Wieder jährt sich am 17. Thamus ein Tag, an dem wir der Zerstörung Jerusalems und des Tempels gedenken. Wie konnte es dazu kommen. Rabbiner Samson Raphael Hirsch beantwortet die Frage mit dem hier wiedergegebenen Artikel.
Der Artikel wurde in der Zeitschrift „Jeschurun“, 4. Jahrgang, Heft 10, im Jahre 1858 veröffentlicht.
Der Text wurde dem heutigen Sprachgebrauch leicht angepasst und mit Erklärungen versehen von Michael Bleiberg. Das Original finden Sie in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main unter:
https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/2942493
Israels Verfall.
Die drei Wochen, welche nach der Hälfte dieses Monats bei uns eintreten, laden uns zu einem ernsten Geschäft[1]. Sie bringen uns das Gedächtnis jener Zeit, in welcher zweimal Israels Staat und Tempel welterobernden Mächten zur Beute fielen, weil Gott von ihnen gewichen war. Nicht aber als bloße Kalendernotiz kehren sie bei uns ein; nicht ein gedankenloses, folgeloses Erinnern ist es, was sie erwarten; mitten in die lebendige Gegenwart der einst werdenden Katastrophe rufen sie uns hin, laden den Geist der Propheten in unsere Mitte, ein Jeremias ruft sein שִׁמְע֥וּ דְבַר ה‘ בֵּ֣ית יַעֲקֹ֑ב״ , höret das Wort Gottes, Haus Jakobs![2]“ durch unsere Reihen hin, ein Jesaias ruft Himmel und Erde zu Zeugen wider Juda auf, und wir — wir lauschen ihren Worten, wir meinen „Stadt und Tempel“, in welcher schattenähnlichen Abschwächung auch immer, ein äußeres Band und ein geistiges Heiligtum sei doch auch in der Zerstreuung uns geblieben, bilde auch in der Zerstreuung die Seele unseres jüdischen Daseins, — und als ob Stadt und Tempel erst in Trümmer gehen sollten, so hören wir das zürnende Wort Gottes von ihren Lippen, es wird uns zum Maßstab für unsere Gegenwart, — und unwillkürlich fragen wir uns, was würde ein Jeremias, was würde ein Jesaias sagen, wenn er heute in unsere Mitte träte!
! שִׁמְע֥וּ דְבַר ה‘ בֵּ֣ית יַעֲקֹ֑ב
„Höret das Wort Gottes, Haus Jakobs!“
Mit dieser Aufforderung trat Jeremias in Jeruschalajims letzten Tagen in unseren Kreis, „höret das Wort Gottes!“ und R. Lewi in der Peßikta[3] steht bei diesen Worten still und meint, es wäre schon viel gewonnen, wenn in Zeiten eines praktischen Abfalls von Gott und seinem heiligen Gesetz, das Wort Gottes auch nur erst wieder gehört, mit Ernst gehört werde. Es sei ja das Ohr die Pforte zum Geist, die Pforte zum Herzen, und auch nur dem Gedanken Gottes und seines heiligen Gesetzes wieder Raum gegeben, sei der Boden für alle Hoffnung der Zukunft gelegt. „Höret das Wort Gottes!“ so leitet R. Lewi darum die Betrachtung dieses Gottesaufrufs ein, „höret es! Ihr werdet es doch einmal hören müssen, es schafft sich doch einmal Gehör, doch einmal Zugang zu eurem Geist und eurem Herzen: „Höret es als Thora-Wort, damit ihr nicht das Wort der Zurechtweisung, höret das Wort der Zurechtweisung, damit ihr nicht das Wort des Vorwurfs, höret das Wort des Vorwurfs, damit ihr nicht den Donner der Kriegstrompeten zu hören bekommt, höret es im Lande, damit ihr es nicht außerhalb des Landes, höret es im Leben, damit ihr es nicht als Tote zu hören bekommt, lasset es eure Ohren hören, damit es nicht eure Leiber, lasset es eure Leiber hören, damit nicht einst eure dürren Gebeine hören müssen: „dürre Gebeine, — höret das Wort Gottes!““ Höret es! Denn einmal müsst ihr es doch ja hören —
Höret das Wort Gottes, Haus Jakobs,
Und alle Familien des Hauses Israel!
So hat Gott gesprochen:
Was haben eure Väter für Unrecht an mir gefunden,
Dass sie sich von mir entfernt?
Und gingen dem Nichtigen nach, und wurden nichtig!
Und fragten nicht: wo ist Gott? Der uns aus Mizrajim gehoben,
Der uns durch die Wüste geführt, durch ein Land der Öde und der Gebeugtheit, durch ein Land des Durstes und des Todesschattens,
Durch ein Land, durch welches sonst noch kein Mann gezogen, und wo nimmer noch Menschen geweilt?
Und da ich euch zum Lande der Flur gebracht, darin die Frucht und die Fülle zu genießen,
Da kämet ihr und verunreinigtet mein Land und machtet mein Erbe zum Abscheu!
Die Priester fragten nicht: wo ist Gott?
Die Handhaber der Thora kannten mich nicht,
Die Führer waren von mir abgefallen,
Und die Propheten, waren Propheten für den Baal
Und waren dem Heillosen zugewendet.
Darum streite ich noch lange mit euch, spricht Gott,
Und werde noch mit euren Kindeskindern streiten!“ [4]
וְאֶת־בְּנֵ֥י בְנֵיכֶ֖ם אָרִֽיב — mit euren Kindeskindern streiten“ — also vielleicht noch mit uns? Also gilt vielleicht auch uns dieses zürnende, mahnende Gotteswort, also hätten vielleicht auch wir uns umzusehen, dass uns einst nicht der Gottesspruch in das Buch der Geschichte einzeichne: „וַיֵּ֥לְכ֛וּ אַחֲרֵ֥י הַהֶ֖בֶל וַיֶּהְבָּֽלוּ“ „sie gingen dem Nichtigen nach und wurden darum nichtig![5]“ Also hätten vielleicht auch wir noch Umschau zu halten, wie es um unsere Priester, unsere Träger der Thora, unsere Führer und begeisterten Redner stehe — und, indem uns das Prophetenwort einen Einblick in die Ursache des einstigen Verfalls eröffnet, sind wir zugleich von Jahr zu Jahr zu der ernsten Prüfung geladen: wie viel oder wenig von den Ursachen dieses Verfalls noch bei uns wuchere, wie viel bereits von diesem Verfall bei uns gesühnt und wie nahe oder fern wir bereits der Zeit näher gerückt, in welcher Gott einst sprechen wird: „ הִֽתְעוֹרְרִ֗י ק֚וּמִי יְר֣וּשָׁלַ֔͏ִים, ermann dich, stehe auf, gefallenes Jeruschalaim.[6]“
„Die Priester — fragten nicht, wo ist Gott?
Die Handhaber der Thora — kannten mich nicht,
Die Führer — waren von mir abgefallen,
Die Propheten — waren Propheten für den Baal und waren dem Heillosen zugewandt —“
so war es einst dahin gekommen, dass unsere Väter, von Gott abgewandt, dem Nichtigen nachwandelten und nichtig wurden, und selbst als sie der Nichtigkeit ihrer Bestrebungen inne geworden, als ihnen die Täuschung aller ihrer Erwartungen, der Untergang aller ihrer Hoffnungen vor Augen lagen, sie sich auch nicht zu dem zurückwandten, der sie einst aus einem noch trostloseren Anfang zum heiteren Gedeihen, aus Mizrajim durch die Wüste zum Land der Fülle und des Segens geführt! Zu der Verirrung der [7] כֹּהֲנִים, der [8] תּוֹפְשֵׂי הַתּוֹרָה, der [9] רוֹעִים und [10] נְבִיאִים lag die Verirrung des Volkes, dort haben wir zu aller Zeit die Wurzel jeglichen Verfalles zu suchen.
נְבִיאִים ,רוֹעִים ,תּוֹפְשֵׂי הַתּוֹרָה ,כֹּהֲנִים, da haben wir alle die geistigen Stützen und Hebel, die Gott für Erhaltung und Blüte seines Lebens in Israel gesetzt: Gottesdienst — Wissenschaft — Gemein- wesen — das öffentliche Wort — das sind die geistigen Güter, als deren Träger die Priester, die Gelehrten, die Führer und Propheten hier genannt sind. Jeden trifft ein besonderer Vorwurf und aus der besonderen Verirrung, die von jedem gezeichnet, vermögen wir die rechte Aufgabe eines jeden zu erkennen.
הַכֹּהֲנִים , die Priester, die Diener und Verwalter des Gottesdienstes, [11] ‚לֹ֤א אָֽמְרוּ֙ אַיֵּ֣ה ה, sie fragten nicht: wo ist denn Gott?
‚אַיֵּ֣ה ה ? Das ist die Frage nach der Frucht des Gottesdienstes, und das ist somit die Frage nach Wert und Bedeutung des Gottesdienstes, das ist die Frage, deren Beantwortung entscheidet, ob der Gottesdienst der echte und rechte, oder ob alles nur unnützer Firlefanz ist, der weder Gott noch dem Volk dient und nur dem Priester, dem Geistlichen — frommt. Wenn dein Gottesdienst der rechte ist, בְּכׇל־הַמָּקוֹם֙ אֲשֶׁ֣ר אַזְכִּ֣יר אֶת־שְׁמִ֔י [12], wenn er ein solcher ist, dass ich meinen Namen darüber nennen, dass ich ihn den Meinen nennen kann, dann komme ich zu dir und segne dich, hatte Gott gesprochen, אָב֥וֹא אֵלֶ֖יךָ וּבֵרַכְתִּֽיךָ [13], — und die Frage, ob denn nun in Folge unseres Gottesdienstes Gott zu uns komme und uns segne, ob er nun bei uns sei und uns segne, ob er nun unter uns sei und uns segne, ob er nun in unsere Häuser, unsere Familien, unser Einzel- und Gesamtleben eingezogen sei und dieses alles segne, das ist die Frage, deren Ja oder Nein unserem Gottesdienst, dem Wirken unserer Priester, den Kranz aufsetzt oder unerbittlich den Stab darüber bricht, und danach soll der Priester fragen: ‚אַיֵּ֣ה ה, wo ist, wo bleibt nun Gott?
Ob der Priester das Lebensblut des Opfertiers an den Altar, Fett und Nieren, Haupt und Glieder auf den Altar bringt, Brot und Licht im Heiligtum ordnet und den Räucherduft vor der Lade emporsteigen lässt — oder ob dies alles durch ihn, oder unter seiner Leitung in Worten des Gebets und des Gesangs vollbracht wird, das gilt für diese Betrachtung völlig gleich. Hier wie dort, wenn ihm der Gottesdienst des Opfers oder des Gebets die Summe und das All der „jüdischen Religion“ bedeutet, ja wenn er auch nur in ihm deren vorzüglichste Manifestation erblickt, wenn er befriedigt ist, so nur dem „Tisch des Herrn“ die reichlichen und pünktlichen Opfer nicht fehlen, so er nur die Räume des Gotteshauses mit der Menge der „Andächtigen“ sich füllen sieht, wenn er in seinem Gott sich selig fühlt wenn nur Opfer und Weihrauch, Jozer und Mussaf[14], Predigt und Gesang, dem Gesetz, dem Schulchan Aruch[15], dem allerneuesten Programm der Synagogenordnung gemäß, ohne Störung, in andächtiger Weise „vorgegangen“ und allem und jedem Zuschauer und Schauerinnen, Zuhörer und Hörerinnen, Mitbetende und Mitsingende nicht gefehlt — aber er nicht draußen sich umsieht, nicht mit seiner Frage: ‚אַיֵּ֣ה ה ? „Wo ist denn nun Gott? Gott, mit seiner Läuterung und Weihe, Gott mit seiner Gnade und seinem Segen?“ das Leben außer dem Tempel, der Synagoge, dem Gotteshaus durchdringt, dort nach der Frucht des Gottesdienstes forscht, dort den Segen des Gottesdienstes sucht, und Tempel und Altar, Opfer und Weihrauch, Gebet und Predigt nicht völlig vergebens achtet, so nicht durch alles dies das göttliche Gesetz, die Erfüllung des göttlichen Willens und mit ihr die Gewinnung des göttlichen Wohlgefallens und Segens, in das Leben der „Andächtigen“ eingeführt wird, — wenn er diese Frage nicht kennt, wenn ihm diese Frage nicht am Herzen liegt, wenn er sogar durch den ordnungsmäßigen Bestand des Gottesdienstes sich dieser ganzen Frage überhoben wähnt, und er in dem Tempelgottesdienst einen Ersatz für die Gegenwart Gottes im Leben, für den Dienst Gottes im Leben erkennt —: dann ist sein Gott ein toter Götze, eitler Fetisch-Weihrauch ist sein Opfer und sein Gebet, und trotz Talar und Tiara, trotz Firmelung[16] und Weihe ist er der ‚כֹּהֵן ה , der Priester des Herrn mitnichten!
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Aber im Gottesdienst liegt nicht der Schwerpunkt des Judentums; Tempel und Priester, Opfer und Gebet sind nicht die vornehmsten Träger des jüdischen Lebens; Israels Seele wohnt in der Thora, in der Wissenschaft der göttlichen Lehre und des göttlichen Gesetzes. Es kann der Tempel darniederliegen, es kann der Altar entweiht, das Priestertum entartet sein, wenn nur die Thora, Israels Wissenschaft gesund ist, so ist Israel nicht verloren, so baut sich von dort aus alles rein und heilig wieder auf; denn auch Tempel und Priester, Opfer und Gebet ziehen ihr geistiges Leben nur aus diesem Quell. Allein dieser Quell selbst, klagt Jeremias Wort, war krank: תֹפְשֵׂ֤י הַתּוֹרָה֙ לֹ֣א יְדָע֔וּנִי [17] „die Handhaber der Thora kannten mich nicht!„
Welch eine ernste Mahnung liegt in diesen wenigen Worten: Die Handhaber der Thora kannten mich nicht! Wir können also die ganze Thora-Wissenschaft in Händen, können sie inne haben, können sie zu traktieren wissen und doch den eigentlichen Inhalt nicht erfasst haben, doch für die einzige Erkenntnis blind geblieben sein, die ihre ganze Blüte bildet, und die Gott als das Ihn erkennen bezeichnet. תֹפְשֵׂ֤י הַתּוֹרָה֙ לֹ֣א יְדָע֔וּנִי! Baumeister und Baugehilfen können Pläne und Risse eines großartigen Gebäudes bis in die einzelnen Details vollkommen inne haben, können aus dem Schlaf das ganze Gebäude hinzeichnen, an den Fingern alles Zubehör herrechnen, können ganz genau die Verteilung aller Räume und Winkel, aller Säulen und Kapitäle demonstrieren, ganz genau von Maß und Form, von Stoff und Herrichtung jedes Steines, jedes Sparren, jedes Nagels Bescheid tun — alles dies nach den gegebenen Mustern und eingeprägter Anweisung wenn es sein muss herrichten — und doch keine Ahnung haben von der Bestimmung dieses ganzen Gebäudes, keine Ahnung von der einen Idee, die dem ganzen Entwurf zu Grunde liegt und die den ganzen Bau bis zum letzten Speis-Anwurf[18] beherrscht, noch viel weniger eine Ahnung von dem, der sich nun durch ihr Handwerk die Wohnung bereiten und sodann durch sein Wesen und Walten diese Wohnung erfüllen will. So können wir auch die ganze Thora, diesen Plan und Grundriss eines von uns auszuführenden Baues des Einzel- und Familien-des Gemeinde- und Staatslebens inne haben, können alle ihre Babas und Schearim, alle ihre Tore und Pforten auswendig wissen, bis in das kleinste Detail von allen ihren Anforderungen Rechenschaft geben, können ihr ganzes Schrifttum erschöpft, alle ihre linguistischen, historischen, archäologischen und physikalischen Hilfswissenschaften durchstudiert haben, können Bescheid zu geben wissen ebenso von der Gestalt des Jod im Samaritanischen und Koptischen und allen andern verwandten Dialekten wie von den zahlreichen Schithoth[19] ritueller Kasuistik[20], können den ganzen Talmud im Kopf und zugleich die historisch-kritisch genaue Auskunft über das Geburtsjahr der Amme des letzten der Paitanin[21] zur Hand haben — kurz wir können die ganze jüdische Gelehrsamkeit erschöpft haben, können der „jüdische Theologe“ par excellence genannt werden, und es kann uns doch in allem und mit alledem und aus alledem das einzige, wahre, rechte jüdische Wissen fehlen. Wir können uns mit all unserer Gelehrsamkeit in lauter Einzelheiten bewegen und es kann uns doch, wie der Prophet es nennt, die Anschauung des Ganzen ein mit sieben Siegeln verschlossenes Buch geblieben sein — וַתְּהִ֨י לָכֶ֜ם חָז֣וּת הַכֹּ֗ל כְּדִבְרֵי֮ הַסֵּ֣פֶר הֶחָתוּם֒ [22]— es kann uns nicht einmal eine Ahnung davon aufdämmern, was denn nun dieses ganze große, mehr denn dreitausendjährige Gotteswerk auf Erden bedeute, was denn nun dieser ganze Bau sei, zu welchem uns Gott, der große Baumeister der Welt, vor dreitausend Jahren seinen Riss[23] in Händen gegeben und gesprochen: sinnet darüber bei Tag und bei Nacht! Es kann uns nicht einmal eine Ahnung davon aufgegangen sein, dass [24] כָל הַתּוֹרָה כֻּלָּהּ שְׁמוֹתָיו שֶׁל הקב“ה, dass die ganze Thora nichts als Gottesnamen enthalte, nichts anderes sei, als die Aufprägung und Ausprägung des Gottesnamens auf das ganze Menschen-Dasein in Natur und Geschichte, als die Entwicklung und Gestaltung des ganzen Menschendaseins unter der Segnung und Herrschaft des göttlichen Namens, als die Erfüllung des großen Spruches: „Bereitet mir das Heiligtum, so wohne ich unter euch!“ oder des noch kürzeren und größeren Spruches: [25]! וִהְיִ֨יתֶם לִ֤י „Seid mein!“ —
Und doch ist selbst alles Wissen um dies alles noch nicht das Höchste, ist noch nicht das, dessen Abwesenheit der Vorwurf „לֹ֣א יְדָע֔וּנִי“ beklagt. [26] ‚דַּעַת ה ist kein bloßes Wissen von Gott, kein bloßes Wissen von Gott und den göttlichen Dingen, ידע ist mehr als ein Wissen, ידע ist ein Kennen, ist die innigste, nur in persönlichem Umgang zu erwerbende Vertrautheit mit einer Person oder Sache, ja ist dieser Umgang selbst und bezeichnet somit das naheste und innigste Verhältnis, in welchen wir nur zu einem Wesen zu stehen vermögen. Wir können Großes und Kleines, Wesentliches und Unwesentliches von einer Persönlichkeit wissen; aber sie geht an uns vorüber und wir kennen sie nicht, sie steht vor uns und sie ist uns fremd. So können wir die ganze Wissenschaft von Gott und den göttlichen Dingen erschöpft haben, es kann uns seine Offenbarung in der Thora, in der Natur, in der Geschichte klar geworden sein und wir sind doch mit alldem nur תֹפְשֵׂ֤י הַתּוֹרָה֙, haben die göttliche Wissenschaft nur mit Händen ergriffen, sie ist uns gleichwohl nur ein Äußeres geblieben, eine Disziplin, eine Wissenschaft, ein System, denen unsere Denkkraft und unser Gedächtnis angehören, von denen aber unser Herz und somit unser Leben nichts weiß. Wir können das alles erforscht und studiert haben und haben alles darin, nur nicht uns selber gefunden, wissen von Gott in seinem Gesetz, in der Natur und Geschichte Bescheid, aber er ist nicht unser Gott, und wir sind nicht sein Kind und Diener geworden, sein Gesetz ist nicht unser Gesetz, der kleine Punkt, den wir in Natur und Geschichte ausfüllen, ist nicht Sein, und während wir von seiner Herrlichkeit in Natur und Geschichte zu predigen wissen, vergessen wir unser eigenes Leben in Natur und Geschichte zu einem Tempel seiner Herrlichkeit zu weihen. Kurz, wir können die ganze Wissenschaft des Judentums ergründet haben, — wie wir ja auch die Religionssysteme der Griechen und Römer, der Pescherähs[27] und Huronen[28] ergründen, — aber es ist dies alles nicht unsere Wissenschaft, die Wissenschaft von uns und unseren Beziehungen zu Gott und Gottes Beziehungen zu uns geworden, es hat uns dies alles nicht zu dem einzigen Schritt erhoben, der die Frucht dieses ganzen Studiums, all dieses Wissens und all dieser Gelehrsamkeit sein soll: auf Grund alles dessen und mit allem diesem uns selbst in die innigste Gottesnähe emporzuschwingen, ihn in allen unseren Wegen zu schauen und auf ihn in allen unseren Wegen hinzublicken, mit Gott und vor Gott zu wandeln und all unser Tun und Lassen, unser Denken und Fühlen, Genießen und Handeln von ihm tragen, von ihm leiten und durchdringen zu lassen und jeden Atemzug in seinem Umgang zu verleben. Wir wissen von Gott; aber wir kennen ihn nicht. Gott kennen ist keine Abstraktion. Gott kennen ist der praktische Umgang mit ihm in Verwirklichung seines heiligen Willens durch unser ganzes konkretes, sinnlich geistiges Leben auf Erden und in diesem Umgang unsere ganze Freude finden. „Du willst König sein?“ sprach Gott zum entarteten Sohn Joschijahus, „du willst König sein weil du im Zedernprunk exzellierst? Siehe deinen Vater! Der aß und trank, übte das Recht und die Milde, und dann war ihm wohl; wenn er des Armen und Unglücklichen Recht ausgeführt, dann fühlte er sich wohl! Das heißt mich kennen!“ spricht Gott.
הֲתִֽמְלֹ֔ךְ כִּ֥י אַתָּ֖ה מְתַחֲרֶ֣ה בָאָ֑רֶז אָבִ֜יךָ הֲל֧וֹא אָכַ֣ל וְשָׁתָ֗ה וְעָשָׂ֤ה מִשְׁפָּט֙ וּצְדָקָ֔ה אָ֖ז ט֥וֹב לֽוֹ׃ דָּ֛ן דִּין־עָנִ֥י וְאֶבְי֖וֹן אָ֣ז ט֑וֹב הֲלוֹא־הִ֛יא הַדַּ֥עַת אֹתִ֖י נְאֻם־ה’׃[29]
Wenn aber die Wissenschaft der Thora Israels Lebensseele, und die Träger dieser Wissenschaft die Verbreiter dieses Lebens werden sollen, dann muss erst bei ihnen selbst diese Wissenschaft die Seele ihres Lebens geworden sein, dann muss ihr Leben das Muster, eines von der Thora beherrschten und aus ihrem Boden vollendeten Lebens, bieten, dann muss aus ihrem Leben ein nur im Umgang mit Gott zu gewinnender Abglanz der göttlichen Herrlichkeit dem Volk entgegenstrahlen, wie Moschehs Angesicht im Umgang mit Gott zu strahlen begonnen hatte.
כְּשֵׁם שֶׁהֶחָכָם נִכָּר בְּחָכְמָתוֹ וּבְדֵעוֹתָיו וְהוּא מֻבְדָּל בָּהֶם מִשְּׁאָר הָעָם. כָּךְ צָרִיךְ שֶׁיִּהְיֶה נִכָּר בְּמַעֲשָׂיו בְּמַאֲכָלוֹ וּבְמַשְׁקֵהוּ וּבִבְעִילָתוֹ וּבַעֲשִׂיַּת צְרָכָיו וּבְדִבּוּרוֹ וּבְהִלּוּכוֹ וּבְמַלְבּוּשׁוֹ וּבְכִלְכּוּל דְּבָרָיו וּבְמַשָּׂאוֹ וּבְמַתָּנוֹ. וְיִהְיוּ כָּל הַמַּעֲשִׂים הָאֵלּוּ נָאִים וּמְתֻקָּנִים בְּיוֹתֵר[30]
lautet die Einleitung der Charakterschilderung eines jüdischen Weisen: „Wie der Weise an seinen Wissenschaften und seinen Ansichten erkannt wird und er sich hierin von den übrigen Menschen unterscheidet, so muss er auch an seinen Handlungen zu erkennen sein, an seinem Essen und Trinken, an seinem geschlechtlichen und leiblichsten Leben, an seiner Sprache, seinem Gang und seiner Kleidung, an der Art seiner Reden und seinem Handel und Wandel: alle diese Tätigkeiten müssen bei ihm in höherem Grade schön sein und gut.“ „Liebe“, heißt es in der Quelle dieser Sätze, „liebe den Herrn deinen Gott also, dass durch dich der Name Gottes bei Menschen beliebt werde. Dass, wer gelesen und gelernt und die Lehre aus dem Mund der Weisen geschöpft, also schön im Umgang mit den Menschen sei, dass die Menschen von ihm sagen: Heil dem Vater, der ihn die Thora gelehrt, heil dem Lehrer, der ihn Thora gelehrt! Wie bedauernswert sind die, die keine Thora gelernt! Seht diesen Thoragelehrten, wie schön sind seine Sitten, wie gut seine Handlungen! Von ihm heißt es: Er sprach zu mir, mein Diener bist du, Israel, durch den ich mich verherrliche! Wer aber gelesen und gelernt und aus dem Mund der Weisen die Lehre geschöpft, aber sein Handel und Wandel ist nicht redlich und sein Umgang mit Menschen nicht schön, wie lautet dann das Urteil der Menschen über ihn? Weh diesem der Thora gelernt, weh dem Vater, weh dem Lehrer, der ihn Thora gelehrt, glücklich die Menschen, die keine Thora gelernt, seht diesen Thoragelehrten, wie hässlich sind seine Handlungen, wie verderbt seine Sitten! Von ihm heißt es: „Gottes Volk sind sie und haben seinen Boden verlassen!“ (Joma 86 u. Jalkut Deuter. 6.) Nicht an seinem Wissen wird der jüdische Weise der Thora erkannt, und nicht durch sein Wissen gewinnt er die Herzen für die Thora. In seinem Wandel liegt das Kreditiv für sein Wissen, und nur ein göttlicher Wandel gibt ihm den Heroldsstab für das göttliche Wort. Hat ihn seine Wissenschaft Gott nicht lieben gelehrt, wie sollen es andere von ihm und durch ihn lernen! Hat das göttliche Wort seine Macht nicht an seinem Gemüt, seinem Herzen geübt, wie soll es in seinem Mund die Herzen anderer gewinnen! Bringt er nicht seine Leidenschaft, seine Sinnlichkeit dem Gott seiner Spekulation und dem Gesetz seiner Gelehrsamkeit zum Opfer; macht sein Wandel und seine Tat nicht wahr, was seine Wissenschaft als Wahrheit und Recht, als Pflicht und Menschenbestimmung preist; verleugnet sein Leben den Gott, für den seine Wissenschaft schwärmt: wer wird aus seinen Händen die Thora hinnehmen, die er selber im Ernst des Lebens verlässt! — Warum die Wissenschaft der Thora Israel nicht gerettet? „Weil die Handhaber der Thora mich nicht gekannt!“ zürnt Gott durch Jeremias Mund, weil sie wohl das Wissen von Gott und dem göttlichen Gesetz, aber den Umgang mit Gott nicht gehabt; sie wussten von mir, aber sie kannten mich nicht — sie waren תֹפְשֵׂ֤י הַתּוֹרָה֙ aber לֹ֣א יְדָע֔וּנִי.
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Es kann aber der Tempel darnieder und die Thora im Winkel liegen, Gottesdienst und Wissenschaft können Israel verlassen haben, Priester und Gelehrte entartet und Israel für Gott und Gottes Sache in Israel doch nicht verloren sein, wenn nur der Kern des Volkes gesund geblieben und seine Führer, die Vertreter der jüdischen Volksgemeinde, nur noch für Gott und sein heiliges Gesetz einstehen. Hat ja nicht die Priester und die Gelehrten, hat ja Gott sein ganzes Volk am Sinai um sich versammelt und ihm, der jüdischen Gesamtheit, sein Feuer-Gesetz[31] überantwortet. In jeder Hütte vererbt sich das Gottesgesetz, jeder Sohn wird zum Streiter Gottes, zum Vollstrecker und Anwalt des göttlichen Gesetzes geboren. Wo zehn von ihnen zusammen sind da weilt die Schechina unter ihnen und der jüngste Sohn des letzten Geschlechts tritt priesterlich in ihre Mitte hin[32], als Repräsentant der Gesamtheit und Namens der Gemeinde das heiligste jüdische Bekenntnis, die heiligste Verheißung auszusprechen, ja im Namen Gottes die Gemeinde aufzufordern mit ihm Gott zu heiligen und sich mit ihm dem Dienst Gottes zu weihen[33]. Das jüdische Volk ist kein Tierorganismus, der Leben und Bewegung nur in einzelnen Kernorganen trägt und dessen Glieder der Verwesung verfallen, so das Herz dem Leben abgestorben. Das jüdische Volk ist ein lebensvoller Baum, in jedem seiner Teile wiederholt sich das Leben des Ganzen. Entblättert ihn, zersplittert ihn, der letzte Zweig, das letzte Blatt, die letzte Wurzelfaser genügt darin wieder das Ganze zu retten und in lebensfrischer Verjüngung den alten Baum in noch reicherer Blüte wiederherzustellen. Darin liegt ja eben das Geheimnis der Unsterblichkeit dieses Volkes, und darum eben ist es so unverwüstlich gewappnet gegen alle Zerstreuung und Zersplitterung, in welche die Stürme der Zeit es auseinanderreißen mögen. Eben darum sollte es aber auch gegen die Verirrung seiner Priester und Gelehrten gerüstet sein. Es hat ja nicht das göttliche Gesetz aus ihren Händen hinzunehmen; vielmehr haben sie es aus seinen, aus den Händen der jüdischen Gesamtheit hingenommen, diesen heiligen unantastbaren Gottesschatz mit aller Hingebung zu warten, in seine Tiefen sich zu versenken, seine Herrlichkeiten in Beispiel und Wort zur Anschauung zu bringen. „So des Priesters Lippe die offenbarte Gotteserkenntnis wahrt, nicht schafft, nicht mit anderem vertauscht, — so wird man das Gottesgesetz von seinem Mund suchen, so er als Gottesherold engelgleich in Lehre und Leben dasteht.“ Wo aber nicht — da ist das Volk selbst Richter seiner Priester und Gelehrten. Es misst seiner Priester, seiner Gelehrten Lehre und Leben an dem ewig gültigen, allen bekannten, allen zugänglichen Maßstab des göttlichen Gesetzes. So die Priester, die Gelehrten nicht mehr Gottes, nicht mehr seines heiligen Gesetzes Priester und Gelehrte sind, sind sie auch seine Gelehrte, seine Priester nicht mehr. Es lässt Priester und Gelehrte bei ihren Altären, bei ihren Büchern, und flüchtet sich zu dem Urquell alles jüdischen Lebens, zu Gott und seinem heiligen Gesetz.
Insbesondere hat Gott auf die Anführer dieses Volkes, auf seine „Hirten“, auf seine Ältesten und Vorsteher, auf seine Fürsten und Könige, auf alle die gerechnet, die durch ihr Ansehen und ihre Macht als die einflussreichsten im Volk hervorragen, denen das Volk die Leitung seiner Angelegenheiten anvertraut und deren Fußstapfen es gerne folgt. Sie, die in Ägypten willig die Streiche auffingen, die ihren armen Brüdern galten, und damit den adelndsten Ritterschlag für alle Zeit erhielten, sie, die in den nächtigsten Jahrhunderten überall in der Bresche standen, wo dem leiblichen oder geistigen Gut der jüdischen Gesamtheit Gefahren drohten, sie, die Parnassim und Manhigim, die Versorger und Führer unserer Gesamtheit, sie sollten auch überall voranstehen, wo es gilt, entarteten Priestern und irreführenden Gelehrten gegenüber, den anvertrauten Gottesschatz, das Heiligtum ihres Volkes zu vertreten. In ihnen sollte der Geist Israels lebendig werden, aus ihrem Mund und ihrem Leben das Muster eines jüdischen Mannes hervorleuchten, in ihrem Ernst der Genius des jüdischen Volkes also entschieden gerüstet dastehen, dass vor seiner Hoheit gottvergessene Priester und gottverkennende Gelehrte vernichtet zurückweichen und ihrem siegreichen Vorangehen willig und freudig das Volk sich anschließe. —
Doch הָרֹעִ֖ים פָּ֣שְׁעוּ בִ֑י, klagt der Gottesvorwurf durch Jeremias Mund. Die Hirten selbst, die Führer des Volkes, die voranwandelnd dem Volk den rechten Weg hätten zeigen sollen, waren von mir abgefallen, hatten mir den Gehorsam gekündigt, und wenn ihnen das Volk nachwandelte, ging es erst vollends ins Verderben. Weh wo die mit Ansehen und Macht Bekleideten in ihrer bevorzugten Stellung nur einen Freibrief erblicken sich von den allen gemeinsamen Pflichten des jüdischen Gottesheiligtums zu entbinden, wo die Größten nicht auch die Besten, und die Höchsten nicht auch die dem Allerhöchsten Gehorsamsten sind. Weh wo in dem Beispiel der Begüterten dem Volk nur Wege voranleuchten, die es nicht gehen, und Grundsätze die es nicht befolgen sollte, und es sie doch als seine Hirten begrüßt, ihnen doch die Leitung seiner Angelegenheiten in Händen lässt und nicht bedenkt, dass wer Führer in Israel sein will sich zuerst als der erste Jude bewährt haben müsse, und wer Gott und seinem heiligen Gesetz den Gehorsam gekündigt, eben darin auch die einzige Macht selber gebrochen, in deren Namen er auf Anerkennung und Willensfolge seiner Brüder rechnen darf. Wehe, wo die Priester Gott vergessen, die Gelehrten Gott nicht kennen und des Volkes Führer — Gott den Gehorsam gekündigt, הָרֹעִ֖ים פָּ֣שְׁעוּ בִ֑י —
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Wenn aber auch alles in Israel morsch geworden, wenn auch alles, was die Herzen des Volkes zu Gott, die Lehre Gottes dem Volk bringen und ihm in Gott treuem Handel und Wandel vorangehen sollte, wenn Priester, Gelehrte und Führer Gott und seinem heiligen Gesetz den Rücken gewandt, wenn Gottesdienst, Wissenschaft und Volksgemeindewesen faul geworden, wenn die Gottessache in Israel verloren zu sein scheint — eine Macht gibt es dann noch, von der Rettung zu hoffen, eine Macht, die eben dann erwacht, wenn alles verloren scheint, die eben aus dem Schmerz über den Verfall Dasein und Kraft gewinnt — das ist die Macht des gottbegeisterten öffentlichen Wortes, das zu seinem Auftreten nicht des Standes und der Herkunft, nicht des Kreditivs eines überwiesenen Berufs bedarf, zu dessen Organ Gott sich seine Männer sucht, gleichviel ob Jesaias gleich ihre Wiege am königlichen Hofe gestanden, oder sie wie Jeremias und Ezechiel dem Priesterstande angehören, oder sie wie Amos der Thekoite[34] als Rinderhirte die Begeisterung gefunden. Gott sendet sie, und sie entreißen dem falschen Gottesdienst seine Schminke, der trunkenen Wissenschaft ihre Kränze, brechen der von Gott abgefallenen Macht den Stab und rütteln das Volk wach, sich und ihre Kinder ihrem Gott zu retten — —
Aber ach, lautet die Gottesklage, [35] וְהַנְּבִאִים֙ נִבְּא֣וּ בַבַּ֔עַל, für Gott und sein heiliges Gesetz war das Wort der Begeisterung verstummt, und was die Kraft des öffentlichen Wortes handhabte, das war für den Baal begeistert, וְאַחֲרֵ֥י לֹֽא־יוֹעִ֖לוּ הָלָֽכוּ [36] oder hatte sich Zwecken und Zielen zugewandt, aus denen das Heil des Volkes nicht erblühen konnte.
Wen Gott als seinen Propheten senden sollte, der musste “ חָכָם “ sein, er musste „weise“ sein, הָרוֹאֶה אֶת הַנּוֹלָד [37], der sich von der trüben oder glänzenden Erscheinung der Dinge in der Gegenwart nicht täuschen lässt, der ein Auge für die Zukunft, für das „Werdende“ hat, der den Menschen und Dingen ins Herz, in die Geburtsstätte der Zukunft schaut und Personen und Zustände nach ihren „Folgen“ würdigt.
Er musste„עָשִׁיר“ , „reich“ sein,[38] שָׂמֵחַ בְּחֶלְקוֹ , für sich nichts wollen, über sein Geschick, seine Persönlichkeit ganz unbekümmert sein, somit einen unbestochenen und unbestechbaren Blick haben, der Menschen und Dinge nicht nach dem beurteilt, was sie ihm sind oder nicht sind, was sie ihm sein können oder nicht sein können, der von Menschen und Dingen für sich weder etwas hat noch erwartet, und für sie nur den einen Maßstab hat, was sie Gott und seiner heiligen Sache sind oder nicht sind.
Er musste, „גִּבּוֹר“ „stark“ sein, [39] הַכּוֹבֵשׁ אֶת יִצְרוֹ, musste an sich selbst erst die siegende Kraft des Gott zugewandten Willens erprobt haben, musste in sich selber niedergekämpft haben alle Begierde und Leidenschaft, alles Gelüste unlauterer Sinnlichkeit, so dass er rein dastand, aus seiner Persönlichkeit das Beispiel der Kämpfe und Siege, aus seinem Leben das Muster der Lauterkeit und Hingebung leuchtete, für die er der Herold des göttlichen Wortes werden sollte.
Die erwählte Gott zu Herolden in seinem Reich und legte seinen Geist auf sie und sein Wort in ihren Mund und seinen Mut in ihre Brust und seine Begeisterung in ihre Seele, und sendete sie aus als Boten seines Wortes und als die Ärzte seines armen, kranken Volkes.
Wenn aber das, was den Geist hatte zu schauen und das Wort hatte zu reden, selber von den Täuschungen der Gegenwart, von den Bestechungen der Selbstsucht, von den Fesseln der Sinnlichkeit befangen war; wenn die Gang- und Gebe-Idole der Völker ihnen das Ideal geworden, für das sie sich begeistern und in deren Huldigung sie auch das alleinige Heil ihres Volkes erblickten; wenn auch die Macht des Geistes und des Wortes dem Baal verkauft war, das Heil da erblickte, wo es nicht zu finden, und sich Zwecken dienstbar machte, die nichts fördern konnten — dann war Israels letzte Hoffnung begraben, dann rief vergebens Gottes Stimme: wen soll ich schicken, wer will für uns gehen, אֶת־מִ֥י אֶשְׁלַ֖ח וּמִ֣י יֵֽלֶךְ־לָ֑נוּ [40]? Er fand keinen für die Sendung, keinen für die Botschaft seines Wortes, und fand er einen, so standen zehn Propheten des Baal gegen einen Propheten des Herrn, — Begeisterung hier, Begeisterung dort, — und das arme, verratene Volk stand mitten inne und kam erst dann zur Besinnung, als die einbrechende Katastrophe, deren Gedächtnis uns der 17. Thamus bringt, die Wahrhaftigkeit der Propheten des Herrn besiegelte und die Täuschungen der Baalspropheten unter Schutt und Trümmer begrub — — —
Darum klagte Jeremias:
‚הַכֹּהֲנִ֗ים לֹ֤א אָֽמְרוּ֙ אַיֵּ֣ה ה
וְתֹפְשֵׂ֤י הַתּוֹרָה֙ לֹ֣א יְדָע֔וּנִי
וְהָרֹעִ֖ים פָּ֣שְׁעוּ בִ֑י
וְהַנְּבִאִים֙ נִבְּא֣וּ בַבַּ֔עַל
וְאַחֲרֵ֥י לֹֽא־יוֹעִ֖לוּ הָלָֽכוּ׃
לָכֵ֗ן עֹ֛ד אָרִ֥יב אִתְּכֶ֖ם נְאֻם־ה‘
וְאֶת־בְּנֵ֥י בְנֵיכֶ֖ם אָרִֽיב׃[41]
So Jeremias — und wir? Wir, auf die vielleicht auch das göttliche Wort hinschaute, als es der Kindes Kinder gedachte, wir?? —
[1] Drei Wochen: vom 17. Thamus bis zum 9. Av
[2] Jeremia 2:4
[3] www.sefaria.org: Pesikta Rabbati („Große Abschnitte“) ist ein mittelalterliches Midraschbuch über wöchentliche Tora-Lesungen und solche, die zu besonderen Anlässen gelesen werden. Der Begriff „Rabbati“ (groß) soll das Werk von der früheren und kleineren Pesikta d’Rav Kahana unterscheiden. Pesikta Rabbati enthält Midraschim aus der Pesikta d’Rav Kahana und anderen früheren Quellen. Zusammengesetzt: Talmudisches Israel (ca. 600 – ca. 900 n. Chr.)
[4] Jeremia 2:4-9
[5] Jeremia 2:5
[6] Jesaja 51:17
[7] Priester
[8] Handhaber der Thora
[9] Führer
[10] Propheten
[11] Jeremia 2:8
[12] Exodus 20:21; “an jedem Orte, wo ich meines Namens gedacht wissen will“ (Übersetzung Rabbiner S.R. Hirsch)
[13] ebenda
[14] Gebetseinschaltungen an Feiertagen
[15] Wikipedia: Als Schulchan Aruch (hebräisch שולחן ערוך „gedeckter Tisch“) wird die im 16. Jahrhundert von Josef Karo verfasste und im Folgenden von mehreren Rabbinergenerationen überarbeitete autoritative Zusammenfassung religiöser Vorschriften (Halachot) des Judentums bezeichnet.
[16] Firmelung = Firmung, hier in der Bedeutung der Bestärkung und Bekräftigung der Glaubenslehre
[17] Jesaja 2:8
[18] Mörtel, zum Verputzen der Wände
[19] Art und Weise Dinge zu tun, Methode
[20] Teil der Sittenlehre, der für mögliche Fälle des praktischen Lebens anhand eines Systems von Geboten das rechte Verhalten bestimmt
[21] Die Paitanin waren eine Gruppe von jüdischen Gelehrten in der Tannaiten-Periode, also vor etwa 1.800 Jahren.
[22] Jesaja 29:11; „Dass die Schau jeglichen Dinges euch geworden ist wie die Worte eines versiegelten Buches,“ (Übersetzung Rabbiner Dr. S. Bernfeld)
[23] Im Ingenieurwesen: die zeichnerische Planung oder Erfassung eines dreidimensionalen Gegenstandes oder eines Gebäudes auf einer horizontalen oder vertikalen Bildebene. Hier die „Tafeln“ mit den 10 Geboten
[24] Vorwort von Ramban zu Genesis
[25] Exodus 19:5
[26] Das Wissen von Gott
[27] Pescheräh, früherer Name der Eingeborenen des Feuerlandes
[28] Die Huronen, auch Wyandot genannt, sind ein nordamerikanisches Indianervolk
[29] Jeremia 22: 15-16; „Glaubst du wirklich zu herrschen, wenn du in Zedern weiteiferst? Dein Vater hat gegessen und getrunken, aber nur wenn er Recht und Milde geübt hat, war ihm wohl! Er sprach Recht dem Armen, dem Wehrlosen — und besaß damit das Gute: das heißt eben Mich kennen, spricht Gott!“ (Übersetzung Rabbiner Dr. Joseph Breuer)
[30] Mishneh Thora, Kapitel 5; So wie der Weise an seiner Weisheit und Einsicht erkannt wird, und sich dadurch vor dem übrigen Volke auszeichnet, so sollen ihn auch seine Handlungen: Essen, Trinken, Verrichtung der Notdurft, Sprache, Gang, Kleidung, Unterhaltung und Geschäfte als solchen auszeichnen. Alle diese Handlungen sollen geordnet und geregelt verrichtet werden. (Übersetzung Leon Mandelstamm)
[31] Deuteronomium 33:2: אש דת
[32] Am Tag seiner Bar-Mitzwa
[33] Beim Aufruf zur Thora sagt der Bar-Mitza erstmalig: ברכו את ה‘ המבורך und die Gemeinde antwortet: ברוך ה‘ המבורך לעולם ועד
[34] Aus der Stadt Tekoa
[35] Jeremia 2:8; “die Propheten prophezeiten dem Baal“
[36] Ebenda; „da gingen sie dann dem nach, was nichts nützt.“
[37] Pirke Avot 2:9; „der die Folgen voraussieht“
[38] Pirke Avot 4:1: “Ben Soma spricht: Wer ist weise? Wer von jedem Menschen lernt, denn es heißt (Ps. 119,99) : „Von Allen, die mich belehrten, bin ich weise geworden (denn deine Zeugnisse sind meine Unterhaltung).“ Wer ist stark? Wer seine Leidenschaft bezwingt, denn es heißt (Spr. 16,32): „Besser ist der Langmütige, als ein Held, und wer sein Gemüt beherrscht, als ein Städtebezwinger.“ Wer ist reich? Wer mit seinem Teile sich freut, denn es heißt (Ps. 128,2): „Wenn du deiner Hände Mühen genießest, Heil dir und wohl dir!“ — „Heil dir“ in dieser Welt, „und wohl dir“ in der zukünftigen Welt. Wer ist geehrt? Wer die Menschen ehrt, denn es heißt (1. Sam. 2,30): „Denn meine Verehrer bringe ich zu Ehren, und meine Verächter werden entwürdigt.“” (Übersetzung Mischnajot mit deutscher Übersetzung und Erklärung. Berlin 1887-1933)
[39] Pirke Avot 4:1
[40] Jesaja 6:8
[41] Jeremia 2:8-9