Das Mädchen aus der Fremde Friedrich von Schiller In einem Tal bei armen Hirten Erschien mit jedem jungen Jahr, Sobald die ersten Lerchen schwirrten, Ein Mädchen schön und wunderbar. Sie war nicht in dem Tal geboren, Man wusste nicht, woher sie kam, Doch schnell war ihre Spur verloren, Sobald das Mädchen Abschied nahm. Beseligend war ihre Nähe, Und alle Herzen wurden weit, Doch eine Würde, eine Höhe Entfernte die Vertraulichkeit. Sie brachte Blumen mit und Früchte, Gereift auf einer andern Flur, In einem andern Sonnenlichte, In einer glücklichern Natur. Und teilte jedem eine Gabe, Dem Früchte, jenem Blumen aus, Der Jüngling und der Greis am Stabe, Ein jeder ging beschenkt nach Haus. Willkommen waren alle Gäste, Doch nahte sich ein liebend Paar, Dem reichte sie der Gabe beste, Der Blumen allerschönste dar. | Singerlein Friedrich Wilhelm Weber Er ist ein armes Singerlein, Recht fromm und ungelehrt, Er geht das Land hinaus, hinein Und singt, wo man’s begehrt. Was singt er denn? Ein Sprüchlein nur Nach e i n e r Melodie; Das klingt so hell durch Wald und Flur: Gegrüßt s e i s t Du, Marie! Wohl warb er nie mit hoher Kunst Um Güter dieser Welt; Auf Herrengnade, Frauengunst War nie sein Sinn gestellt. Sein Mantel zeigt, sein kahler Hut, Wie karg sein Glück gedieh, Doch singt er frisch und wohlgemut: Gegrüßt seist Du, Marie! Sonst wusst‘ er Lieder mancher Art Von neuem Ton und Klang, Die er auch heitrer Wanderfahrt In Burg und Weiler sang. Vergessen sind sie allzumal, Er selber weiß nicht, wie? Doch singt er hell in Berg und Tal: Gegrüßt seist Du, Marie! Und wenn der schöne Sommer floh, Dann trauert Wald und Au; Das Singerlein ist frühlingsfroh Und grüßt die heil’ge Frau. Und weht der Lenz durch Busch und Strauch, Sein einzig Lied ist Sie, Und alle Vöglein singen auch: Gegrüßt seist Du, Marie! Ein Kirchlein steht im Ödeland An einem Brönnlein klar; Er kühlt die Stirn mit heißer Hand Und bringt sein Sträußlein dar. Er neigt sein Haupt, die Träne rinnt, Er beugt sein müdes Knie, Und sanft verweht im Abendwind: Gegrüßt seist Du, Marie! Und kommt er vor die Himmelstür Nach mancher Not und Pein, Der Schließer fragt: „Wer steht dafür?“ „Ein armes Singerlein!“ Und tut sich auf das Pförtlein schmal, Dann singt er, hell wie nie, Hinein in Gottes Freudensaal: Gegrüßt seist Du, Marie! |