dem Meer und der Künstler in dem Stübchen und der Staatsmann im Salon und der Weise bei der Lampe und der Arbeiter in der Werkstatt und der Kaufmann im Büro — das Weib in der Küche und an der Wiege, und der Mann auf dem Markt des Lebens — dann spricht Gott noch heute zu uns, wahrlich [21]לֹא־תֹ֥הוּ בְרָאָ֖הּ לָשֶׁ֣בֶת יְצָרָ֑הּ , „nicht eine Öde der Trübsal und des Jammers wollte ich mit meiner Erde hervorrufen, zu einem heitern Wohnplatz beglückter Menschen habe ich sie gestaltet, מִלְא֥וּ אֶת הָאָ֖רֶץ וְכִבְשֻׁ֑הָ[22]!, nehmt hin die Welt, „füllt die Erde und bewältigt sie“, בְּסֻכֹּת תֵּשְׁבוּ, „bauet eure Hütten“, zieht eure Kreise, wohnt auf Erden, und ! חַג הֲסֻכַּת שִׁבְעַ֥ת יָמִ֖ים לה‘, und mit eurem Hüttenwohnen feiert Gott das heiterste Fest! Ihm eure Hütten, Ihm eure Kreise, Ihm euer wohnliches Dasein auf Erden, Er אֲנִי ה‘ אֱלֹקֵיכֶם, Er, der eine einzige „Ich„, ה‘, euer Gott: Der Name walte über alle und alles überall, — in Ihm, in seinem Namen und seinem heiligen Willen finde sich jeder mit allen und allem zusammen, so wird dieser Name sich als die einzige endliche Friedensmacht bewähren, die alle Kreise schirmt mit ihrem Recht und ineinander fügt mit ihrer Liebe, die alle Gemüter einigt, die alle Gegensätze versöhnt, alle Verschiedenheiten ausgleicht, alle Kämpfe endet, alle Klüfte ausfüllt, und die Liebe in den Hütten und den Frieden in den Städten und das Heil in den Staaten begründet und der Welt den Frieden gibt, der vor allen andern Bestrebungen flieht. Denn der um Gott sich zusammenfindenden Menschheit, der „Sein Volk“ gewordenen Menschheit, hat Gott nicht die Vernichtung und den Fluch, nicht die trostlose Ohnmacht und den endlichen Kampf auf Erden bestimmt, seinem Volk verleiht Er die Ewigkeit und den Sieg, sein Volk segnet Er mit Frieden — עֹ֭ז לְעַמּ֣וֹ יִתֵּ֑ן , יְבָרֵ֖ךְ אֶת־עַמּ֣וֹ בַשָּׁלֽוֹם![23]
Und nun nehmen wir noch einmal Frucht und Straußgebinde zur Hand, setzen uns noch einmal in die Festhütten nieder, und lauschen, welchen besonderen Lebensgruß uns etwa noch für unsere Genussesfreude das eine, und die andern für unsern Hüttenfrieden auf Erden zu bringen wissen.
עֵץ הָדָר, den ganz und immer im Fruchtschmuck prangenden nennt das Gotteswort den Baum, dessen Frucht du im Ethrog in Händen nimmst, — עֵץ, שֶׁטַּעַם פִּרְיוֹ כְּטַעַם עֵצוֹ וְטַעַם עֵצוֹ כְּטַעַם פִּרְיוֹ שֶׁפִּרְיוֹ הָדָר וְעֵצׄו הָדָר ein Baum, der ganz Frucht ist, der die ätherischen Stoffe des Wohlgeruchs und Wohlgeschmacks nicht erst in dem Gipfel, nicht erst in der Frucht trägt, der durch und durch ätherisch getränkt ist und schon im Stamme, in den Ästen, in den Zweigen und Blättern den Duft des Wohlgeschmacks bietet, der in der Frucht zur Vollendung reift. פְּרִי עֵץ הָדָר: ein Baum, der auch immer Frucht trägt, immer im Schmuck der Frucht dasteht, nie leer von Früchten ist, הַדָּר בְּאִילָנוֹ מִשָּׁנָה לְשָׁנָה וְעַד שֶׁבָּאִין קְטַנִּים עֲדַיִן גְּדוֹלִים קַיָּימִים dessen Früchte nicht in einem Jahre reifen, und an welchem die diesjährig werdende Frucht noch die alte vorjährig reifende grüßt. פְּרִי עֵץ הָדָר, ein Baum endlich, dessen Fruchtschmuck unabhängig ist von dem Wechsel der Jahrgänge, der die Zeit der Dürre nicht zu fürchten hat, der grünt wenn andere Bäume dorren, שֶׁגָּדֵל עַל כָּל מַיִם, der nicht auf die Tränkung des Regens zu warten hat, der wie das Kraut von jeglichem Nass wächst, das ihm die pflegende Hand des Menschen zuträgt — das ist der Baum, dessen Frucht du als Ethrog in die Linke nimmst, und zu der du die Palme und die Myrthe und die Weide mit deiner Rechten gesellst. Zu einer solchen Frucht soll in deiner Hand alles werden, was dir die Erde bietet, ein solcher Baum in deinen Händen alles werden, was dir dein irdisches Geschick reicht. Ob es dir vergönnt ist, schlank und kräftig wie die Palme emporzustreben, ob schön und anmutig, wie die Myrthe, sich Dauer und Liebreiz in deinem Geschicke vereinigen, ob schwach und abhängig, wie die Weide, — dein Geschick keinen Tag der tränkenden, nährenden Stütze zu entbehren vermöchte — in deiner Hand alles הָדָר alles, bei jedem zugemessenen Maß von Kräften: als Palme, als Myrthe, als Weide, auf jeder Stufe der Entwicklung: als Stamm, als Ast, als Zweig, als Blatt, — Alles: הָדָר, alles fehlerlos, makellos, ungeknickt, ungeschwächt, unverdorrt, alles langsam reifend, auf jeder Stufe herrlich, alles stets in seiner Art in sich vollendet, und doch — auf jeder Stufe, zu jeder Zeit, erfreuend, alles — das Bild verwirklichend:
וְהָיָה כְּעֵץ שָׁתוּל עַל פַּלְגֵי מָיִם אֲשֶׁר פִּרְיוֹ יִתֵּן בְּעִתּוֹ וְעָלֵהוּ לֹא יִבּוֹל וְכֹל אֲשֶׁר יַעֲשֶׂה יַצְלִיחַ
„Wie ein Baum an Wasserquellen gepflanzt, der seine Frucht gibt zur rechten Zeit und dessen Blatt nicht welkt, und alles, was er tut, beglückt.“ Oder wie das Prophetenwort das dreifache הָדָר zeichnet:
גָּדַל עַל כָּל מַיִם = וּבִשְׁנַת בַּצֹּרֶת לֹא יִדְאַג; עֵץ הָדָר = וְהָיָה עָלֵהוּ רַעֲנָן דָּר בְּאִילָן מְשַׁנֶּה לְשָׁנָה = וְלֹא יָמִישׁ מֵעֲשׂוֹת פֶּרִי.
Damit aber alles diese ewig dauernde, durch nichts zu trübende Heiterkeit gewähren könne, müssen wir der Weisung unseres Gottes achten, die zu uns spricht:
וּלְקַחְתֶּם, nehmet, erwerbet, erringet euch, rühret eure Kräfte, strebet fleißig, tätig; nur das Errungene, das Erworbene, nur Fleiß und Tätigkeit ist eine Wurzel des Heiles, ist eine Wurzel der Freude! Und לָכֶם וּלְקַחְתֶּם, und nehmet euch, erwerbt euch eigen! redlich sei es und rechtlich sei es und euer sei es, שֶׁלָּכֶם יְהֵא, wie klein auch immer, und wenn auch nicht in Palmenhöhe, und wenn auch nicht in Myrthenschöne, wenn auch bescheiden wie die Weide, שֶׁלָּכֶם יְהֵא, euer sei es, הַגָּזוּל וְהַשְּׁאוֹל פָּסוּל, nicht geraubt, und nicht erborgt, eine, in wie bescheidener Größe auch immer redlich erworbene Selbstständigkeit erstrebt euch, — was ihr in Händen nehmt, sei redlich euer, sei ganz euer, so rein und redlich euer, dass ihr’s im Anblick des Himmels und der Erde, vor den Augen der ganzen Welt in Ost und West, in Süd und Nord als das Eure nehmen, — dass ihr damit
לִפְנֵי ה‘ אֱלֹקֵיכֶם vor das Angesicht des einen Einzigen eures Gottes treten könnt, dass ihr es vor seinem Angesicht nehmen und damit die Erfüllung seines heiligen Willens erstreben könnt, nicht selbstsüchtig es nur euch, nicht engherzig es nur irdisch-vergänglichen Zwecken, sondern jeden Splitter der euch verliehenen Kräfte und Güter, die kleinste Frucht, die euch auf Erden blüht, erst der Menschheit in Ost und West und Süd und Nord und dann Euch: מוֹלִיךְ וּמֵבִיא, — erst dem Himmel und dann der Erde מַעֲלֶה וּמוֹרִיד weihet, — ja, so euch zu einem Träger des Göttlichen und zu einem Heilesboten auf Erden vollendet, dass selbst, was ihr irdisch Euch zuwendet, dem Himmlischen in der Höhe und dem allweiten Heil auf Erden zu Gute kommt, — dass die Thora, Gottes heiliger Wille, euer Mittelpunkt bleibe und ihr mit allem eurem Streben, allem eurem Erwerben, allem eurem Genießen, allem eurem Wirken nur im Kreis seines heiligen Willens euch bewegt: אֶרְחַץ בְּנִקָּיוֹן כַּפַּי הַקָּפוֹת, וַאֲסוֹבְבָהּ מִזְבַּחֲךָ ה‘ — so erstrebet, so erwerbet, so genießet:
וּשְׂמַחְתֶּם לִפְנֵי ה‘ אֱלֹקֵיכֶם so werdet ihr die Freude finden vor dem Angesicht eures Gottes, wo שִׁבְעַת יָמִים, die ewige, unverlierbare, eure ganze Lebenszeit durch dauernde Freude, die so ewig ist, wie Gott, vor dem ihr sie erstrebt, wie Gott, der sie euch gewährt.
בַּגִּבוּלִין יוֹם אֶחָד, außer dem göttlichen Kreise, dauert mit allen Früchten und Blüten der Erde die Freude nur einen Tag; denn es ist da nur die Blüte, die Frucht, das Vergängliche, und es ist da nur der vergängliche Genuss dieses Vergänglichen, in welchem die Freude, — die darum vergängliche, — wurzelt. Aber בַּמִּקְדָּשׁ, aber im heiligen Thorakreis, לִפְנֵי ה‘ אֱלֹקֵיכֶם, vor dem Angesicht des Einen, Einzigen eures Gottes da tritt Blüte und Frucht, und Erwerb und Genuss der Blüte und Frucht bescheiden und als Mittel zurück, und nicht in der Blüte und Frucht, und nicht im Erwerb und Genuss, aber im reinen beseligenden Gefühl erfüllter Pflicht, im reinen seligen Bewusstsein der Gottesnähe, im heiterseligen Hinaufblick in das freundlich zulächelnde Antlitz deines Gottes wohnt da die Freude, und darum ist sie ewig, dauert שִׁבְעַת יָמִים, wie der Quell, aus dem sie fließt. Der Strauß mag welken, der Genuss dahin schwinden, aber die Seligkeit des Bewusstseins, vor Gott gestrebt, vor Gott erworben, vor Gott genossen, vor Gott gewirkt zu haben, die Seligkeit des Bewusstseins treu vor Gott erfüllter Pflicht, die Seligkeit bleibt dein ewig unverlierbarer Teil — und es hat der Schöpfer sein edelstes Geschöpf, seinen Menschen nur für eine dauernde Freude geschaffen, und diese ist: das von jedem zu erringende, das überall und mit allem und zu jeder Zeit zu erringende Bewusstsein treu vor Gott erfüllter Pflicht!
Wenn wir aber so den Gottesruf vernommen: für ein Gott geweihtes Streben eine gottgesegnete Selbstständigkeit redlich zu erwerben, wenn wir gelernt, mit allen irdischen Gütern vor Gottes Angesicht zu stehen und damit die vor Seinem Angesicht, blühende ewige Freude zu erwerben, dann spricht Gott zu uns:
תֵּשְׁבוּ! jetzt lasset euch nieder, בְּסֻכּוֹת תֵּשְׁבוּ, wenn auch nur in flüchtigen Wanderhütten, lasst euch nieder, begreift den Wert der Erde, begreift den Wert eures flüchtigen Daseins auf Erden, auch die Erde ist אַדְמַת קֹדֶשׁ, ist Gott heiliger Boden, auch euer irdisches Dasein ist ein Teil der euch verliehenen seligen Ewigkeit, nicht nur im Himmel, nicht nur im Jenseits wohnt ihr bei Gott, wohnt Gott bei Euch, עִיקַּר שְׁכִינָה בְּתַחְתּוֹנִים, auf Erden wollte Er seine Herrlichkeit bei euch wohnen lassen, auf Erden will Er seine Herrlichkeit bei euch wohnen lassen und spricht darum zu euch: zieht Kreise, zieht kleine Welten um euch, zieht Seelen und Seelchen in euren Kreis, denen Ihr, mein Ebenbild, ein Mittelpunkt der Leben gebenden, Leben nährenden, Leben erziehenden Liebe werdet, umgrenzt diese Kreise für das bescheidene Maß des Menschenwirkens, stellt diese Kreise unter Meine Obhut, baut Hütten und תֵּשְׁבוּ כְּעֵין תָּדוּרוּ! und geht ein in dieses häusliche Hüttenleben auf Erden, gebt ihm euch so entschieden, so ganz, mit solchem Ernste hin, als ob die Lösung der in diesen Wanderhütten auf Erden euch blühenden Aufgaben die Summe eures ganzen ewigen Daseins umschlösse! Denn siehe, nicht in dem ehelosen, hauslosen, kinderlosen, familienlosen Einzelleben erblüht die Seligkeit und die Freude vor Gott auf Erden. Zum Paradies der Erde gehört die Hütte, gehört die Ehe, gehört der Kindersegen, gehört das Gatten- und Eltern- und Kinder- und Geschwisterleben mit all seinen Sorgen und all seinen Mühen, mit dem ganzen Ernst seiner Aufopferung und Hingebung, mit all den Triumphen der Selbstverleugnung und der Liebe. Und je mehr Seelen und Seelchen aufblühen in der Hütte, umso mehr Gottesherrlichkeit erfüllt den häuslichen Kreis. Denn jede Seele, jedes Seelchen ist ein neues Band, das die Schechinah mit unserm irdischen Leben vermählt.
Darum zum לוּלָב die , סֻכָּהzum Fruchtstrauß die Hütte, zur gottgesegneten Kraft das Haus! חַג הַסֻּכּוֹת שִׁבְעַת יָמִים לַה‘, בַּסֻּכֹּות תֵּשְׁבוּ שִׁבְעַת יָמִים , in Hütten wohnet sieben Tage! Feiert Gott das Fest der Hütten sieben Tage!
תֵּשְׁבוּ! — בְּסֻכֹּות In „Hütten“ — „wohnen!“ בְּדִירַת עֲרַאי in vergänglichen Räumen — כְּעֵין תָּדוּרוּ mit der ganzen Ruhe und Hingebung heiterer Unvergänglichkeit leben — das ist die Summe aller Lebensweisheit! Nie vergessen, in vollem Bewusstsein haben, dass alles, was uns hienieden umfängt, die Pracht der Paläste oder die Öde der Hütten, der Wall der Burgen oder der Bretterzaun der Baracke, alles vergänglich sei, und doch in diesen Stätten der Vergänglichkeit, trotz dieses Bewusstseins, ja eben durch dieses Bewusstsein, sich der eignen, heitern, alles dies überdauernden Ewigkeit bewusst zu werden, bewusst zu bleiben, aus allem diesen Vergänglichen und mit all diesem Vergänglichen sich den süßen Kern des ewig heitern göttlich Menschlichen heraus zu schälen, und die flüchtigste Minute des flüchtigsten Daseins an flüchtigster Stätte zu einem Blatt des im Gottesbund ewig frischen Blütenkranzes der Seligkeit zu gestalten — das heißt: weise sein, und diese Weisheit wollen die siebentägigen Festhütten vor Gott uns lehren. Darum tragen sie den doppelten Charakter der Schwäche und der Kraft, der Flüchtigkeit und der Dauer, der Vergänglichkeit und der Ewigkeit, des עֲרַאי und des קָבַע, und סְכַךְ und מְחִיצוֹת sind nichts als die Predigt von dem unter flüchtigstem Dach zu gewinnenden dauernden ewigen Frieden!
Siehe diese Hütten! Ob der eine sie aus Quadersteinen baut, der andere aus Bretterwänden zimmert, mit bescheidenem Papierschnitz der eine ziert, mit goldenem Fliterschmuck der andere auszustatten weiß, das macht die Hütte nicht כָּשֵׁר und nicht פָּסוּל, in beiden kann der Friede wohnen, aus beiden kann der Friede weichen, des Hauses Friede, des Hauses Freude sind durch ganz andere Dinge bedingt. Welchen Raum deine Wände umschließen, welchen Charakter die deinen häuslichen Kreis umschließenden Wände tragen, welchen Charakter vor allem der deinen häuslichen Kreis überdachende Schirm trägt, unter dem du dich schützt, danach frage, wenn du den Frieden deines Hauses bestellen willst.
Siehe, es will dein Gott, dass du dich abgrenzt auf Erden. Die ganze Erreichung der dem Menschen auf Erden gesetzten göttlichen Bestimmung ist dadurch bedingt, dass jeder einen Raum für sich gewinnen, einen frei berechtigten Raum, in welchem er sich frei bewegen und seine Gott verliehenen Kräfte zur Verwirklichung der von Gott bestimmten Zwecke unbehindert entfalten könne, und nur ein Geschlecht, das so sich selbst wie seinen Gott verloren, dem so das Bewusstsein vom berechtigtfreien Menschenwesen, wie das Bewusstsein vom allmächtig frei waltenden Gott abhandenkommt, nur ein solches Geschlecht kann zu dem Wahne der Verzweiflung kommen, es sei das Heil der Menschen auf Zertrümmerung des häuslichen Einzelrechts zu bauen, es könne des Volkes Heil nur aus dem Grabe der Häuser erblühen! Nicht so dein Gott, Israel! Wie unsere Nationalbegründung am Pessach mit Gründung unserer Häuser begann, uns Gott erst zu Vätern und Müttern, zu Kindern und Eltern, zu Brüdern und Schwestern, erst zu Häusern und Familien gruppierte, und dann erst das umfassende Band der Gemeinde und der Nation um alles dieses schlang, — wie unser erstes Weihopfer in „Pfoste“ und „Schwelle“ seine Altäre fand, also ist unsere Nationalerhaltung, die Suckoth feiert, nur auf die Erhaltung unserer Gott geweihten Häuser begründet, und wie Pessach findet Suckoth die Lösung seiner Feier — im häuslichen Kreis.
Der im Nachfolgenden kursiv gesetzte Satz ergibt keinen Sinn. Hier hat sich beim Druck ein Fehler eingeschlichen, der wohl übersehen wurde.
Es sollen uns die דָּפְנוֹת, die unsere Einzelkreise abgrenzenden Wände erstehen, wir sollen rühren die Hände, dieses Bereich unseres häuslichen Wirkens, so stark und so dauernd als möglich, durch die Spenden der Natur, oder mit dem Erzeugnis unserer Kraft und unseres Fleißes zu bauen. Und wie spärlich auch immer diese Kräfte zugemessen wären, und reichten sie auch nur zu [24]dritthalb Mauern aus, zu שְׁתַּיִם כְּהִלְכָתָן, וּשְׁלִישִׁית אֲפִילּוּ טֶפַח [25] — immer seien unsere vier Wände als der heilige Bereich einer gottberechtigten häuslichen Selbstständigkeit abgegrenzt, bieten Raum für [26] רֹאשׁוֹ רוֹבוֹ וְשֻׁלְחָנוֹ, für Geist und Leib und Nahrung seiner Bewohner, und seien keine [27] דִּירָה סְרוּחָה, kein das Gemüt beengend hinabdrückender Kreis und auch kein solcher, indem man nur מִצְטַעֵר[28] , indem man nur mit Widerwillen und notgedrungen weile
Selbständigkeit und heiter gemütliches Wohlbehagen biete unser häuslicher Kreis seinen Gliedern; danach sollen wir streben, mit allen Kräften, mit allem redlichem Fleiß; dafür sollen wir säen und ackern und pflügen und ernten, dafür sollen wir meißeln und hämmern und fugen und bauen. Aber wehe uns, wenn wir in diesen Werken unserer Hand die Schutzgötter unseres Hauses erblicken, wehe uns wenn wir in der „gebundenen Allnatur“, in der an ihren Brüsten gereiften „Frucht“ oder in der „künstlichen Arbeit“ unserer Natur bezwingenden Klugheit den Schutz und den Schirm unserer Hütten verehren, wehe uns, wenn wir über den דָּפְנוֹת des סְכָךְ, über den Ausbau unserer Macht auf Erden des Schutzes und des Schirms aus der Höhe vergessen, oder vermeinten, wir könnten, wie den Bau unserer Macht, also auch den Schutz und den Schirm desselben erkünsteln, wehe uns wenn wir der „blinden Natur“ oder unserer „eigenen schauenden Klugheit“ den Altar unserer Hütte erbauen und nicht sehen, nicht sehen wollen: dass mit allem, was die Natur uns bietet, mit allem was wir mit unserer Hand vollbringen, wir nicht die vollendete Frucht unseres häuslichen Glücks zu bewirken, wir für die Heilesernte unserer Hütte nur Wurzeln, Äste, Blätter, Halmen, Hülsen, nur die Gefäße darzureichen vermögen, in welche der Gnadenblick unseres Gottes die Frucht des segnenden Friedens mit Seiner allmächtigen Huld spenden wolle!
Siehe unsere Festhütten! Nicht die דָּפְנוֹת, nicht die bescheidenen oder stolzen Wände unserer Macht, das סְכָךְ, der Schirm von Oben macht sie zu סֻכּוֹת, macht sie zu den Festhütten der siebentägigen Freude vor Gott! Und dieses סְכָךְ, diese Friedensdecke unserer Hütten, wir haben sie nicht בִּמְחֻבָּר[29], nicht in der von Menschen unbeherrschten Macht der Natur, und auch nicht בְּדָבָר הַמְקַבֵּל [30]טוּמְאָה, und auch nicht in den an den Brüsten der Natur dem Menschen zugereiften Früchten, oder in den künstlichen Werken des die Natur beherrschenden Menschengeistes zu suchen. Unsere דָּפְנוֹת, unsere uns menschengesellschaftlich abgrenzenden Räume mögen wir je nach den verliehenen Mitteln mit diesen Gütern der Natur- und Menschenmacht ausbauen; aber das סְכָךְ, aber der Schutz und der Schirm, dem wir diese unsere häuslichen Räume unterstellen, der unseren häuslichen Räumen den Segen des Friedens verleihen soll, גִּדּוּלוֹ מִן הָאָרֶץ [31] muss er freilich sein, aus der Entwicklung der Erdnatur soll er erblühen, aber nicht die Erdnatur selber, nichts מְחֻבָּר, nichts ihr noch Angehöriges kann ihn uns gewähren vielmehr תָּלוּשׁ[32], vom Menschen ihr Abgerungenes aber wiederum nicht פְּרִי und nicht כְּלִי, nichts durch Natur und nichts durch Menschengeist Vollendetes vermögen wir dafür zu bereiten. Alle Schätze der Natur, alle Werke des Menschengeistes vermögen zum Friedensschirm der Menschenhütten nur פְּסׄולוֹת גֹּרֶן וְיֶקֶב, nur „Halme und Hülsen“ zu gewähren, in welche erst der Gottessegen den Kern und die Frucht des Heiles zu legen vermag.
Und dieses Gottesschutzes kann der Reichste nicht entbehren und dieser Gottesschutz ist auch dem Ärmsten sicher! Wie auch die דָּפְנוֹת unsere Paläste und Schlösser, unsere Häuser und Hütten unterscheiden mögen, Macht und Opulenz[33], Natur und Kunst, Schwäche und Armut, Einfachheit und Dürftigkeit die häuslichen Räume der Menschen umfassen, — in dem, was uns schirmt, in dem, was uns schützt in dem, was allein uns den Frieden, und allen den Frieden zu verleihen vermag, darin sind wir alle gleich, und diese Gleichheit, diese סָכַךְ -Gleichheit, mache uns alle bescheiden und mache uns alle heiter und froh!
Der Wahn, nur unter den Burgen der eigenen Macht und unter den Berechnungen der eigenen Klugheit Sicherheit und Frieden finden zu können scheucht den Frieden, nimmt unsern Tagen den Frohsinn und unsern Nächten die Ruhe, macht Angst und Sorge zu Gefährten unseres Lebens und macht Friede und Freude zu Märchengestalten eines gutmütig fantastischen Traumes.
Aber das Bewusstsein לֹא בְּיָדָם טוּבָם, dass ja nicht in unsern Händen unseres Glückes Vollendung ruht, wir auch mit unserer Hausgründung, mit allem Streben für Weib und Kind und den heiterglücklichen Aufbau unserer Hütten wir nur das „Unsrige“, wir nur unsere „Pflicht“ tun, und nur, wie wir so rein jüdisch „sprechen“, יוֹצֵא sein können, wir nur nach Kräften von der Erde aufstreben, aber den kleinen oder großen Bau unserer Hand nur unter den Schirm des Allmächtigen zu stellen vermögen, wir mit allem, allem Streben und Vollbringen nur „Halme und Hülsen“ schaffen, Gott allein aber den „Kern“ des Gedeihens und den süßen „Saft der Freude“ geben kann, dies Bewusstsein lässt uns froh und heiter das Unsrige tun und froh und heiter „im Schirm des Allerhöchsten und im Schatten des Allmächtigen“ des Segens gewärtig sein!
Denn wenn wir am Suckoth in der Zuversicht unsere Hütten bauen, dass da, wo mit reinem, von Selbstsucht und Selbstvergötterung freien Sinne die Gaben und Güter der Erde genommen und mit gottverehrendem Vertrauen die Hütten des Lebens gebaut werden, dieses Vertrauen nicht zu Schanden werde, und wo der אֵל זָר aus dem Herzen und der אֵל נֵכָר aus der Hütte gebannt, da segnend und schirmend erleuchtend und beglückend gerne die Herrlichkeit Gottes einziehe, so hat diese Zuversicht den festen Ankergrund der eigenen Erfahrung aus unserer großen Vergangenheit, so darf Israel zurückschauen auf jene Zeit, wo es mit Weib und Kind in Wüsteneien gewandert, und der Gott, der es aus Tyrannenketten erlöst, sich auch schirmend und schützend in Wüsteneien nahe gezeigt und es mit seiner Wolkensäule geschützt und ihm mit seiner Feuersäule vorgeleuchtet und es mit seinem Manna gespeist und es mit dem Wasser aus dem Felsen getränkt, auf dass es erkennen lernte כִּי לֹא עַל הַלֶּחֶם לְבַדּוֹ יִחיֶה הָאָדָם כִּי עַל כָּל מוֹצא פִּי ה‘ יִחיֶה הָאָדָם [34], dass nicht vom künstlichen Menschenwerk allein, sondern von jeglichem Ausspruch der göttlichen Barmherzigkeit der Mensch sein frohbeglücktes Dasein finde —
Und das Vertrauen, das die Väter erlernt, die Zuversicht, welche die Väter gefunden, die soll das Erbteil ihrer Kinder und Enkel bleiben. — Feiert das Hüttenfest, baut Gott eure Hütten, wohnt in Hütten vor Gott sieben Tage לְמַעַן יֵדְעוּ דֹרֹתֵיכֶם כִּי בַּסֻּכֹּות הוֹשַׁבְתִּי אֶת בְּנֵי יִשְׂרָאֵל בְּהוֹצִיאִי אוֹתָם מֵאֶרֶץ מִצְרָיִם [35] „damit eure Kinder es wissen, dass Ich in Hütten Israels Söhne wohnen ließ, als Ich sie aus Mizrajim führte“ אֲנִי ה‘ אֱלֹקֵיכֶם, Ich bin noch derselbe, ich bin noch euer Gott, bin noch bei euch und bin noch mit euch, baut mir eure Hütten, und ich wohne noch unter euch, und wenn ihr wieder durch die Wüste wandert: [36] מִצּוּר דְּבַשׁ אַשְׂבִּיעֶךָ „werde — Ich aus dem Fels mit Honig noch euch sättigen“ —
[1] „unheiliger Gott“
[2] „Gott des Fremden“
[3] Jecheskiel 18:23
[4] Jechekliel 18:23
[5] Jecheskiel 18:32
[6] Genie: ursprünglich „erzeugende Kraft“. Hier also: Die Kräfte, die das Paradies erzeugen; Friede Freude, Heiterkeit, Frohsinn
[7] aus Vernunftgründen
[8] Sprüche 2:2
[9] Hosea 10:5
[10] Leviticus 23:34
[11] Levitikus 23:34; Am fünfzehnten Tage dieses siebenten Monats ist das Hüttenfest sieben Tage hindurch dem Herrn. (Übersetzung Rabbiner Bernfeld)
[12] Leviticus 23:39; Jedoch am fünfzehnten Tage des siebenten Monats, da ihr gesammelt den Ertrag des Landes, sollt ihr festlich begehen das Fest des Herrn sieben Tage, (Übersetzung Rabbiner Bernfeld)
[13] Leviticus 23:41; Und begeht es festlich als Fest des Herrn sieben Tage im Jahre, eine ewige Satzung für künftige Geschlechter, im siebenten Monat sollt ihr es festlich begehen. (Übersetzung Rabbiner Bernfeld)
[14] die Freude in seiner Residenz ist
[15] Leviticus 23:42; In Hütten sollt ihr wohnen sieben Tage; (Übersetzung Rabbiner Bernfeld)
[16] Psalm 16:11; … der Freuden Fülle ist vor deinem Antlitz, Wonne in deiner Rechten immerdar. (Übersetzung S. Bernfeld, 1902)
[17] Pirke Avot 4:17; … Wertvoller ist eine Stunde in Busse und guten Werken in dieser Welt, als das ganze Leben der künftigen Welt;
[18] Genesis 11:4; so wollen wir uns einen Namen machen (Übersetzung Rabbiner Hirsch; s. auch sein dazugehöriger Kommentar zum Turmbau zu Babel)
[19] „Dem Fremden den Tisch bereiten“
[20] „den Menschen aus der Welt zieht“
[21] Jesajah 45:18
[22] Genesis 1:28
[23] Psalm 29:11; Der Herr verleiht seinem Volke Macht, der Herr segnet sein Volk mit Frieden.
[24] zwei und ein halb
[25] Sukkah 6b; Zwei (Wände) vorschriftsmäßig, und für die dritte reicht eine Handbreite (Übersetzung L. Goldschmidt
[26] Kopf, Körper und Tisch
[27] Sukkah 4a; stinkende Wohnung
[28] leidend
[29] mit dem Erdboden befestigt
[30] mit einer für die Unreinheit empfänglichen Sache
[31] aus der Erde hervorgewachsen
[32] gepflückt
[33] Üppigkeit, Reichhaltigkeit, Überfluss, Pracht
[34] Deuteronomium 8:3; nicht durch das Brot allein lebt der Mensch, sondern durch alles, was aus dem Munde Gottes kommt, der Mensch lebt.
[35] Levitikus 23:43
[36] Psalm 81:17