Dieser Artikel stammt von Rabbiner Dr. Raphael Breuer, einem Enkel von Rabbiner Hirsch. Er wurde in der Zeitschrift „Nachalat Z´wi“, 3. Jahrgang, Heft 3, im Dezember 1932 veröffentlicht. Rabbiner Breuer betrachtet hier den Unterschied zwischen den Schabbatlichtern und den Chanukkalichtern. Das Original ist in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main unter https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/2552472?query=chanukka zu finden. Der Text wurde mit Erklärungen versehen von Michael Bleiberg.

Von Rabb. Dr. Raphael Breuer זצ“ל

Unter den sieben rabbinischen Geboten: [1]לְבָרֵךְ עַל כָּל מָה שֶׁנֶּהֱנָה חוּץ מבִּרְכַּת הַמָּזוֹן שֶׁהִיא מִדֵּאוֹרְייתָא, לִיטוׄל אֶת הַיָּדַיִם, לְהַדְלִיק נֵר שֶל שַׁבָּת, לַעֲשׂוֹת עֵרוּב, לִקְרֹא אֶת הַהַלֵּל, לְהַדְלִיק נֵר חֲנֻכָּה, לִקְרֹא אֶת הַמְּגִלָּה, unter diesen [2] ז‘ מִצְוֹת דְּרַבָּנַן sind am beliebtesten die Schabbat- und Chanukkalichter. Selbst in solchen jüdischen Kreisen, die vom Händewaschen, Eruw usw. nichts wissen wollen, ist eine innige Sympathie mit den Schabbat- und Chanukkalichter vielfach anzutreffen. Und zwar beruht diese Sympathie nicht bloß auf der Analogie mit anderen Kulten, wo ja die Kerze und das Licht scheinbar eine ähnliche Rolle spielt wie hier, sondern es spielt hier auch das ästhetische Moment der poetischen Stimmung mit hinein, die das Licht verbreitet, ein ästhetischer Zauber, dem sich kein Mensch entziehen kann. Schon im Säuglingsalter, wenn das kleine instinktbeherrschte Kind die Händchen ausstreckt, um das Licht zu ergreifen, wird er Mensch durch den Zauber des Lichts fasziniert. —

Jedoch von all diesen subjektiven Zutaten, mit welchen sich moderne Juden diese beiden [3]מִצְווֹת schmackhaft zu machen pflegen, wissen unsere [4]חֲכָמִים nichts, wie schon eine kurze vergleichende Betrachtung zeigt. Denn nur äußerlich scheinen Schabbat- und Chanukkalichter dasselbe zu bezwecken, nämlich Ausströmung festlicher Weihe. In Wirklichkeit ist der Zweck des Schabbatlichts dem des Chanukkalichts gerade entgegengesetzt.

Der Zweck des Schabbatlichts ist wie der jedes anderen Lichtes, Helligkeit zu verbreiten: [5]נֵר שַׁבָּת הוּא מִשּׁוּם שְׁלוֹם בַּיִת שֶׁלֹּא יִכָּשֵׁל בְּעֵץ וְאֶבֶן, wie sich unsere Weisen mit fest gesuchter Nüchternheit ausgedrückt haben. Schaffung eines behaglichen Wohnraumes ist am Freitagabend eine, מִצְווֹת, wie das Essen und Trinken eine מִצְוֹות ist. Ja, im Falle der Zwangslage kann [6] נֵר שֶׁל שַׁבָּת noch höher stehen als קִדּוּשׁ[7], wie aus או״ח סי‘ רס״ג hervorgeht. Aus dieser hohen Bewertung des Schabbatlichtes geht aber lediglich hervor, welch hohen Wert die Weisen aufעֹנֶג שַׁבָּת [8]  gelegt haben, nicht aber, dass darin die eigentliche Schabbatfeier sich erschöpfen dürfte. Schon unsere Weisen haben vor einer falschen Einschätzung des Schabbatlichtes gewarnt, wenn sie zu den Worten [9]וַֽיְעַנְּךָ֮ וַיַּרְעִבֶךָ֒ וַיַּֽאֲכִֽלְךָ֤ אֶת הַמָּן֙ bemerken:   מִכָּאן שֶׁהַנָּשִׁים מדּלְיקוֹת נֵר שֶׁל שַׁבָּת [10]— Das Manna-Erlebnis war eine Vorschule für den שַׁבָּת und zwar des שַׁבָּת in seiner traditionell – jüdischen Eigenart: Brechung der überspannten [11] דַּאֲגַת פַּרְנָסָה, der Begriff des [12] אִסּוּר מְלָאכָה, Verbot des Kochens und Backens, Verbot des Tragens. Es sind also bei dem Manna-Erlebnis gerade diejenigen Momente hervorgetreten, die den Schabbat zur jüdischen Bekenntnistat gestalten, die aber durch die großen Unbequemlichkeiten, die das Verbot des Kochens und Tragens im Gefolge hat, den עֹנֶג שַׁבָּת nicht zu fördern sondern im Gegenteil zu untergraben geeignet sind. Der שַׁבָּת ist aber auch ein Tag der inneren Sammlung, der Ruhe, der festlichen Weihe, deren Symbol die Schabbatlichter sind. Hier ist nun der verhängnisvolle Irrtum möglich, dass man auf Kosten der beim Manna–Erlebnis hervortretenden Schabbat-Momente den Hauptnachdruck auf die Schabbatlichter legt. Dagegen wenden sich die Weisen, wenn sie sagen:  מִכָּאן שֶׁהַנָּשִׁים וכו‘, die Schabbatlichter haben nur dann einen Zweck, wenn sie den שַׁבָּת verherrlichen wollen, den die historische Urkunde des Schabbats, die Geschichte des Manna-Erlebnisses, lehrt.

Steht das Schabbatlicht im Dienste des [13] שְׁלוֹם בַּיִת, dann ist es klar, dass diese Pflicht in erster Linie den Frauen als den Trägern des häuslichen Lebens obliegt. Anders ist es beim Chanukkalicht. Hier liegt die Pflicht in erster Linie dem Mann als dem Träger der geistigen Überlieferung ob. Der Zweck dieses Lichtes ist nicht שְׁלוֹם בַּיִת, nicht Behaglichkeit wollen diese Lichter ausströmen sondern zur Nachdenklichkeit anregen: וְאֵין לָנוּ רְשׁוּת לְהִשְׁתַּמֵּשׁ בָּהֶם, אֶלָּא לִרְאוֹתָם בִּלְבָד, כְּדֵי לְהוֹדוֹת וּלְהַלֵּל לְשִׁמְךָ הַגָּדוֹל עַל נִסֶּיךָ וְעַל נִפְלְאוֹתֶיךָ וְעַל יְשׁוּעָתֶךָ……[14]

Auf Grund dieses Unterschiedes wird auch die folgende Talmudstelle klar (Schabbat 23a):

 מַאי מְבָרֵךְ? מְבָרֵךְ אֲשֶׁר קִדְּשָׁנוּ וכו‘ וְהיּכן צִוָּנוּ? רַב אׅוְיָא אָמַר מִלֹּא תָּסוּר. רַב נְחֶמְיָה אָמַר שְׁאַל אָבִיךָ וְיַגֵּדְךָ זְקֵנֶיךָ וְיֹאמְרוּ לָךְ  [15]

Beim Schabbatlicht ist mit dem Anzünden der Zweck erfüllt. Da genügt Gehorsam den Weisen gegenüber: לֹא תָּסוּר, die Hauptsache ist, dass das Licht gut brennt und Helligkeit verbreitet. Beim Chanukkalicht ist wohl auch [16] הַדְלָקָה עוֹשֶׂה מִצְוָה, insofern als [17] כבתָּהּ אֵין זָקוּק לָהּ, aber der Zweck der מִצְוָה ist mit dem Anzünden noch nicht erfüllt, solange uns die Lichter nicht dazu entflammt haben, was ja der Zweck des Chanukkalichtes ist:  לְהוֹדוֹת וּלְהַלֵּל וכו‘, darum fügt hier ר‘ נְחֶמְיָה hinzu: שְׁאַל אָבִיךָ וכו׳ Frage deinen Vater, dass er dir erzähle….

Die Chanukkalichter sollen uns zur Nachdenklichkeit anregen. Ja, worüber sollen wir aber nachdenken? Was soll der Inhalt unserer Chanukka – Gedanken sein? Wir sollen an die נִסִּים denken, die Gott an unseren Vätern vollbracht hat. Damals wie heuteבַּיָּמִים הָהֵם בַּזְּמַן הַזֶּה[18] . Was waren denn das für נִסִּים? Ein Wunder waren vor allem die Menschen jener Tage. Die Hasmonäer sind uns fern und nah zugleich. Ganz ergründen können wir sie freilich nicht, denn Jahrtausende liegen zwischen uns und ihnen. Die Geschichte hat uns aber die Umrisse ihres Wesens deutlich genug erhalten, um sie vor dem ewigen Versinken in das Reich des Schattens zu bewahren. Wenn wir darum die Frage aufwerfen, was denn das für Menschen waren, diese Hasmonäer, die da alljährlich am Chanukka aus ihrer Gruft in das Licht des Tages emporsteigen, so brauchen wir nur die Geschichte zu befragen, und sie wird uns eine deutliche Antwort geben.

 Das hervorragendste Merkmal dieser Menschen war ihre Begeisterungsfähigkeit. Ihr Leben war beherrscht von einer Idee, der sie sich hingaben mit der ganzen Fülle ihrer Kraft, mit der ganzen Leidenschaft ihres Wesens, mit dem ganzen Feuer ihrer Seele. Diese Idee war die Idee aller Ideen, war Gott und Gottes Gesetz. Dieses jüdische [19] מְסִירוּת הַנֶּפֶשׁ ist ja auch in unseren Tagen nicht ausgestorben. Es ist nur auf Abwege geraten. In all diesen jüdischen Menschen, die gerade in unseren Tagen für politische Ideale [20] מׄוסָר נָפֶשׁ sind, lebt und glüht etwas von dem Feuer der Hasmonäer, und doch ist es in der Hauptsache fremdes Feuer, das sie verzehrt, denn nicht nur [21] יֹפִי אַדְמָתֵנוּ לְזָרִים sondern auch [22] כֹּחֵנוּ לְנָכְרִים

Dass in einer Zeit allgemeiner Entartung sich Menschen vorfanden, die bereit waren, für Gott und Gottes Gesetz מׄוסָר נָפֶשׁ zu sein, ist ebenso ein Wunder, wie das Vorhandensein eines vom Feind unberührten Krügleins Öl ein Wunder war. — Man pflegt, wenn man vom [23] נֵס חֲנוּכָה spricht, immer nur ganz einseitig an das Ausreichen des vorgefundenen Öls für die Dauer von acht Tagen zu denken, und es ergibt sich dann daraus die bekannte Frage des ב“י, warum wir acht Tage Chanukka feiern, und die Antwort des ט״ז zur Stelle. Am einfachsten lässt sich aber diese Frage meines bescheidenen Erach- tens lösen auf Grund der eigenartigen Stellung, welche die Chanukka – Geschichte in Schabbat 21b einnimmt. Mitten in die Chanukka – Vorschriften hinein ist sie geschoben. Dann heißt es weiter:

 תְּנַן הָתָם: גֵּץ הַיּוֹצֵא מִתַּחַת הַפַּטִּישׁ וְיָצָא וְהִזִּיק — חַיָּיב. גָּמָל שֶׁטָּעוּן פִּשְׁתָּן וְהוּא עוֹבֵר בִּרְשׁוּת הָרַבִּים וְנִכְנְסָה פִּשְׁתָּנוֹ לְתוֹךְ הַחֲנוּת וְדָלְקָה בְּנֵרוֹ שֶׁל חֶנְוָנִי וְהִדְלִיק אֶת הַבִּירָה — בַּעַל הַגָּמָל חַיָּיב. הִנִּיחַ חֶנְוָנִי אֶת נֵרוֹ מִבְּחוּץ — חֶנְוָנִי חַיָּיב. רַבִּי יְהוּדָה אוֹמֵר: בְּנֵר חֲנוּכָּה — פָּטוּר [24]

Nun ist es ja ohne weiteres klar, dass die מִשְׁנָה in ב״ק hier nur mit Rücksicht auf den Schlusssatz, der vom [25]  נֵר חֲנוּכָהspricht, zitiert wird, und doch bedarf es der Erklärung, worin der Zusammenhang der Chanukka – Geschichte mit dieser so ausführlich zitierten Mischna besteht. Denn ganz unvermittelt, nachdem die גְּמָרָא diese Geschichte erzählt hat, die in den Worten ausklingt: וְהִדְלִיקוּ מִמֶּנּוּ שְׁמוֹנָה יָמִים. לְשָׁנָה אַחֶרֶת קְבָעוּם וַעֲשָׂאוּם יָמִים טוֹבִים בְּהַלֵּל וְהוֹדָאָה[26] heißt es weiter תְּנַן הָתָם וכו‘….[27] Diesem Zusammenhang dürfte folgender Gedanke zugrunde liegen. Ebenso wie das Andauern des Öls auf acht Tage ein Wunder ist, so ist ja auch das Vorfinden eines vom Feinde unberührten Krügleins Öl ein Wunder. Zufall? Dann ist auch der Schaden, den ein גֵּץ הַיּוֹצֵא מִתַּחַת הַפַּטִּישׁ oder ein גָּמָל שֶׁטָּעוּן פִּשְׁתָּן anrichtet, ein Zufall! Ebenso aber wie wir doch hinter dem scheinbar Zufälligen einen verantwortlichen Willen suchen, den wir für einen angerichteten Schaden haftbar machen, so sind wir auch verpflichtet, hinter dem scheinbar zufälligen Vorfinden eines Öl-Krügleins im Heiligtum den verantwortlichen Willen eines Höheren oder mit anderen Worten ein Wunder zu erblicken. Daher ist auch das Ereignis des ersten Chanukkatages ein Wunder — und mit Recht feiern wir acht Tage Chanukka.

Ein ebensolches Wunder wie das Vorhandensein eines unberührten Ölkrügleins war aber auch das Vorhandensein einer vom Geiste der [28] טֻמְאָה unberührten Familie: der Familie der Hasmonäer. Vielleicht lässt sich aber dieses Wunder aus einem Umstand erklären, der mir keineswegs so nebensächlich und belanglos erscheint, wie man wohl glauben könnte. Es ist sehr merkwürdig, dass jener siegreiche Widerstand, von dem uns die Chanukka – Geschichte erzählt, nicht von der Hauptstadt Jerusalem sondern von Modi´in, einem Dorfe bei Jerusalem, ausging. Wer weiß, welchen Verlauf die Chanukka – Geschichte vielleicht genommen hätte, wenn Mathisjahu ein Großstädter gewesen wäre! Wenn auch er in Jerusalem, der Metropole der jüdischen Intelligenz und des jüdischen Abfalls, gelebt hätte — wer weiß, ob nicht auch dieser stahlharte Charakter infolge ständiger Berührung mit den sittenlosen, genusssüchtigen Griechen und Griechlingen Jerusalems schließlich doch Wohlgefallen gefunden hätte am heidnischen Wesen und wie so viele seiner Zeitgenossen sich dem Judentum allmählich entfremdet hätte; und wenn es ihm schon gelungen wäre, sich selbst auf der Höhe des jüdischen Berufes zu erhalten, wer weiß, ob er es auch fertig gebracht hätte, seine fünf Söhne in seinem Geiste zu erziehen! Vielleicht war aber das Feuer seiner Seele mächtig genug, um auch inmitten der טֻמְאָה ihre Reinheit zu bewahren, ja vielleicht ist dieser Gegensatz zwischen Stadt und Land in der uns gewohnten krassen Form erst ein Erzeugnis unserer Tage, wo so viele die Vorstellung haben, dass Ländlichkeit und Frömmigkeit identische Begriffe seien, die da glauben: fromm sein bedeutet ländlich sein, die fest überzeugt sind, dass Gott, als er seine Thora offenbarte, nur an die Landjuden gedacht hat und darum im selben Augenblick, wo sie das Pflaster der Großstadt betreten, תּוֹרָה und מִצְווֹת beiseite schleudern. — Vielleicht, nein, sicherlich waren schon Mathisjahu und seine Söhne von dem Geiste jenes Wortes erfüllt, das die [29] דְּרַבָּנַן דְּיַבְנֶה im Munde führten (Berachoth 17a):

מַרְגְּלָא בְּפוּמַּיְיהוּ דְּרַבָּנַן דְּיַבְנֶה[30]: ״אֲנִי בְּרִיָּה, וַחֲבֵרִי בְּרִיָּה. אֲנִי מְלַאכְתִּי בָּעִיר וְהוּא מְלַאכְתּוֹ בַּשָּׂדֶה. אֲנִי מַשְׁכִּים לִמְלַאכְתִּי, וְהוּא מַשְׁכִּים לִמְלַאכְתּוֹ. כְּשֵׁם שֶׁהוּא אֵינוֹ מִתְגַּדֵּר בִּמְלַאכְתִּי, כָּךְ אֲנִי אֵינִי מִתְגַּדֵּר בִּמְלַאכְתּוֹ. וְשֶׁמָּא תֹּאמַר: אֲנִי מַרְבֶּה, וְהוּא מַמְעִיט — שָׁנִינוּ: אֶחָד הַמַּרְבֶּה וְאֶחָד הַמַּמְעִיט וּבִלְבַד שֶׁיְּכַוֵּין לִבּוֹ לַשָּׁמַיִם״.

„Ich bin ein Mensch, und der andere ist ein Mensch. Ich arbeite in der Stadt, jener arbeitet auf dem Lande. Ich bin fleißig bei meiner Arbeit, er ist fleißig bei seiner Arbeit. Ebenso wie er keine Sehnsucht hat nach meiner Arbeit, ebenso wenig habe ich Sehnsucht nach seiner Arbeit. Nun könntest du aber sagen: ich leiste mehr, und er leistet weniger. Darauf gibt es eine Antwort: einerlei, ob jemand viel oder wenig leistet, die Hauptsache ist, in welcher Gesinnung er es leistet; ob er es versteht, sein Herz mit ewigen göttlichen Gedanken zu erfüllen.“

 Nicht auf den äußeren Glanz, auf den inneren Wert unseres Tuns kommt es an. War ja die Menora der Hasmonäer nicht aus Gold sondern aus Holz, wie die גְּמָרָא in כ״ד:) ר“ה) sagt, und Raschi bemerkt dazu:

כְּשֶׁגָּבְרָה יָדָם עַל הַיּוונִים וְהוֹצִיאוּם מִיְּרוּשָׁלַיִם וְטִהֲרוּ אֶת הַמִּקְדָּשׁ וְהָיוּ עֲנִיִּים וְלֹא יָכְלוּ לַעֲשׂוֹתָהּ שֶׁל זָהָב

„Die Hasmonäer waren arm. Aus einem Ersatzstoffe, aus Holz mussten sie ihre Menora herstellen.“

Auch an ihnen bewährte sich die alte Wahrheit: יָאֶה עַנְיוּתָא לְיִשְׂרָאֵל, dass der beste Nährboden der jüdischen Thoratreue noch immer die Armut war. Und wenn wir heute diesen ernsten Gedanken beim Scheine unserer Menora weiterdenken und über die Jahrtausende hinweg, die seit den Tagen der Hasmonäer vergangen sind, einen Blick auf unsere Tage werfen, scheint da die unendliche Verarmung, die auch über unsere Zeit hereingebrochen ist nicht ein Gottesfinger zu sein, der uns auf das Beispiel der Hasmonäer hinweist וְהָיוּ עֲנִיִּים וְלֹא יָכְלוּ לַעֲשׂוֹתָהּ שֶׁל זָהָב die zu arm waren, um sich eine Menora aus Gold zu verfertigen, die aber in ihrer Armut und trotz ihrer Armut als ewig vorbildliche Kämpfer für Gott und Gottes Gesetz durch alle Zeiten leuchten?

Eines drängt sich in diesen trüben Zeiten von selber auf, wenn wir an diesem Chanukka an die Holz – Menora der Hasmonäer denken: nämlich der furchtbare Gegensatz, der sich heute auch in jüdischen Kreisen zwischen reich und arm aufgetan hat. Wer wird gerade in unserer Zeit den ersten Satz unserer Chanukka – Vorschriften ohne Ergriffenheit lesen können: צָרִיךְ לִזָּהֵר מְאוֹד בְּהַדְלָקַת נֵרוֹת חֲנֻכָּה וַאֲפִלּוּ עָנִי הַמִּתְפַּרְנֵס מִן הַצְּדָקָה שׁוֹאֵל אוֹ מוֹכֵר כְּסוּתוֹ וְלוֹקֵחַ שֶׁמֶן לְהַדְלִיק: „Man muss das Anzünden der Chanukka – Lichter sehr ernst nehmen. Selbst ein armer Mann, der von Wohltätigkeit lebt, muss betteln gehen oder sein Kleid verkaufen, um sich Öl fürs Anzünden zu verschaffen.“ Mit dieser Forderung werden sich höchstwahrscheinlich nicht alle Zeitgenossen einverstanden erklären. Es wird viele geben, die sagen werden, dass in einer Zeit, wie es die unsrige ist, die den Ruf der Sparsamkeit, der Einschränkung der Lebensbedürfnisse auf das Allernotwendigste mit größter Eindringlichkeit erhebt, auch die Religion es sich gefallen lassen müsse, auf das Allernotwendigste eingeschränkt zu werden. Gewiss ist Sparsamkeit eine sehr schöne und wichtige Sache, aber man sollte nie vergessen, dass der Mensch nur durch eine Kräftigung seines religiös – sittlichen Bewusstseins zur Sparsamkeit erzogen werden kann. Der Staat allein kann hier ohne Religion nichts fertigbringen. Er gibt sich zwar alle Mühe, auf die Volksgenossen nach dieser Richtung hineinzuwirken; so steht in der deutschen Reichsverfassung der Satz: „Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das gemeine Beste“ — Wird und kann es ihm aber jemals gelingen, seine Forderung durchzusetzen? Kann der Staat aus eigener Kraft und Machtvollkommenheit seine Bürger jemals zur Sparsamkeit erziehen? Kann er es verhindern, hat er es bisher und wird er es in Zukunft verhindern können, dass in einer Zeit, in der es z.B. an Baustoffen zur Gründung von Wohnstätten mangelt, die zur Unterbringung von Tausenden von Obdachlosen erforderlich sind, die schönsten Luxusgebäude von Menschen bewohnt werden, die nicht wissen, nicht fühlen, nicht ahnen, was Armut heißt? Allein der Staat ist nicht nur machtlos gegenüber der Verschwendungssucht der Menschen, sondern er interessiert sich von vornherein für die Sparsamkeit überhaupt nur dort, wo sie im staatlichen Interesse liegt, wo sie volkswirtschaftlich wertvoll ist. Dagegen steht er der Sparsamkeit im privat-wirtschaftlichen Sinne sehr gleichgültig gegenüber. Nur die Religion kann die Menschen zur Sparsamkeit auch im privat-wirtschaftlichen Sinne erziehen. Wie jede moralische Forderung kann auch die Forderung der Sparsamkeit nur dann auf Erfüllung hoffen, wenn sie getragen und unterstützt wird durch die Majestät des Gotteswortes, das unser Gewissen schärft und an unsere Seelen appelliert, indem es mit heiligem Pathos uns zuruft: לֹא תַּשְׁחִית Vernichte nichts, vergeude nichts, verschwende nichts!

Und kannst du nicht anders, ist dir die Verschwendung so zur zweiten Natur geworden, dass alles Einfache und Bescheidene dir unleidlich ist, dass auch die Holz – Menora der Hasmonäer dein stilles Lächeln erregt, dann zeige deine Verschwendungssucht wenigstens nicht nach außen hin, denn nichts macht solches [31] רִשְׁעוּת als das, was unsere Feinde jüdisches Protzentum nennen….

וַיַּ֣רְא יַעֲקֹ֔ב כִּ֥י יֶשׁ־שֶׁ֖בֶר בְּמִצְרָ֑יִם: „וַיֹּאמֶר יַעֲקֹב לְבָנָיו: לָמָּה תִּתְרָאוּ“. (בראשית מ״ב:א׳) אָמַר לָהֶם יַעֲקֹב לְבָנָיו: אַל תַּרְאוּ עַצְמְכֶם כְּשֶׁאַתֶּם שְׂבֵעִים, לֹא בִּפְנֵי עֵשָׂו וְלֹא בִּפְנֵי יִשְׁמָעֵאל, כְּדֵי שֶׁלֹּא יִתְקַנְּאוּ בָּכֶם.….. שָׁכַח וְאָכַל וְשָׁתָה — אַל יִתְרָאֶה בִּפְנֵי הַצִּבּוּר; רש“י : שֶׁנִּרְאֶה כְּחָתָן בֵּין אֲבֵלִים וְיִתְקַנְּאוּ בּוֹ: ( תענית י. )

Abkehr von jeder Neigung zum Protzentum vornehme Zurückhaltung, stille Bescheidenheit und würdevolle Größe dürfte das Wichtigste sein, was wir in unseren Tagen von יַעֲקֹב אָבִינוּ, aber auch von den Hasmonäern lernen können, die so arm bei all ihrer Größe und so groß in all ihrer Armut waren. Aber nicht nur können wir, das jüdische Volk, gerade in unseren Tagen so manches von den Hasmonäern lernen, auch die [32] אוּמוֹת הָעוֹלָם unserer Zeit könnten manches von uns, dem jüdischen Volke, lernen, wenn sie sich die Mühe nähmen, einmal genau hinzuschauen, wie wir unser Chanukka zu feiern pflegen. Wir entzünden unsere Lichter, wir singen unsere Gesänge, wir beten unsere Gebete, doch die politisch – militärische Vorgeschichte des Festes wird bei seiner liturgischen Feier fast gar nicht erwähnt. Juda Makkabi kommt nur einmal im  יוֹצֵרfür שַׁבַּת חֲנֻכָּה vor, die [33] מְגִלַּת יֹוונִית wird nicht öffentlich verlesen. Das hat seinen tiefen Grund in der Skepsis, mit der unsere Weisen über die politischen Siege der Makkabäer dachten. Wie der [34] מַלְאַךְ מִיכָאֵל beim nächtlichen Ringkampfe Jakobs mit [35] שָׂרוֹ שֶׁל עֵשָׂו Jakob den Sieg zu entreißen suchte, und als ihn Gott zur Rede stellte לָמָּה עָשִׂיתָ כָּךְ לִבְנִי לִבְכוֹרִי[36], er sich mit den Worten rechtfertigte [37] לִכְבוֹדְךָ עָשִׂיתִי, so lehrt ja ein Überblick über die Geschichte der späteren Makkabäer, dass der politische Sieg der Hasmonäer im jüdischen Volke letzten Endes als ein Verhängnis sich erwies. Denn dieselbe Makkabäerfamilie, die auf der Höhe ihres Berufes war, solange sie im Kampf für die Thora sich befand, sie hat diese Thora, nachdem sie ihre politische Macht befestigt hatte, durch ihren Anschluss an die Sadduzäer und Rom verraten. Was Wunder, wenn die Weisen über die politisch – militärische Seite des Makkabäerfestes den Schleier des Vergessens gebreitet haben. — Hier ist der Punkt, wo die אוּמוֹת הָעוֹלָם unserer Zeit gar manches von uns und von unseren Weisen lernen könnten. Solange den אוּמוֹת הָעוֹלָם unserer Zeit die politisch – militärische Konstellation der Staaten das einzig Entscheidende ist im Leben der Völker, solange wird es keinen Frieden geben auf Erden. Dieser Friede wird erst kommen, wenn die Welt gelernt haben wird, mit unseren Augen in die Vergangenheit zu schauen. Wir fühlen uns am Chanukka Gott zu Danke verpflichtet, dass er uns damals בַּיָּמִים הָהֵם וכו‘ den Sieg verliehen hat. Zwar wissen wir ganz genau, dass dieser Sieg kein dauernder gewesen ist, dass acht Tage nach Chanukka der Fasttag des 10. Teweth[38] ist. Doch was bekümmert uns das! Das ewig Wertvolle der Makkabäerzeit ist uns erhalten geblieben. Denn לֹ֤א בְחַ֙יִל֙ וְלֹ֣א בְכֹ֔חַ כִּ֣י אִם־בְּרוּחִ֔י וכו‘[39]. In diesem רוּחַ, diesem Gottesgeiste, der über allen Ereignissen der Geschichte schwebt, liegt auch in unseren Tagen das Heil der Welt beschlossen.


[1] Die 7 Rabbinischen Gebote über die man einen Segenspruch zu sprechen hat sind: Segenspruch über das Händewaschen, über das Anzünden der Schabbatlichter, einen Eruv herzustellen, das Hallel-Gebet zu sprechen, die Chanuckakerzen zu zünden, aus der Megillat-Ester vorzulesen; das Tischgebet zu sprechen gehört nicht dazu, da es bereits von der Thora angeordnet ist.

[2] Sieben rabbinische Gebote

[3] Gebote

[4] Weisen

[5] Chayei Adam, Schabbat und Feiertage 5:10: „Das Schabbatlicht steht für den „Hausfrieden“, der nicht an „Holz und Eisen“ scheitern wird.“

[6] Das Schabbatlicht

[7] Der Segen über den Wein

[8] Das Wohlfühlen am Schabbat

[9] Deuteronomium 8:3; „Er ließ dich darben, ließ dich hungern, und speiste dich dann mit dem Manna,“ (Übersetzung Rabbiner S. R. Hirsch)

[10] Daher zünden die Frauen eine Schabbatkerze an

[11] Sorge um den Lebensunterhalt

[12] Werkverbot

[13] Des Hausfriedens

[14] .. und wir haben keine Befugnis, uns ihrer zu bedienen, sondern nur sie zu sehen, um Deinem Namen für Deine Wunder und Deine Hilfe und Deine außerordentlichen Waltungen zu danken.

[15] Wie lautet der Segensspruch? – ‘Daß er uns durch seine Gebote geheiligt, und uns befohlen hat, das Ḥanukalicht anzuzünden.’ – Wo hat er uns dies befohlen? – R. Ivja erwiderte: Dies geht hervor aus [dem Verbote:] du sollst nicht abweichen. R. Neḥemja erwiderte: Aus [dem Verse:] frage deinen Vater, daß er es dir sage, deine Greise, daß sie es dir erzählen.  (Übersetzung L. Goldschmindt)

[16] Das Anzünden erfüllt das Gebot

[17] Frauen sind nicht dazu verpflichtet

[18] Damals wie heute

[19] Hingabe der Seele

[20] Moral

[21] Unser wunderbares Land gehört den Fremden

[22] Unser Reichtum ebenfalls

[23] Chanukkawunder

[24] Dort haben wir gelernt, wenn ein Funke unter dem Hammer hervorspringt und Schaden anrichtet, so ist er ersatzpflichtig. Wenn ein mit Flachs beladenes Kamel über das öffentliche Gebiet geht und der Flachs in einen Kaufladen hineinragt und sich an der Lampe des Ladenbesitzers anzündet und die ganze Halle verbrennt, so ist der Besitzer des Kamels ersatzpflichtig. Hatte aber der Ladenbesitzer seine Lampe draußen hingestellt, so ist der Ladenbesitzer ersatzpflichtig; R. Jehuda sagt, war es eine Ḥanukalampe, so sei er ersatzfrei.

[25] Chanukkalicht

[26] Aber es geschah ein Wunder, und man brannte davon acht Tage. Im folgenden Jahre bestimmte man, diese Tage mit Lob- und Dankliedern als Festtage zu feiern.

[27] Dort haben wir gelernt,…..

[28] Unreinheit

[29] Rabbiner von Javne

[30] Ein Wahlspruch war es im Munde der Rabbanan aus Jabne: (dann folgt die Übersetzung oben)

[31] Bosheit

[32] Völker der Welt

[33] מדרשים על חנוכה, מגלת אנטיוכס הנקראת מגלה יונית

[34] Erzengel Michael

[35] Schutzengel von Eßav

[36] Warum hast du das meinem erstgeborenen Sohn getan?

[37] Zu Deiner Ehre habe ich es getan

[38] Fastentag zum Gedenken des Niedergangs Jerusalems

[39] Zecharia 4:6; Nicht durch Stärke und nicht durch Macht, sondern durch meinen Geist…..

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