Pinchas[1] – Elijahu.

Den nachfolgenden Artikel habe ich in der Zeitschrift „Jeschurun“, 14. Jg., 2. Quartalheft, April-Juni, 1868 gefunden. Der Text wurde dem heutigen Sprachgebrauch leicht angepasst und mit Erklärungen versehen von Michael Bleiberg.

Das Original finden Sie in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main unter: https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/2951256?query=Pinchas


            Israel war in Schittim[2] — eben hatte der aramäische Seher[3] sich in die Heimat zurückbegeben — von Moabs König[4] gerufen dem Gottesvolk zu fluchen, hatte er seinen Mund nur in den Dienst des Segens gebannt gefunden, — er hatte es (das Gottesvolk) einzig und unsterblich gesehen und hatte sich gewünscht zu sterben wie Israel stirbt, — er hatte es gestählt gegen alle menschliche Kunst und siegreich über alle Menschenmacht gesehen, — er hatte das Glück und den Frieden, die Blüte und den Segen seiner Hütte gesehen, und wie in dieser Familienreinheit und diesem Familienglück die Wurzel des unvergleichlichen Völkerglücks und in diesen Hütten der Boden des alles überragenden Königthrones ruhe, — er hatte gesehen, wie aus dem Schoße dieses Volkes der Völker, der Bahn weisende Stern aufgeht und das Gewalten zertrümmernde, Nationen erobernde, Zepter. Allein er hatte auch gesehen, wie nur „solange man kein Unrecht sieht in Jakob, so lange man kein Unglück sieht in Israel, und nur solange sein Gott mit ihm ist, als dessen Huldigung in ihm lebt“, dass somit, wenn kein Schwert und kein Fluch von außen gegen dieses Volk etwas vermag, sein Glück doch nicht bedingungslos ist, sein Segen und sein Fluch in seinen eigenen Händen liegt, mit der Treue gegen seinen Gott und mit der Reinheit seines Wandels steht und fällt die Dauer seines Glückes — und so war er doch nicht vergebens von Moabs König gegen Israel berufen worden. Er hatte ihm das Geheimnis des jüdischen Glückes offenbart und damit ihm das Mittel zu dessen Erschütterung gewiesen. „Suche das Volk zu verführen und du hast es besiegt,“ das war das Ergebnis der aramäischen Prophetie für Moabs Grauen vor dem „Gottesvolk, und als ewiges „Memento[5]“ für Israels Folgegeschlechter steht der gelungene Versuch, den Moab von dieser Maxime durch seine Töchter an Israels Söhnen in Schittim gemacht. Mit einem das im Menschen schlummernde Tier zur Gottheit erhebenden Kult umstrickten moabitische Reize die jüdische Mannestugend, den בַּעַל פְּעוֹר, dem „Herrgott der Schamlosigkeit“ war Israel verfallen — und Gottes Zorn wider Israel wach. Die Häupter des Volkes wurden versammelt, um an den Verbrechen Gericht zu üben, da führte vor Moses‘ Augen, vor Augen des Volkes und der Versammlung einer der Volkshäupter, ein Stammesfürst selbst, seine fremde Buhle höhnend herbei — da sank der zum Volksgericht gehobene Arm, und an der Pforte des Gesetzesheiligtums, in welchem die Bestimmung des Volkes ruht, und einem solchen Übermaß der Entartung gegenüber, in welchem die Zukunft des Volkes begraben lag, hatte ein Moses, hatten die versammelten Häupter des Volkes, nur die Ohnmacht der Tränen. —

Das sah Pinchas, der Jüngsten einer, sah in den Tränen der Ohnmacht die Verzweiflung an seines Volkes Zukunft, stand, er, der einzige, aus der Mitte der Gemeinde auf, ergriff den Speer, eilte dem jüdischen Mann nach und dem Weib, schlug sie beide nieder, und hielt damit dem Sterben ein, das bereits im Volk begonnen. Vierundzwanzig Tausend waren bereits vom Volke gestorben.

Gott aber sprach zu Moses: „Pinchas, der Sohn Elasars, der Sohn Aharons des Priesters, hat meinen Zorn von Israel abgewendet, indem er für meine Sache in ihrer Mitte geeifert, so dass ich Israels Söhne nicht zur Rettung meiner Sache zu verderben hatte.“ Er (Pinchas) hatte gezeigt, dass Gottes Sache, die Sache seines Gesetzes auf Erden, und sei es auch nur in eines Menschen Brust, ihre Vertretung gefunden, und so lange auch nur ein Mann noch den Mut hat, für Gottes Sache, die eben nichts anderes als die Sache der Menschheit-Zukunft ist, offen in den Kampf zu treten, so lange ist auf Erden die Gottessache noch nicht verloren, und bedarf es des rettenden Einschreitens des Gottesgerichtes von oben nicht mehr. Er hatte gezeigt, und für alle Zeiten hin das leuchtende Beispiel gegeben, dass da, wo [6] חִלּוּל הַשֵּׁם, wo die Heiligkeit Gottes und seines Gesetzes höhnend mit Füßen getreten werden soll, jede andere Rücksicht hintanzusetzen ist. Elasar, der Vater, Aharon, der Großvater, Moses sogar der Großoheim — Priester, Richter des Gesetzes schwiegen und weinten — Fürst[7] und Fürstentochter[8] waren der Verbrecher und seine Verführerin, denen es galt Einhalt zu gebieten — und er, der Sohn Elasars, der Enkel Aharons, ein nicht einmal in der Priesterweihe des Vaters mitgeadelter Jüngling stand auf, und vollbrachte die Gottestat, die nicht erst auf ihn hätte zu warten haben sollen —

 „לָכֵן אֱמֹר„darum sprich es aus,“ — nicht zu Pinchas, nicht für Pinchas — sprich es aus für alle Welt und alle Zeit —  „הִנְנִי נֹתֵן לוֹ אֶת בְּרִיתִי שָׁלוֹםsiehe ihm gebe ich meinen Bund „Friede“[9]

Wie der Gottesbund mit den Stammvätern [10] בְּרִית אַבְרָהָם, בְּרִית יִצְחָק, בְּרִית יַעֲקֹב, den Namen „Jakob“, „Jizchak“, „Abraham“ trägt, der sich in Verwirklichung des Lebensbildes „Jakob“, des Lebensbildes „Jizchak“, des Lebensbildes „Abraham“ vollzieht, also heißt בְּרִית שָׁלוֹם: der Gottesbund, der den Namen „Friede“ trägt, d. h. der בְּרִית, die absolute und unter allen Umständen, unabhängig von allen Verhältnissen und im Widerstreit mit ihnen sich vollziehende Gottesbestimmung, die sich in Gestaltung des „Friedens“, des wahren Friedens auf Erden verwirklicht.[11]

Nicht der Schwäche und der Konnivenz[12], nicht dem widerstandslosen Gehenlassen der Dinge, die nur das wagt, was nirgends anstößt, und nur dann für das Gute eintreten will, wenn es allgemeine Billigung findet, dann aber auch gar keines Vertreters bedarf, nicht den Bannerträgern des „Friedens, Friedens um jeden Preis“ hat Gott seinen Frieden verheißen, das Bündnis seiner Waltung verheißen, deren höchstes, letztes Ziel eben der „Friede“ ist im Himmel und auf Erden — dem Pinchaseifer hat Gott seinen Bund: „Friede“ gegeben, gerade ihm, über den alle Schreier des falschen Friedens wie über den Friedensbrecher den Stab brechen, ihm, der im Namen Gottes allem entgegentritt, was dem Gesetz Gottes, der einzigen Macht, vor der alle sich zu beugen haben, höhnend den Rücken kehrt, ihm, dem Pinchaseifer, der dem Gesetz Gottes die Alleinherrschaft über die Gewissen und Handlungen der Menschen erstreiten will, ihm hat Gott den Frieden zugesagt und für die Erreichung dieses Friedens seinen בְּרִית, die absolute Macht seiner Waltung eingesetzt; denn nur unter der Alleinherrschaft des Gesetzes wohnt der Friede, und wer dem Gesetz die Herrschaft erstreitet, ist ein Bringer und Mehrer des Friedens. לָכֵן אֱמֹר , darum sprich es aus, dass es in alle Welt und in alle Zeit hineinleuchte, הִנְנִי נֹתֵן לוֹ אֶת בְּרִיתִי שָׁלוֹם, und wenn einer, Pinchas gleich, der einzige unter Myriaden ist und eine ganze Welt wider sich hat, indem er das Wort für die Wahrheit, den Kampf für das Gesetz wagt, je mehr er nur der einzige ist, je größer die Zahl seiner Gegner ist, um so gewichtiger ist sein Wort, um so gewaltiger seine Tat, er ist ein Retter derer, die er bekämpft, ein Sühnepriester derer, die neben ihm schweigen, er vollbringt das, was sie alle gleich ihm hätten vollbringen sollen —und ist die ganze Welt gegen ihn, und steht er ganz allein in seiner Welt, Gottes Bund ist mit ihm und lässt sein Wort nicht verloren gehen und sein Wirken nicht spurlos verhallen. —

: [13]וְהָיְיתָה לּוֹ וּלְזַרְעוֹ אַחֲרָיו בְּרִית כְּהֻנַּת עוֹלָםewiges Priestertum wird dem Pinchas verheißen um treue Nachfolge in seinen Söhnen, weil er für seinen Gott geeifert und für alle die um ihn schwiegen, mit seiner lauten Tat sühnend eingetreten —“

Jahrhunderte waren vergangen, das Gottesvolk, das erst selbst von dem Gesetz zu erobern war, mit dem und für welches es einst eine Welt erobern sollte, war von Schittim aus eingewandert in das Land seiner Bestimmung. Schwankend, von der Treue zum Abfall und vom Abfall zur Treue, um wieder von der Treue zum Abfall hinzuschwanken, hatte es die Wahrheit des aramäischen Prophetenspruches erprobt, dass mit dem Unrecht das Unglück in Israel einkehre, und mit dem Gottesungehorsam der Gottesschutz für Israel schwinde, und hatte nichts gelernt aus dieser Lehre. Die Hingebung eines Samuel, die Begeisterung eines David, die Weisheit eines Salomo hatte nicht vermocht, das Volk dauernd gegen die Verführung durch das Völkerbeispiel zu stählen. Hatte doch Salomo selbst, der dem Gottesgesetz das prächtige Heiligtum erbaute, diesem Gesetz die Treue gebrochen, dem Schittimgeist die Tür geöffnet, mit fremden Königstöchtern, deren Reizen er verfiel, den Götterkult des Heidentums in der Nähe des Gesetzesheiligtums des einen Einzigen eine Stätte finden lassen, und damit den Ruin seines Hauses und seines Volkes eingeleitet[14]. Mit seinem Tode war das Reich zerfallen[15]. Die Königsreihe auf Davids Thron wechselte in Abfall und Treue, aber im Reich Israel war mit seinem Gründer, Jerobeam[16], Politik als leitendes Prinzip eingetreten, und, wie bei den Nachbarvölkern ringsum, war das, was man Religion noch nannte, in den Dienst der Königspolitik getreten. Jerobeam, der „Große“, war der erste, der, um sich und seiner Dynastie Dasein und Dauer zu sichern, die „Reform“ ins Judentum eingeführt. In der Treue an das Gesetz, dessen Gotteszeugnis nur in Jerusalem zu finden war, Gefahr für seinen Königsthron witternd, hatte er an die Stelle der göttlich gegebenen Objektivität des Gesetzes, die Subjektivität willkürlicher Kulturerfindungen gesetzt. Warum gerade in Jerusalem? hatte er zum Volke gesprochen, warum nicht auch in Sichem? Warum überhaupt diese engherzige Beschränkung in der Gottesverehrung? Ist Gott nicht überall zu finden, und ist er es nicht immer? Wenn in Sichem, nicht auch in Bethel und Dan? Und wenn im siebten Monat, nicht auch im achten und jedem beliebigen? Bleiben wir hübsch auf „historischem Boden“! Warum gerade „mosaisch“? War nicht Aharon auch ein hohepriesterlicher Gottesmann, und hatte er nicht in menschenfreundlichem „Rechnung-tragen“ für Zeit und Umstände der Volksbedürfnisse — ohne sich und sein Volk der Verehrung des Einen Einzigen zu entziehen, vielmehr zur Verehrung des Einzigen — den noch älteren Apiskult[17], nur jüdisch reformiert, wieder erfunden? Und siehe da, das reformierte Israelitentum im Gegensatz zum alten starren Judentum war fertig. Das Götterkalb war wieder da, bot sich, zur Ersparnis von Mühe und Zeit, die auch damals schon Geld bedeutete, der Verehrung der „Gläubigen“ in Bethel und Dan dar: [18]רַב לָכֶם, lautete der Predigttext von Bethel und Dan, zu kostspielig, Zeit und Mühe raubend sind ja die Wanderungen nach Jerusalem! Den ganzen Sommer hindurch und zumal im siebten, dem Erntemonat, Haus und Hof, Feld und Flur verlassen, und, statt sorgsam, fleißig des Ackers zu warten, singend und betend festlich zu wallfahrten! Jerobeams menschen- und volksfreundliche Reform weiß das besser zu ordnen, erst die Arbeit, dann die Feier, erst die irdische Ernte, dann der himmlische Kultus, nicht im siebten, im achten, wenn alles hübsch fertig und die Zeit nichts mehr wert ist, dann, die für den Menschen nichts mehr bedeutende Zeit dem Feste des Herrn geweiht! Und der Kultus zu Dan und Bethel nur als ein  [19] בֵּית בָּמוֹת, als ein Zentrum für den überall hin zu verbreitenden, in jedem Dorf, jedem Weiler, jedem Hause zu vollziehenden „Höhenkult“, wo jeder „sein religiöses Bedürfnis“ nach seinem Belieben befriedigen und nach seiner Weise selig werden könne! Das war der Geist der jerobeamitischen Reform, die, selbstsüchtiges Interesse mit zarter Rücksicht für die Bedürfnisse des Volkes verschleiernd, sich eben damit dem Volk einschmeichelte und noch überdies, durch die eröffnete Aussicht auf Versorgung in „geistlichem Stand“ als „Priester des Höhenkultus“, zu dessen Weihen nicht engherzig nur Aharoniden, sondern jeder zugelassen wurde, sich um die Karriere ihrer Kinder besorgten Eltern so freundlich empfahl. — Das war das [20] חַטַּאת יָרָבְעָם, mit dem er allen seinen Nachfolgern vorangeleuchtet das Volk zu verführen, [21] לְהַכְעִיס אֶת ה‘ אֱלֹקֵי יִשְׂרָאֵל בְּהֶבְלֵיהֶם Gott mit ihren erträumten Nichtigkeiten zu erzürnen. Denn, damit seine Nachfolger die Politik seiner religiösen Reform wohl zu würdigen wüssten, hatte er seinen Götterkälbern, wie es im Jeruschalmi heißt (ע“ז 1,1) וַהֲרָגוּךָ an das Piedestal[22] geschrieben. „Sie werden dich totschlagen!“ wenn das Volk wieder zu der alten, in Jerusalem ihre Nahrung findenden jüdischen Gesetzestreue zurückkehrt. Diese dynastische Sorge sollte das System der Reform verewigen, und, obgleich das וַהֲרָגוּךָ sich trotz der Reform an seinen Nachfolgern erfüllte, schon sein Sohn[23] nach zweijähriger Regierung der Verschwörung eines Bascha[24], dessen Sohn[25] der Verschwörung eines Simri[26] und dieser nach siebentägiger Regierung dem Verschwörer Omri[27] erlag, war die einmal eingeleitete israelitische Reform in fünfzig Jahren so stetig [28]בְּהֶבְלֵיהֶם fortgeschritten, dass, als nun Omris Sohn, Achab[29], den von israelitischer Reform getragenen Thron bestieg, diesem das jerobeamische System noch als ein viel zu ängstlich kleinlicher Halbfortschritt erschien, und er es nun wagen konnte ganz mit dem Gott und Gesetz des Judentums zu brechen, sich in Isabel eine sidonische[30] Königstochter zuzugesellen und in der neuen Residenz des israelitischen Reiches den förmlichen sidonischen Kult des Baal und der Aschera einzuführen. Vor diesem Achab, oder vielmehr vor Isebel, die ihn und das Reich beherrschte, musste alles weichen, was noch an den Gott des „alten Judentums“ erinnerte, sein Bündnis wurde verlassen, seine Altäre zertrümmert, seine Propheten erschlagen, in Höhlen flüchtete sich, was von Propheten des alten Judentums noch übrig war, nur siebentausend Knie gab es noch, die nicht sich dem Baal gebeugt, und achthundertundfünfzig Prediger des Baals und der Aschera aßen ihr Brot an Isebels Tisch!

Da trat zum zweiten Mal Pinchas´ Geist in Elijahu dem Thisbi auf[31], und warf das Streitwort der Wahrheit hinein in die Harmonie der vom Thron herab Geister umnebelnden, Sinne verstrickenden Baal-Aschera-Religion. Im Namen Gottes, des Einen Einzigen, hatte er das stolze Lügenwerk Isebels an seiner Wurzel gepackt, hatte für Jahre hinaus Hunger angekündigt, — nicht Achabs Macht, nicht Isebels List, nicht alle Verschwörungskunst der achthundertundfünfzig Baal-Aschera-Pfaffen sollten ein Tröpfchen Tau und Regen dem Himmel entlocken, bis wieder der Herold des Einen Einzigen den Bann löse, auf dass die unerbittlich klare Himmelsreine der von Lüge umdüsterten Erde zeige, wer denn der Herrscher des Himmels und der Erde sei. Bis ins dritte Jahr hatte die Erde, die in Israels Mitte Altäre des Baal und der Aschera trug, vor Hunger geschmachtet, und Gottes Wort war wieder an Elijahu geworden[32]: gehe, zeige dich Achab, ich will der Erde wieder Regen geben. „Bist du es, Israels Trübsalbringer?“ war des Königs Gruß, als er Elijahus ansichtig wurde. „Nicht ich“, lautete Elijahus Antwort, „habe Israel Trübsal gebracht, sondern du und deines Vaters Haus, indem ihr Gottes Gesetz verlassen und euch der Nachfolge der Baalgötter geweiht. Und nun entbiete ganz Israel zu mir zum Berge Karmel, und auch die Propheten des Baal vierhundertundfünfzig, und die Propheten der Aschera vierhundert, die vom Tische Isebels genährten“. Sie waren alle versammelt, da trat Elijahu zum ganzen Volk hin und sprach: „Wie lange hinkt ihr auf beiden Seiten? Ist Gott Gott, so folgt ihm nach, und ist es der Baal, folget ihm!“ Das Volk hatte kein Wort zur Erwiderung. „Ich“, fuhr Elijahu fort, „bin allein als Prophet für Gott geblieben, und die Propheten des Baal sind vierhundertundfünfzig. Gebe man uns zwei Stiere, wovon sie sich den einen wählen, ihn teilen, auf Holz legen und kein Feuer hinzutun, und ich will den anderen Stier in gleicher Weise behandeln und kein Feuer hinzutun. Dann ruft ihr euren Gott an und ich rufe Gott an: der Gott, der durch Feuer antworten wird, der wird sich als Gott erweisen.“ Und als nun das Volk dies gebilligt, die Propheten des Baal vergebens bei ihrem Opfer zum Baal gerufen, bis über Mittag hin, in echtem Subjektivismus alles antiken wie modernen Heidentums, die, aller objektiven Realität bar, nur in ihrem subjektiven Wahn vorhandene Gottesmacht durch bis zur Raserei gesteigerte Ektase vergebens zu wecken sich abgemüht, trat zur Minchazeit Elijahu, der einzige Diener des Einen Einzigen, hin, vergegenwärtigte mit zwölf Steinen das Israel, das sein sollte, das nicht war, und doch sicher seiner Gottesbestimmung gemäß „Israel“ werden wird, Verkünder der Gottes-Herrschaft auf Erden, baute auf diesen Steinen Gott den Altar, legte sein Opfer auf Holz darauf, ließ ihn von Wasser umgeben und überströmen, und trat dann hin mit dem klaren, zu Gott redenden Worte: „Gott, Gott Abrahams, Jizchaks und Israels! Lasse es heute erkannt werden, dass du Gott in Israel bist und ich dein Diener, und ich nur auf dein Geheiß alles bisher getan. Erhöre mich, Gott, erhöre mich, so wird dieses Volk erkennen, dass du, Gott, Gott bist, und du wirst ihr rückwärts gewendetes Herz wieder umgewandt haben!“ Und da nun Feuer von Gott ausfuhr, und das Opfer und das Holz, die Steine und die Erde und das Wasser aufzehrte, da sah es das Volk und warf sich nieder und rief: Gott allein ist Gott, Gott allein ist Gott! Die Baalspropheten aber führten sie auf Elijahus Geheiß zum Richtplatz, Achab aber hieß er, froh nach Hause zu eilen, damit ihn der Regen nicht überrasche, und indem er vor dem dahineilenden Königswagen aufgeschürzt als Vorläufer voran lief, zeigte er, wie wenig ihm irgendeine eitle Oppositions- oder Ehrsucht innewohne, wie er nur um Gotteswillen all das Große vollbracht hatte, was er getan. — Isebel aber ließ ihm sagen, sie habe bei den Göttern geschworen, ihn hinrichten zu lassen, wie ihre Propheten hingerichtet worden — so war der ganze Erfolg, den Elijahus Eiferwort und Eifertat, von welcher er eine völlige Umwandlung der Geister und Gemüter erwartet hatte, in unmittelbarer Gegenwart Null, und in dem Gefühl vollendeter Erfolglosigkeit seines Wirkens im Volk flüchtete Elijahu in die Wüste — — —„Nun ist es zu viel, o Gott, nimm meine Seele hin, — bin ja nicht besser als meine Väter!“ und zum Horeb trug ihn der wandernde Fuß, dorthin, wo Moses einst eines Einblicks in die Waltungen Gottes auf Erden gewürdigt ward — „Was ist dir hier Elijahu?“— „Geeifert und geeifert habe ich für Gott, Gott der Heerscharen, denn dein Bündnis haben Israels Söhne verlassen, haben deine Altäre eingerissen, haben deine Propheten erschlagen, ich allein bin übrig geblieben und nun suchen sie auch nach meinem Leben zu fahnden!“ — „Tritt hinaus auf den Berg vor Gott hin!“— Und Gott zieht vorüber, und ein großer starker Sturm vor Gott her, Berge entrückend, Felsen zersplitternd nicht im Sturme Gott. Und nach dem Sturme Erdbeben: nicht im Erdbeben Gott. Und nach dem Erdbeben Feuer: nicht im Feuer Gott. Und nach dem Feuer der Laut einer leisen Stimme.[33] — Als Elijahu dies hörte, verhüllte er sein Angesicht mit seinem Mantel, trat hinaus an den Eingang der Höhle. Darauf an ihn das Wort: „Was ist dir hier, Elijahu?“ „Geeifert, geeifert habe ich für Gott, Gott der Heerscharen, denn dein Bündnis haben Israels Söhne verlassen, haben deine Altäre eingerissen, haben deine Propheten erschlagen, ich allein bin übriggeblieben und nun suchen sie auch nach meinem Leben zu fahnden!“ Und es wird ihm der Auftrag einen Chasael[34] über Aram, einen Jehu[35] über Israel zu Königen und den Elischa zu seinem eigenen Nachfolger zu salben „an Chasaels und Jehus Schwert und an Elischas Mund soll das Baaltum in Israel seinen Rächer finden und um den winzigen Kern, die siebentausend, deren Knie nicht dem Baal sich gebeugt, und deren Mund ihm nicht gehuldigt, der bergende Gottesschutz sich lagern. Noch einmal hatte er Achab nach vollbrachtem Raub und Justizmord an Naboth[36] mit dem strafenden Rächerwort in dem Augenblick entgegenzutreten, als der blutbefleckte König die Erbschaft des gemordeten Bürgers antreten wollte, dann ward er der Erde entrückt[37] — und wird erst wiederkommen, wenn der große, ernste Gottestag nahe ist, dann wird es gelingen, Vergangenheit und Zukunft zu überbrücken, der Eltern Herz zu den Kindern, der Kinder Herz zu den Eltern zurückzuwenden, damit das Gottesgericht nicht einzutreten habe und die Erde nicht in Verödung vergehe — — — וְעַכְשָׁיו und bis dahin, merkt die jüdische Geschichtsboraitho[38] ([39]סדר עולם רבא 17) an, verzeichnet er die Geschichtstat aller Zeiten הוּא כּוֹתֵב מַעֲשֶׂה כָּל הַדּוֹרוֹת כּוּלָם[40]

— — — Was wir mit diesen Erinnerungen aus jüdischer Vergangenheit möchten? Beitrag werden, soweit ein ephemeres[41] Zeitblatt es vermag, Beitrag werden, dass eine in vielen jüdischen Kreisen sich kundgebende Bewegung zu gedeihlichem Ende geführt werde, Beitrag werden, dass die in diesen Bewegungen streitend zu Tage tretenden Gegensätze nicht von schwachen, trägen Gemütern als Grabgeläute des Friedens bejammert, sondern als Vertreter eines aus Grabesruh zu wirklichem, wahrhaftigem Frieden sich kreisend gebärenden Lebens fröhlich begrüßt werden; vor allem Beitrag werden, dass, wo überall es Kampf gilt, gesetzestreue, oft in vereinzelter Isolierung sich befindende Minoritäten an dem voranleuchtenden gottgewürdigten Pinchas-Elijahu-Eifer sich ihrer Stellung, vor allem ihrer Berechtigung und ihrer Zukunftssicherheit bewusst bleiben, und in diesem Bewusstsein als jüdische Männer Pinchas-Elijahu-Ernst und Pinchas-Elijahu-Eifer betätigen. Gilt es doch zumal heutzutage nicht den Angriffspunkt eines Pinchas-Elijahu, gilt es doch in allererster Linie den Kampf der Verteidigung, den Mut des Bekenntnisses, den Mut des Rechtsstreites für das Heiligste, den Mut des Alleinseins und, wenn es sein muss, des Alleinbleibens in seinem Recht und mit seinem Recht, den Mut, dem, was uns als unveräußerliches göttliches Heiligtum dasteht, wenn es sein muss, in dem winzigsten, beschränktesten Kreis der eigenen Häuslichkeit und des eigenen Familienlebens eine gesicherte Stätte der Zukunft zu bereiten.

Wie oft hat sich das [42]לֹא בְּרַעַשׁ ה der Gotteserscheinung an Elijahu gefallen lassen müssen, travestiert in Antrittspredigten unserer modernen Propheten als Inauguraltext[43] ihrer künftigen „Amtsführung“ zu dienen, um ihre Gemeinden zu beruhigen, obgleich sie das Haupthaar lang à la Elia trügen, werde man doch nichts weniger als Eliasse[44] in ihnen finden, ihnen werde man nicht erst die Mahnung entgegenbringen müssen: לֹא בְּרַעַשׁ ה‘, sie werden nicht „stürmen, nicht Berge entrücken, nicht Felsen zersplittern“, werden alle und alles hübsch stehen und gehen lassen, wie es eben geht und steht, sie werden Männer des Friedens sein,  קוֹל דְּמָמָה דַּקָּה[45] werde ihre Reden und ihr Wirken kennzeichnen, ein Reden, das so gut ist wie Schweigen, ein Tun, das so gut ist wie Nichtstun. —

Und es hatte doch das der Gottesankunft vorangehende Stürmen und Beben und Flammen mit dem,66 לֹא בְּרַעַשׁ ה‘, לֹא בְּרוּחַ ה‘, לֹא בְּאֵשׁ ה‘, dem an dem Erfolg seiner Eifersendung verzweifelnden Elijahu eben die Notwendigkeit und Bedeutsamkeit seines Stürmens und Erschütterns und Zündens beruhigend in die Seele reden sollen, wenngleich nicht sofort in dem Stürmen, Erschüttern und Zünden der Eintritt des Göttlichen als Erfolg sich zeigte! Soll Gottes Herrlichkeit auf Erden Stätte finden, dann freilich muss die Erde keinen Widerspruch mehr dem Göttlichen entgegensetzen, dann müssen, wie ein anderes Gotteswort es kündet, alle Pforten der Zeiten von selbst sich heben, um dem Göttlichen als König der Herrlichkeit zu huldigen[46]. Wenn aber die Gottesherrschaft von der Erde geschwunden, wenn, an der Stelle der göttlichen Wahrheit, der Baalslüge die Altäre des Lebens errichtet sind, wenn, was als groß und stark und hell auf Erden gilt, dem Göttlichen die Herrschaft auf Erden streitig macht, dann muss , [47]רוּחַ גְּדוֹלָה וְחָזָק מְפָרֵק הָרִים וּמְשַׁבֵּר סְלָעִים muss רַעַשׁ[48] und [49]אֵשׁ bahnbrechend  [50]עוֹבֵר לִפְנֵי ה‘ der Gottesankunft vorangehen, dann ist, wie jenes andere Gotteswort lautet, der seiner Ankunft harrenden Erde gegenüber Gott erst [51]עִזּוּז וְגִיבּוֹר מִלְחָמָה, und sendet seine Elijahus voran, um erst Festes zu lockern, Starkes zu brechen, die Grundfeste beben und irdische Lichter vom flammenden Gotteslichte überstrahlen zu lassen. — Elijahu ist nicht der Messias, aber er geht dem Messias voran, und solange Elijahu nicht da ist, ist auch der Messias nicht nah.


[1] Im Original wird hier der Name Pineas statt Pinchas verwendet

[2] Hier wird die Geschichte aus dem 4. Buch Moses, Numeri 22:2-25:18 wiedergegeben; Schittim ist ein Ort in der Wüste

[3] Bileam

[4] Balak

[5] Mahnung

[6] Blasphemie, wörtlich „Gottes Namen beschmutzen“

[7] Simri vom Stamme Schimon

[8] Kosbi, ihr Vater war Fürst einer der Stämme Midjans

[9] Numeri 25:12

[10] Bund „Abraham“, Bund „Jizchak“, Bund „Jakob“

[11] Im Hirsch-Kommentar zu Genesis 26:15 heißt es: In allen drei Schicksalsstellungen hat sich der Gottesbund schützend und segnend bewährt, der daher sich selbst nicht nur als ein ברית עם אברהם, עם יצחק, ועם יעקב sondern als ein: ברית אברהם, ברית יצחק, ברית יעקב, manifestierte, in welchem Ausdruck die Väter nicht als Personen, sondern als Typen der durch sie zur Anschauung gekommenen verschiedenen Manifestationen der Kraft des göttlichen Bundes erscheinen.

[12] Nachsichtigkeit, Duldsam

[13] Numeri 25:13

[14] Siehe hierzu 1. Könige 11 bis Ende des Buches 1. Könige

[15] In den nördlichen Teil „Israel“ und den südlichen „Juda“

[16] Wikipedia: Jerobeam I. war laut biblischem Bericht im 10. Jahrhundert v. Chr. der erste König des Nordreichs Israel.

[17] Wikipedia: Apis (altägyptisch Hep; griechisch Ἆπις, koptisch-sahidisch Hape; koptisch-bohairisch Hapi; aramäisch ḥpy, חפי) war der heilige Stier von Memphis, der als irdische Verkörperung des Gottes Ptah und später auch des Osiris verehrt wurde.

[18] „Ihr maßt euch zu viel an“ sprach Korach zu Moses und Aharon s. Numeri 16:3

[19] Haus der Höhen, ein auf Hügeln oder Bergen erbautes „Heiligtum“

[20] Die Sünde Jerobeams

[21] 1. Könige16:26; sie kränkten den Herrn, den Gott Israels, durch ihre Abscheulichkeiten. (Übersetzung Rabbiner Bernfeld)

[22] Sockel, Podest, Postament, Standfuß

[23] Wikipedia: Nadab war der zweite König des Nordreichs Israel und Sohn von Jerobeam I.

[24] Wikipedia: Bascha († 877) war der dritte König von Israel.

[25] Wikipedia: Ela († 876[1] oder 885 v. Chr.) war Sohn und Nachfolger des Bascha als König von Israel.

[26] Wikipedia: Simri († 876[1] oder 885[2] oder 882 v. Chr.) regierte sieben Tage lang als König von Israel.

[27] Wikipedia: Omri († 869,[1] 874[2] oder 871 v. Chr.) war ein König Israels.

[28] In Abscheulichkeiten

[29] Wikipedia: Ahab … war von etwa 871 bis 852 v. Chr., seit dem Tod seines Vaters Omri, König des Nordreiches Israel.

[30] In der Antike zählte Sidon zu den wichtigsten Städten Phöniziens.

[31] Siehe 1. Könige 17 ff

[32] 1. Könige 18:1-39

[33] 1. Könige 19:10-12

[34] Wikipedia: Hasaël war von ca. 841[1] bis etwa 812 v. Chr. König von Aram. Der Name bedeutet „Gott sieht“.

[35] Wikipedia: Jehu war König Israels von etwa 841 bis um 814 v. Chr.

[36] Siehe 1. Könige 21:1-29

[37] Siehe 2. Konige 2:11-12

[38] Baraita sind Lehrmeinungen, die nicht in die Mischna aufgenommen wurden

[39] Seder Olam Rabbah 17

[40] Bis dahin schreibt er die Geschehnisse aller Generationen

[41] nur für kurze Zeit bestehend, flüchtig, ohne bleibende Bedeutung

[42] Nicht im Erdbeben ist Gott; s. auch Fußnote 66

[43] Antritts – Eröffnungsrede

[44] Elias eingedeutscht von Elijahu. Hier spöttische gemeint

[45] Mit einem Ton sanften Säuselns

[46] Psalm 24

[47] 1. Könige 19:11; ein großer starker Wind, Berge zerreißend und Felsen zertrümmernd, (Übersetzung Rabbiner Bernfeld)

[48] Erdbeben

[49] Feuer

[50] Vor Gott vorüberziehen

[51] Psalm 24:8; Der Herr, gewaltig und stark! Der Herr ein Held des Krieges. (Übersetzung Rabbiner Bernfeld)

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