Der Herr verlässt die Seinen nicht.

Dieses Chanukkagedicht habe ich in der Zeitschrift „Jeschurun“, 10. Jhg., Heft 3, Dezember 1863 gefunden. Über den Autor, Herrn Abraham Levi, habe ich bislang leider nicht sehr viel in Erfahrung bringen können – außer, dass er gelegentlich Gedichte in der Zeitschrift „Jeschurun“ veröffentlichte, das er der Autor eines Buches „Rebecca oder das jüdische Weib in ihrem religiösen Berufe: eine Federzeichnung“ ist und dass er in Frankfurt am Main eine Persönlichkeit war.  Das Original dieses Gedichtes finden Sie in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main unter: https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2948423. Ich habe hier keine Änderungen vorgenommen und das Gedicht auch nicht mit Ergänzungen versehen.

Ein Chanukah-Lied von Abraham Levi.

Ein Hallelujah laßt uns singen
Dem mächtigen Herrn und Siegesheld,
Der sicher, wie auf Adlerschwingen,
Getragen uns durch Feindeswelt!

Die Welt, die voll der Gegensätze
Zu Seinem reinen heiligen Wort,
Und nie gekannt die Heilesschätze,
Die uns beschirmen fort und fort,

Die uns befreit von Sturmesmächten,
Versuchung und Tyrannenschwert,
Die uns erlöst aus Leidensnächten,
Verdrängt vom heimathlichen Heerd,

Wo fromm gewaltet unsere Ahnen,
Ergeben Gott bis in den Tod.
Wir hielten treu zu unsern Fahnen,
Und Rettung ward uns in der Noth!

Wie einst in jenen grausen Jahren,
Da Judenthum Verbrechen hieß,
Und Ehr und Macht die Preise waren
Für Den, der seinen Gott verließ;

Als wilde Syrerhorden drangen
Herein zur Hasmonderzeit,
Zum Abfall höhnend sie uns zwangen
Von Gott, der uns für Sich geweiht,

Entweihen unseres Tempels Hallen,
Zerstören, was uns hoch und hehr;
Wo Fromme sonst zum Herrn wallen,
Gebietet frech das Syrerheer.

Die Wahrheit schien in Nacht begraben,
Die Treue ohne Hoffnungsstrahl,
Der Muth verlor die reichen Gaben
In der Getreuen kleiner Zahl. —

Doch muß die Zahl den Sieg erfechten,
Der Mächtigen die Macht zerbricht?
Der Sieg muß werden den Gerechten:
Der Herr verläßt die Seinen nicht!

Aus altem, wurzeltiefem Stamme,
Gebeugt schon unter Alters Last,
Entstieg des Kampfs Begeisterungsflamme,
Die Gottgetreuer Herz erfaßt.

Wie Morgenroth die Höh’n umstrahlet,
Der Berge Scheitel nur berührt,
In Thälern nur die Schatten malet
Der Häupter, die sein Purpur ziert,

Begriffen Makbi´s Kriegstrompete
Zum Kampf für Gott und Vaterland,
Die jene Himmelsluft umweht,
Die Abrahm auf Moria fand,

Die todesmuthig Gottgeweihten
In Kampfgewühl und Leidensnacht,
Die Schmerz und Opfertod nicht scheuten,
Wenn Vollgenuß dem Abfall lacht.

Die Zahl der Streiter war geringe, —
Der Gottesstreiter sind nicht viel.
Daß Wahrheit stets den Sieg erringe
Genügt der Wahrheit hohes Ziel.

Den Wenigen war der Kampf gelungen,
Der Kampf für unser höchstes Gut,
Die Warheit hatt den Sieg errungen,
Gekrönt Jehudas Opfermuth.

Geweihet ward der Tempel wieder,
Dem Altar es an Nichts gebricht,
Und froh erschallen Dankeslieder,
Der Zion strahlt im Freudenlicht.

Erinnernd zünden wir nun Abend
Der acht Chanukah-Tage an
Die Weihelichter, die wie labend
Uns leuchten auf der dunklen Bahn.

Mit jedem Abend größere Helle,
Mit jeder Nacht erstarkt das Licht,
Daß reicher strömt des Glaubens Quelle,
Die sprudelnd ruft: „Verzaget nicht!“

Verzage nicht, du Schaar der Treuen!
Verzagt nicht, weil ihr Wenige seid,
Wenn siegsgewiß sich Jene freuen,
Die mächtiger sind und kampfbereit.

Verzage nicht, du Schaar der Treuen!
Wenn wahnerfüllt die Welt Euch schmäht,
Wenn dort vor langen, langen Reihen
Die Fahne der Verfolgung weht.

Verzage nicht, du Schaar der Treuen
Wenn wolkenschwer die Nacht auch dreht;
Die Schatten werden sich zerstreuen,
Den Tag verkündet Morgenroth.

O, zündet, zündet jeden Abend
Der acht Chanukah-Tage an
Die Weihelichte, die wir labend
Uns leuchten auf der dunklen Bahn.

 
Ob draußen Nacht und Wettergrauen,
Verfolgung nah und fern bedroht
Zu unserem Gotte laßt uns schauen:
Auf Nachtgewölk folgt Morgenroth.

  • Beitrags-Kategorie:Artikel