5. Vorstandssünden

 Allein, lo hammidrasch ickar ela hamma-asse![1] Es könnte vielleicht noch immer sein, dass dem Prinzip nach, sie die schwarzen und wir die weißen wären, und dennoch wäre ihre Handlungsweise, ihr Verfahren weiß und unseres schwärzer noch als schwarz.

Klagt uns der Autor der religiösen Wirren ja an, wir seien die verfolgungssüchtige Partei, die die Drachensaat des Hasses und der Zwietracht in ein friedliches Gemeinwesen streuen, die rachsüchtig wie die Schlangen, zu den gefährlichsten Zeitauswüchsen gehörten, die das züchtigende Schwert der Staatsregierungen ausjäten müsste — sie und ihr Vorstand aber seien die engelreinen, milden Hilleljünger[2], die keinem Menschen je zu nahe treten, die selbst den strengen orthodoxen Gliedern ihrer Gemeinde gerecht zu werden suchen, und deren Verfahrungsweise nichts, als den praktischen Kommentar des: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“[3] bildet.

Wohlan, so ist es denn einmal Zeit, Umschau zu halten, wer in dieses friedliche Gemeinwesen die Drachensaat der Zwietracht gesät, wer hier Verfolgung geübt hat und noch bis auf die jetzige Stunde übt, ist es einmal Zeit, das ganze Treiben dieser „Religion im Bunde mit dem Fortschritt“ und ihrer Vorstände zu beleuchten, einmal aktenmäßig darzutun, wer hier am Mainstrande seit 30 Jahren das Banner des verfolgungssüchtigsten Fanatismus geschwungen, Zeit, einmal dem hiesigen israelitischen Gemeindevorstand sein Sündenregister aufzumachen, und zu zeigen, welche Tyrannei und Verfolgung, welche Gewalt und Gewissenlosigkeit, welche Herzlosigkeit und Barbarei hier, unter dem Deckmantel der Zivilisation, der Toleranz, der Aufklärung, und wie die schönen Worte sonst noch lauten mögen, seit mehr als 30 Jahren verübt worden.

Mit der Sicherheit des Instinkts der Leidenschaft, wusste dieser Vorstand von Anfang an das Judentum in seinem Lebensnerv zu treffen und kündigte der religiösen Kenntnis der jüdischen Bekenntnisschriften, kündigte der Thorakenntnis, im Kreis seiner Gemeinde, den Krieg der Vernichtung an.

Unbesiegbar, das hatte er (der Vorstand) herausgefühlt, ist ja das Judentum, solange der Geist der heiligen jüdischen Schriften in der Brust seiner Bekenner lebt. So lange Jung und Alt selbst zu dem frischen Urborn der religiösen Kenntnis wandeln kann, so lange das Buch der Bücher und die Weisheit der Vorderen keine mit sieben Siegeln verschlossene, nur dem „Eingeweihten“ verständliche Rätselsphinx bildet, solange die Thora, wie ihr Urheber sie bestimmte, „Gemeingut der ganzen Jakobsgemeinde“ bleibt, und nicht zum Standesstudium einer Kaste herabgewürdigt wird, so lange kann kein Pfaffentum und keine Hierarchie und keine geistliche Herrschaft und kein Dragonadenmanoeuvre[4] jüdischer Vorstände aufkommen. So lange kann kein Rabbiner ein Judentum seiner Phantasie vorführen, solange kein Vorstand seine Hand an das Allerheiligste unter dem Vorwand, „es sei Missbrauch“ legen, solange steht in jedem „Judenjungen“ ein Streiter Gottes da, und jeder Mann in Israel ist zugleich Priester und Mann.

Seht euch einmal an das alte Judentum, dass diese Herren von der Religion im Bunde mit dem Fortschritt die Infamie haben, mit Hierarchie und Jesuitismus und Dunkelmännerei und mit, Gott weiß, was für pfäffischem Gelüste zu identifizieren. Seht es euch auch nur einmal unter diesem einen Gesichtspunkt an, und ermesst die Größe dieser Infamie! Eine religiöse Genossenschaft, die als allererste und heiligste Pflicht, die allseitigste Verbreitung der eigenen Quellenkenntnis der heiligen Bekenntnisschriften unter allen ihren Gliedern unermüdet lehrt und anstrebt, deren „Geistliche“ von jeher als höchste, ja als vorwiegendste Aufgabe anerkennen, sich überflüssig zu machen in der Gemeinde l’harbitz thora b’Israel[5], die „Theologie“ in die Gemeinde zu pflanzen, und die ihren höchsten Ruhm darin zu finden hätten, alle ihre Genossen von Klein bis Groß zu „Theologen“ zu bilden, dass die Gemeinde Gottes allesamt „ein Reich von Priestern“ werde und „der Geist“ Gottes auf allen ruhe, in welcher nur die Gesetzkunde Autorität gibt, weder Barett[6] noch Talar[7] etwas gilt, wo ein Wort nur Wert und Geltung hat, so es den, allen zugänglichen, allen bekannten Worten der Gotteslehre adäquat ist, — ein solcher Kreis duldet keinerlei geistliche Anmaßung und keinerlei Tyrannei einer kirchlichen Bürokratie, in einem solchen Kreis gilt überhaupt keine Persönlichkeit, nur das Wort Gottes, das Gottesgesetz herrscht und schafft sich Geltung und weiht den, der es lehrt und weiht den, der es übt, einerlei, ob es durch den Schuhmacher oder Schneider, den Kaufmann oder Gelehrten vertreten wird, — — und eine solche alte jüdische Gemeinde fand der Vorstand vor, als er sein Regiment antrat. Das fühlte er daher gleich heraus, wo die Thora blüht und herrscht, kann ein solcher Vorstand nicht herrschen. Erst wenn die religiöse Unkunde der Gemeinde mit der religiösen Unkunde des Vorstandes auf gleichem Niveau steht, und das sogenannt Religiöse nur einen Kundigen, „den Geistlichen“, in der Gemeinde zählt — erst dann kann ein solcher Vorstand ungehindert sein reformatorisches Gelüste wagen, die immer bereitwillige Sanktion aus dem Mund seines Geistlichen erwarten, und Vorstand und Geistlicher, und Geistlicher und Vorstand der Gemeinde unbewusst ihren Gott und ihre Religion eskamotieren[8].

Darum übte dieser Vorstand vom Anfang seines Regimentes ein unerhörtes System der Verfolgung gegen die Kenntnis, ja gegen die bloße Beschäftigung mit den religiösen Bekenntnisschriften, verfolgte offenkundig das Ziel, die Erwachsenen dem Studium dieser Schriften, der ersten Pflicht eines jeden Juden, immer mehr zu entfremden, die heranwachsende Generation aber völlig dieser Kenntnis zu entführen, und erlaubte sich zu diesem Ziel, die unerhörtesten Mittel bis zum schnödesten Eingriff ins Privatrecht und in das Recht der Gewissensfreiheit.

Es ist dies eine schwere Anklage? hier sind die Belege.

Vom Jahre 1818 bis 1838, war es durch die Insinuation[9] des Vorstandes, in Frankfurt am Main, dieser Ir waëm bisraël[10] zu einem strafwürdigen, durch polizeiliche Hilfe zu steuernden Verbrechen geworden, die Jugend im Urtexte der Bibel und im Talmud zu unterrichten.

Noch leben die Männer, die damals als Knaben und Jünglinge vor dem gewaltigen Arm des Vorstandes mit ihren Lehrbüchern aus den Schulen auf Böden, in Hütten flüchten mussten.

Vierzig Jahre lang hatte die Anstalt, als Werk freiwilliger Wohltätigkeit zur Pflege des talmudischen Unterrichts, in der Gemeinde bestanden, und namhafte, in der Gemeinde geachtete Männer, deren Liste noch vorliegt, waren aus ihr hervorgegangen.

Allein dem Vorstand genügte nicht, dem hebräischen Unterricht in dem seinen Auspizien[11] unterstehenden Philanthropin[12] fast jeden Boden versagt zu haben, er wollte ihn überhaupt in dem ganzen Weichbild seines Regimentes nicht dulden. Bis in den letzten Zufluchtswinkel verfolgte er Lehrer und Schüler, erwirkte Verweisung der Lehrer aus der Stadt, und den hochherzigen, wohltätigen Männern, die sich der Fürsorge dieses Unterrichts mit hingebender Liebe unterzogen, ward die Fortsetzung des gottgefälligen Werkes bei 50 Gulden Strafe für jeden untersagt.

Die über diese Angelegenheit vom 18. Dezember 1837 bis 12. Februar 1838 bei hoher Behörde geführten Akten, liegen noch nebst dazu gehörigen Anlagen vor.

Im Jahre 1838 musste der Titel: „Winkelschule“[13] den formalen Rechtsgrund zur Verfolgung hergeben; allein schon im Jahre 1819 hatte eine gehörige sich der Genehmigung hoher Obrigkeit unterstellende Unterrichtsanstalt innerhalb der Gemeinde für den Talmud in Verbindung mit den Gegenständen des allgemeinen bürgerlichen Unterrichtes — der jüngst von der Religionsgesellschaft ins Leben Gerufenen ähnlich — begründet werden sollen. 50.000 fl.[14], sage fünfzigtausend Gulden, lagen für diesen Zweck durch Vermächtnis des sel. Model Schuster bereit, waren bereits in Händen Dritter für diesen Zweck deponiert, und sollten einem Bedürfnis Befriedigung bringen, für welches bereits jahrelang die gesetztreuen Juden, die den verderblichen Einfluss des Philanthropins auf die Religiosität ihrer Kinder beklagten, vergebens petitioniert. Wie nichts anderes segensreich hätte es den Frieden erhalten, und hätte all den traurigen Zerwürfnissen, die wir bis heute beklagen, vorgebeugt, hätte neben dem Philanthropin innerhalb der Gemeinde bereits vor 30 Jahren eine solche Anstalt auch dem Unterrichtsbedürfnis der treugebliebenen Juden genügt. — Allein dem Fanatismus des Vorstandes war schon damals eine solche Anstalt ein Dorn im Auge, und seinen Insinuationen und Anschwärzungen des Talmuds gelang es eine so heilsame Stiftung zu hintertreiben. Noch im Jahre 1838 rühmt er sich solchen Werkes als eines Aktes „weiser Fürsorge für das Wohl der Gemeinde“ und erzählt selbst in seiner Klagebegründungsschrift an den Herrn Kommissarius:

„Im Jahre 1818 fanden sie — (die Gemeindeglieder, die der Jugendbildung eine ihren religiösen Überzeugungen entsprechende Richtung geben wollten!) — in dem verstorbenen Gemeindegliede Model Schuster einen eifrigen Berförderer ihrer Pläne. Derselbe bestimmte in seinem damals errichteten Testament ein ansehnliches Stiftungskapital von 50.000 — 60.000 fl. für eine Talmudschule, und suchte noch bei seinen Lebzeiten diese Stiftung in seinem Haus in Gang zu bringen. Er beschränkte sich hierbei nicht auf den Talmud, sondern engagierte auch Lehrer für andere Fächer. In weiser Fürsorge für das Wohl unserer Gemeinde, sahen sich Ew. Hochwohlgeboren hierdurch bewogen, über dieses beabsichtigte, wenig Ersprießliches für die Erziehung der Jugend versprechende Institut ihre Bedenken an Hohen Senat gelangen zu lassen, was zur Folge hatte, dass Hochderselbe die kräftigsten Maßregeln zur Einstellung dieser Unterrichtserteilung ergriff.“

Aber nicht der Talmud und der religiöse Jugendunterricht allein war Gegenstand der Verfolgung dieses Vorstandes; bis in die Privatbefriedigung des Belehrungs- und Erbauungsbedürfnisses Erwachsener aus dem Pentateuch und den Propheten griff der Arm seiner Feindseligkeit ein, und nicht einmal in ihren häuslichen Zusammenkünften sollten die, dem väterlichen Glauben treugebliebenen Jünglinge und Männer sich ferner um das Wort Gottes sammeln und Licht und Trost und Kraft und Mut aus dem Borne des ewigen Lebens gemeinschaftlich schöpfen dürfen!

Seit undenklicher Zeit hatte in der Gemeinde eine wohltätige Gesellschaft unter dem Namen Zizit-Verein bestanden, deren Glieder sich von je her allsabbatlich nach dem öffentlichen Gottesdienst in einem Privatlokal versammelten, um sich, wie es noch in deren uns vorliegenden Eingabe vom 22. Februar 1842, heißt: durch religiöse Vorträge zur Erläuterung und nützlichen Anwendung bestimmter Abschnitte aus dem Pentateuch und den Propheten zu erbauen. Die Vorträge wurden entweder durch schriftkundige Mitglieder des Vereins abwechselnd oder durch einen bestimmten, von ihnen hierzu erwählten Schriftkundigen gehalten.

Im Jahre 1842 wurden auch diese Belehrungen aus dem Pentateuch und den Propheten als ein strafwürdiges Verbrechen befunden und auf Betrieb des Vorstandes der „israelitischen“ Gemeinde, den „Israeliten“ seiner Gemeinde, die „israelitische“ Erbauung aus dem Gottesworte verboten. Die Vorträge mussten geschlossen werden.

Während der jüdische Vorstand einen solchen offenen Verfolgungskrieg gegen den Unterricht und die Belehrung aus den jüdischen Bekenntnisschriften führte, setzte er in gleicher Weise den Kampf gegen die Erfüllung der heiligsten jüdischen Religionspflichten, teils durch offene Verfolgung der Personen, teils durch obstinate Verwahrlosung der sie bedingenden religiösen Institute fort.

So lange Juden Juden waren auf Erden, war die freiwillige Hingebung zur Erfüllung brüderlicher Liebespflichten gegen Arme und Kranke, gegen Sterbende und Tote, der Stolz und der Adel der Gemeinden. Keine heiligere Pflicht kennt unsere Religion, als die uneigennützige, fromme Bruderliebe, die einem Hingeschiedenen erwiesen wird, von dem ja nicht einmal ein Dank mehr zu erwarten ist. Jahrhunderte herab bestanden in allen jüdischen Gemeinden und auch in der hiesigen, fromme Brüdergesellschaften, denen mit der Pflichtübernahme auch das ausschließliche Recht geworden, diese beschwerdevollen, heiligen Pflichten aus reinem Pflichtgefühl unentgeltlich zu üben. Und dieses Vorrecht war ein so großes, und die treue Erfüllung dieser Pflichten gewährte ein so lohnendes Bewusstsein, dass nur eine beschränkte Zahl die Aufnahme in diese Gesellschaften fand, und nur die unbescholtensten, wackersten Männer der Gemeinde, oft gegen schwere Geldopfer vieler Hunderte zu wohltätigen Zwecken, zugelassen wurden. Da sah man die Reichsten, die Angesehendsten, die Besten der Gemeinde zu jeder Zeit und jeder Stunde, in die zerfallendste Hütte des Ärmsten, in Sturm und Wetter, an das Sterbelager des mit ansteckendster, ekelhaftester Krankheit Behafteten eilen, — und der Ärmste hatte das tröstende Bewusstsein, in seiner Sterbestunde die wohltätigsten und vermögendsten Brüder um sich und seine verlassene Familie zu sehen.

Sollte man es glauben, dass selbst diese, durch ihre reinste Humanität selbst einem rohen Barbaren Ehrfurcht einflößenden Institutionen der Verfolgungssucht des Vorstandes auf die schnödeste, rücksichtsloseste Weise zum Opfer fielen?

Ohne die Gesellschaften auch nur darum begrüßt, ja ohne ihnen auch nur zuvor eine Mitteilung gemacht zu haben, und ebenso ohne sich darüber mit dem damaligen Rabbiner beraten zu haben, obgleich die hier in Frage kommenden religionsgesetzlichen Bestimmungen ausschließlich zu seinem Ressort gehörten — dekretierte der Vorstand an einem schönen Herbstmorgen des Jahres 1841 in mehr als sultanischem plein pouvoir[15] eine neue Begräbnisordnung, mit welcher er auf die widerrechtlichste Weise in das nach Jahrtausenden zählende Recht dieser Gesellschaften eingriff, sie der wesentlichsten Funktionen, die sie seit mehreren Jahrhunderten verrichteten, gewaltsam enthob und das, was bis dahin die reinste Religiosität und die uneigennützigste Humanität ausübte — bezahlten Mietlingen überwies — weil die sich leichter in ein gleichförmiges, schwarzes Leichenornat stecken ließen und ja der äußere Staat, die „Uniform,“ mehr gilt, als das warme, in frommer Pietät schlagende Herz.

Das ist aber so ganz im Geist dieser Religion im Bunde mit dem Fortschritt. Der sogenannte Anstand gilt alles, und das Gemüt zählt nicht mit, der Beifall der Welt ersetzt den Beifall Gottes und des Gewissens, und ein, in gutmütiger, gutgemeinter Unkunde beifälliges Zulächeln einer nichtjüdischen Persönlichkeit wiegt tausende, von Kummer gebrochene, jüdische Bruderherzen auf. —

Es liegt uns noch der gedruckte, würdig gehaltene, Eingriff, Beleidigung und Anmaßung zurückweisende, im übrigen Bereitwilligkeit zur Vornahme wirklicher Verbesserung ausdrückende Protest der Begräbnisgesellschaften vom 10. November 1841 vor.

Der Protest blieb ohne den gewünschten Erfolg.

Neben diesem direktem Verfolgungssystem hatte sich der Vorstand der hiesigen israelitischen Religionsgemeinde hinsichtlich fast aller, das Judentum tragenden religiösen Gemeindeinstitute das „Jire ad scheisthaeb[16]“ zu Deutsch: „Es grase bis es faul werde“, zum klugberechneten Unterminierungsprinzip gemacht.

Es liegen uns Beschwerdeschriften aus den Jahren 1837 und 1838 vor, aus denen wir in dieser Beziehung folgende Data hervorheben.

Vergebens hatten im Jahre 1837 200 Mitglieder der Gemeinde, das Rabbinat an ihrer Spitze, um Restaurierung und würdigere Ausstattung der beiden, in Verfall geratenen Hauptsynagogen, und um Herstellung einer besseren Synagogenordnung gebeten, ja sogar sich anheischig gemacht, die Kosten aus eigenen Mitteln herbeizuschaffen. Das Gesuch blieb unberücksichtigt und das Gotteshaus dem Verfall anheim.

Vergebens hatten die vielfältigsten Vorstellungen, um Herstellung und Verbesserung des ganz in Verfall geratenen Frauenbades gebeten. Vergebens sich sogar ein großer Teil der Gemeinde erboten, die Kosten herbeizuschaffen. Diese Anstalt, die für den gewissenhaften Juden zur Erfüllung einer der heiligsten, unverbrüchlichsten Religionspflichten unentbehrlich ist, blieb in einem so verwahrlosten Zustand, dass Frauen der großen Gemeinde Frankfurt, zur Erfüllung ihrer heiligen Gewissenspflichten, zu den Bädern der benachbarten kleinen Gemeinden, in Bockenheim und Offenbach, ihre Zuflucht nehmen mussten.

Jüdischen Gefangenen und Kranken, welche sich in christlichen Hospitälern befanden, wurde von je her aus der Gemeindekasse das Essen verabreicht, um sie nicht in die Notwendigkeit zu versetzen, durch verbotene Speisen ihr Gewissen zu beschweren. Diese religiöse und wohltätige Vorsorge wurde vom Vorstand abgeschafft, und überhaupt allem und jedem jüdisch-religiösen Gesetz offen und prinzipiell Hohn gesprochen, und z. B., als bei einer unternommenen Reparatur des Gemeindespitals das Bauen am Sabbath vom Rabbinat auf gemachte Anfrage untersagt worden, vom Vorstand, diesen Ausspruch nicht achtend, den Werkmeistern der Befehl erteilt, mit dem Bau auch am Samstag fortzufahren. Vergebens demonstrierten die würdigen Spitalmeister, unter deren Aufsicht die Reparatur unternommen wurde. Vergebens erbot sich sogar der eine derselben die Kosten der Verzögerung aus eigenen Mitteln hergeben zu wollen. Der Sabbath musste öffentlich entweihet werden und die Spitalmeister, um ihr Gewissen nicht mit ähnlichen religionswidrigen Handlungen zu belasten, ihr Amt niederlegen.

Willkürliche, den Gottesdienst herabwürdigende und dem Gespött preisgebende Anstellung von Synagogen-Bediensteten ohne solche, wegen ihrer Befähigung und Tauglichkeit vom Rabbinat prüfen zu lassen, jahrelange Vakanz der zweiten Rabbinerstelle — Vernachlässigung und gänzliche Nichtüberwachung des religiösen Unterrichtes der Jugend — bilden noch besonders Gegenstände dieser Beschwerden, und erkennen die Beschwerdeführer in allen diesen Vernachlässigungen die systematische Absicht, die durch diese Institutionen bedingte „Ausübung der Religionsschriften in Abnahme zu bringen,“ ein System, das sich umso leichter erklären lasse, „wenn man erwägt, von welchen Religionsprinzipien der Vorstand beseelt sei, indem derselbe sich nicht scheute, in seinem Bericht an den Herrn Senator Ihm d. d.[17] 2. Febr. 1838 zu sagen, dass der Wert unserer kanonischen Bücher, woraus unsere Religion geschöpft, in Frage gestellt und in Zweifel zu ziehen sei.“

Wie richtig diese Beschwerdeführer den Kern des Ganzen erkannt, und wie treu sich dieser esprit de corps[18] in der Korporation des Vorstands herabgeerbt, ist daraus ersichtlich, dass auch nach einem Vorstandsbericht vom 13. Mai 1850 die Anstalten für das Passahmehl, für die Sabbatspeisen, für das Frauenbad, eigentlich nur für die noch Wert haben und von denen erhalten werden müssten, „die in allen diesen Zeremonien das eigentlich jüdisch Religiöse finden!“

Durch welche Mittel hatte aber dieser Vorstand eine solche, in einer jüdischen Gemeinde unerhörte Macht erlangt, in unbeschränkter Willkür mit dem Heiligsten umspringen zu können, die Rechte der treuen Anhänger der väterlichen Religion schnöde mit Füßen zu treten, und dieser Religion selbst jeden Halt und jeden Boden in der Gemeinde zu entziehen? Auch darüber geben die noch vorliegenden Akten vollständigen Aufschluss. Beseitigung aller gesetzmäßigen Kontrolle, Überschreitung aller gesetzmäßig limitierten Befugnisse, Anschwärzung des von ihm verfolgten, alten Judentums als eines Systems der Rohheit und der Unkultur, das waren die Mittel, durch welche der Vorstand den Bau seiner autokratischen Willkür unablässig ausführte, und, durch den mehr faktischen als rechtlichen Bestand, der seit 1808 wechselnden jüdischen Gemeindeverhältnisse begünstigt, auch ausführen konnte.

Bis zum Jahre 1808 gewährleistete die alte reichsstädtische Verfassung die allein auch dem jüdisch religiösen Gemeinderecht gemäß Achtung des Rechtes einer jeden Religionsgemeinde, ihre inneren Angelegenheiten, wie sie es zweckmäßig erachtet, durch von ihr selbst frei gewählte Vertreter zu ordnen und zu verwalten. Die mit dem Jahre 1808 eintretende Epoche der fürstlichen Regierung, brach diese natur- und rechtgemäße Verwaltung der jüdischen Religionsgemeinde, indem sie derselben vom Regenten ernannte Vorsteher gab.

Die großherzogliche Verfassung von 1812, brachte diesem Bruch umso weniger die erforderliche Heilung, als gerade diejenigen Bestimmungen, welche die dem jüdischen Gemeinwesen aufgedrungene Autokratie paralysieren, und somit weniger unheilvoll machten sollten, unausgeführt blieben, und der Vorstand, der, aus rechtlichen Männern bestehend, von selbst und vor allem berufen und verpflichtet gewesen wäre, auf deren Ausführung zu dringen, diesen Zustand der Halbheit vielmehr benutzte, auch diejenigen Attribute in sich zu vereinen, für welche die vorschriftmäßigen Träger zu schaffen unterlassen blieb, und so nach und nach von einer Anmaßung zur andern fortschreitend, zuletzt das ganze administrative und religiöse Gemeinwesen widerrechtlich allein repräsentierte.

Bis in das Jahr 1838 hinein reichen die Klagen darüber, dass, während die unter dem Namen „Israelitische Verwaltungsbehörde,“ aus neun Mitgliedern angeordnete Stelle, ausdrücklich nur auf die inneren administrativen Geschäfte der israelitischen Religionsgemeinde angewiesen worden, alle eigentlich kirchlichen und Religionssachen von der Kompetenz dieser Behörde ausgeschlossen und dem Rabbinat überwiesen, resp. der ganzen Gemeinde und den zu deren Vertretung bestimmten 15 Notabeln vorbehalten wären; während ferner alle 3 Jahre vier und resp. fünf Mitglieder der Verwaltungsbehörde austreten;

ferner endlich die Verwaltungsbehörde, jährlich Rechnung zuerst den Notabeln, und sodann dem Präfekten ablegen sollte;

allem diesen zuwidergehandelt werde;

die meisten Mitglieder dieser Behörde, statt nach gesetzlicher Vorschrift nach 3 Jahren auszutreten, ununterbrochen 20, 25, ja 30 Jahre im Amt geblieben;

die Verwaltungsbehörde im Erledigungsfalle, statt vorschriftsmäßig die neue Wahl durch die 15 Vertreter der Gemeinde (Notabeln) zu veranlassen, sich stets selbst ergänzt habe;

die neu zu Wählenden, nicht aus der ganzen Gemeinde, sondern nur aus dem geschlossenen Kolleg „zur Harmonie“ genommen worden;

weder der Gemeinde noch ihren Vertretern Rechnung abgelegt;

diese Vertreter überhaupt gar nicht kreiert worden;

die „Israelitische Verwaltungsbehörde“ mit einemmal im Jahre 1833 unter dem Namen „Vorstand der Isr. Gemeinde“ aufgetreten sei;

und ebenso in ungesetzlicher Kompetenzüberschreitung im Jahre 1838 eine „Synagogensektion“ unter sich kreierte;

überhaupt die gesetzlich dem Rabbinat schuldige Achtung und Autorität immer mehr schnöde hintangesetzt,

und fast alle wohltätigen Anordnungen des großherzoglichen Dekrets vom Jahre 1812, wodurch die Religion, der Kultus und Ritus der Israeliten erhalten, gesichert und veredelt, oder der Gemeinde durch Aufstellung unabhängiger Vertreter eine Garantie ihrer wichtigsten Rechte gegeben werden sollte, nicht zur Ausführung gelangt, vielmehr die gesetzliche Nichtkompetenz der Verwaltungsbehörde in allen eigentlich kirchlichen und Religionssachen unbeachtet geblieben, und die Einmischungen und Übergriffe der Verwaltungsbehörde in dieses ihr fremde Gebiet, welches das Gesetz dem Rabbinat angewiesen, resp. der ganzen Gemeinde und deren Vertretern vorbehalten, immer häufiger und schreiender geworden!!!

Das Ungesetzliche dieses ganzen Zustandes, lag so am Tage, dass auch Dr. Bender in seiner Schrift über „den früheren und jetzigen Zustand der Israeliten zu Frankfurt 1833. Seite 142, zu §. 19. S. 86, die Berichtigung beifügt:

„Die dermalige israelitische Gemeindeverwaltung, wie sie hier angegeben worden, ist nur de facto nicht de jure so gestaltet, und dürfte eigentlich nach der in großherzoglicher Zeit gehabten Form einzurichten, und herzustellen sein.“

In der Tat auch erwuchs die diktatorische Gewalt des Vorstandes zu einer so monströsen Größe, dass sie keine Autorität weiter neben sich duldete. Namentlich ward das Ansehen des Rabbinates, dieser eigentlichen Religionsbehörde zu einer völligen Null herabgewürdigt. In seiner gesetzlichen Gliederzahl blieb es unergänzt, selbst in rein religiösen Kultussachen, musste es den Vorstand als seine vorgesetzte Behörde anerkennen und wiederholt wurde es darauf hingewiesen, dass es sich in allen Dingen zunächst an den Vorstand zu wenden und dessen Anordnungen zu beachten habe.

Welch einen zersetzenden, alles zerstörenden Einfluss aber dieser ungesetzliche, oder wie man euphemistisch spricht, dieser faktische Zustand auf das ganze jüdische religiöse Gemeinwesen haben musste, konnten freilich nur die religiösen Glieder dieses Gemeinwesens erkennen. Die außerhalb des Judentums stehenden, sahen nur den Firniss der modernen Kultur und Bildung, priesen die Zustände heilvoll, die solche Wunder erzeugten, und wurden über die ausgebrannte Grabesstätte alles Religiösen getäuscht, welche diese gleißende Hülle verdeckte.

Das Jahr 1839 sollte endlich den wiederholt an den hohen Senat gelangten Beschwerden durch das „Regulativ“ Abhilfe bringen. Leider aber wurde durch dasselbe das Übel nicht an der Wurzel gegriffen, und fast nur die einmal faktisch gewordenen Zustände nun auch noch gesetzlich begründet.

 Obgleich die Gemeinde endlich ihre so lange vermissten Vertreter (die früher verheißenen Notabeln) erhalten sollte, so bot doch der dafür bestimmte Wahlmodus, einem Körper gegenüber, der bis dahin mit so alleinherrschender Gewalt regiert hatte, zu wenig Garantien, als dass es diesem nicht gelingen sollte, auch diese Vertreter aus der Zahl seiner Anhänger hervorgehen zu sehen. War ja überhaupt durch das mehr als 30 Jahre lang geübte Erziehungs- und Verwaltungssystem des Vorstandes bereits eine Generation herangewachsen, auf die derselbe „zählen“ konnte. In der Tat wurden auch sofort bei der ersten Wahl die Klagen über das Garantielose dieses Wahlmodus laut.

Ebenso bedauerlich blieb die Kompetenz-Ausdehnung des Vorstandes, allerdings nunmehr mit Zuziehung des Ausschusses, auch auf alle kultus und religiöse Angelegenheiten, und die fortbehaltene Deprimierung der eigentlichen religiösen Autorität, des Rabbinats.

Es war ein Unglück, dass man in der jüdischen Gemeinde, ja einem vorwiegend religiösen Gemeinwesen, gerade diesen vorwiegend religiösen Charakter übersah, und die zufällig auch politischen Bestandteile ihrer Bestimmung zuallermeist ins Auge fasste.

Es war ein Unglück, dass man daher verabsäumte, sich zuallererst nach den eigenen, längst gegebenen und unverbrüchlich geheiligten statutarischen Bestimmungen umzusehen, die überhaupt der Existenz eines jeden jüdischen Gemeindewesens konstituierend zu Grunde liegen und dieselbe bedingen.

Es war ein Unglück, dass man daher bei der Wahl der zur Verwaltung dieses Gemeinwesens zu berufenden Männer, nur auf deren politische und soziale Stellung sah, und die Frage nach religiöser Gesinnung für das anzuvertrauende Gemeindeheiligtum, und nach religiöser Kenntnis desselben, gar nicht einmal auftauchte, und somit auch Männer gewählt werden konnten, die mit feindseligsten Groll gegen die Existenz des Gutes erfüllt sein durften, für dessen Erhaltung sie gewählt und verpflichtet wurden.

Es war ein Unglück, dass diese Männer nicht Rechtlichkeit oder nicht einsichtsvolle Gewissenhaftigkeit genug hatten, ihre Privatansicht, ihr „Prinzip,“ wie sie es nannten, und wofür sie als Privatmänner nur Gott und ihrem Gewissen Rechenschaft schuldig waren, von den Grundsätzen und den Prinzipien zu trennen, die einmal mit dem Gegenstand und durch denselben unverbrüchlich gegeben waren, dessen Verwaltung sie mit dem Amt übernommen, und für deren Aufrechthaltung sie der Gemeinde Rechenschaft schuldeten; vielmehr ihre Stellung nur als eine willkommene Gelegenheit benutzten, für ihre judentumfeindlichen Grundsätze Propaganda zu machen, und das Judentumfreundliche inquisitorisch zu verfolgen.

Es war ein Unglück, dass diese Männer, die doch in ihrer unjüdischen Anschauung so viel auf Beffchen und Talar geben zu müssen vorgaben, als es galt einen, von den gesetzestreuen Juden zur Ergänzung des Rabbinats vorgeschlagenen, gesetzeskundigen Handelsmann abzuweisen, obgleich im jüdischen Kreis nur Kenntnis und Charakter und das Vertrauen der Gemeinde die Weihe erteilt, dass diese Männer doch andererseits es ganz in der Ordnung fanden, wenn gleich sie, allesamt nichts als Handelsleute, Juristen und Ärzte waren, doch in eigener Person Konklave und Pabst und Synode und Konsilium zu vereinen, und den wirklich beamteten, durch Erfahrung und Kenntnis ehrwürdigen Greis[19], wie ihren Schulbuben zu behandeln.

Es war ein Unglück, dass der zu den Sitzungen des Vorstandes Delegierte des hohen Senates, eben dort das Judentum und seine Institutionen nur einseitig aus den Darstellungen der Feinde desselben kennen lernte; und somit an höchster Stelle die Aufklärung über die wirklichen, wahrhaftigen, jüdischen Verhältnisse so unendlich schwer sein musste.

Es war dies alles ein Unglück, wenn man will, ein leicht zu erklärendes. Aber ein Unglück blieb es doch. Und in diesem Unglück ging das Judentum in Frankfurt zu Grunde.

Doch es bleibt uns noch die letzte, bedeutendste Katastrophe in diesem traurigen Drama, mit Wenigem zu schildern übrig.

Unter solchen Auspizien[20] war nämlich das Jahr 1843 herangekommen, in welchem endlich der Vorstand sich hinlänglich vorbereitet und erstarkt glaubte, den letzten Hauptschlag auf das alte jüdische Heiligtum seiner Gemeinde zu führen und dem bereits seit mehr als 30 Jahre lang praktisch geübten System der Verfolgung und Vernichtung des alten gesetzlichen Judentums nun auch noch im Gotteshaus, in dem Tempel dieses alten gesetzlichen Judentums, die Kanzel zu erbauen, und dem von allen treuen Juden tief beklagten religiösen Verfall, durch Gewinnung eines Geistlichen die religiöse Weihe zu erteilen, der den Verfall selbst als Fortschritt predigen, und „die Religion im Bunde mit dem Fortschritt“ vor der „Bundeslade“ dieses im praktischen Fortschritt gehöhnten Gottesgesetzes lehren sollte. Bereits seit dem Jahre 1841 war der Beschluss zur Anstellung eines sogenannten Neologen[21] gefasst.

Allein der Vorstand sollte die Genugtuung haben, dieses Vorhaben, unter Brechung rechtlich eingegangener Verpflichtungen, Umgehung gesetzlich bestehender Gemeindesatzungen, Verletzung aller dem Lebens- und Dienstalter eines hochbetagten Greises schuldigen Achtung, Preisgebung einer mehr als Hunderttausende betragenden Schenkung und des mehr als Geldeswert zu schätzenden Gemeindefriedens, auszuführen, und somit die hohe Bedeutung des „Prinzips“ durch Außerachtsetzung aller anderen Pflichten und Rücksichten glänzend zu besiegeln.

„Zur Verherrlichung der Religion unserer Väter, zur würdigen Herstellung der jüdischen Gottesverehrung und zum ewigen Zeichen ihrer Religiosität“ hatte das Freiherrliche Haus von Rothschild beschlossen, „für die isr. Gemeinde zu Frankfurt a. M. ein Gotteshaus zu erbauen und einzurichten, und dasselbe nach Aufwendung aller hierzu erforderlichen Kosten, dieser Gemeinde zum freien unwiderruflichen Eigentum einzuräumen, zu übertragen und zu überlassen.“

Sie knüpften die Ausführung dieses Baues an eine Bedingung, die im § 6 der betreffenden Urkunde wörtlich also lautet:

„§6) Um den in Jahren vorgerückten Rabbiner[22], welchen der Allmächtige der Gemeinde noch lange erhalten möge, in seiner Amtsführung zu erleichtern, ist ihm ein zweiter Rabbiner an die Seite zu setzen, und bei dieser wichtigen Wahl auf einen Mann Bedacht zu nehmen, von welchem zu erwarten ist, dass er diesem schweren Amt gewachsen sei, und in Eintracht und Einklang mit dem Herrn Rabbiner die Seelsorge führe, für das Wohl und Heil der Gemeinde wirke, und die religiöse Einheit in der Gemeinde zu wahren und zu erhalten trachte. Es versteht sich dabei von selbst, dass der vereinte Vorstand und Ausschuss bei dieser Wahl regulativmäßig verfahren werde.“

(In diesem Regulativ heißt es: „Jedenfalls muss der anzustellende Rabbinatskandidat von dem hiesigen Rabbinat, oder in dessen Ermangelung, von den Oberrabbinern zweier bedeutenden Städte Deutschlands, in den jüdisch-theologischen Kenntnissen geprüft, und zum Lehramt tüchtig befunden worden sein!“)

„Im Namen der israelitischen Gemeinde, und kraft der in dem Regulativ enthaltenen, durch vorschriftsmäßige Wahl, und hochobrigkeitliche Bestätigung übertragenen Amtsbefugnisse,“ hatte „der Vorstand und Ausschuss der isr. Gemeinde, das großartige Anerbieten der Herren Gebrüder Freiherren von Rothschild mit allen vorstehenden Bestimmungen und Modalitäten“, am 12. Mai 1843 angenommen und waren somit alle in dieser Urkunde enthaltenen Bestimmungen zu förmlichen rechtskräftigen Verbindlichkeiten, zu einem förmlichen „Vertrag“, erwachsen, wie der Vorstand in der Zuschrift an den damaligen Rabbiner d. 14. Mai 1843 es ausdrücklich anerkennt.

Und volles Bewusstsein hatte der Vorstand von dem, was der § 6 ihm hinsichtlich der Rabbinerwahl auferlegte, und was er somit feierlichst übernahm.

Denn bereits im Jahre 1841 war ihm und dem löbl. Herrn Senatskommissär eine Vorstellung der gesetzestreuen Juden überreicht worden, die darauf hinwiesen, welche Spaltungen die Berufung eines Neologen in der Gemeinde hervorrufen, und wie nur die Anstellung eines akademisch gebildeten gesetztreuen Mannes die religiöse Einheit der Gemeinde erhalten könne.

Der Vorstand wusste also, was er übernommen hatte. Sehen wir, wie er es erfüllte, wie er die Verpflichtung löste, „bei dieser wichtigen Wahl“ auf einen Mann Bedacht zu nehmen, von welchem zu erwarten wäre, dass er „in Eintracht und Einklang mit dem Herrn Rabbiner die Seelsorge führen und die religiöse Einheit in der Gemeinde zu wahren und zu erhalten trachten“ werde?

Ohne Wissen eben dieses Rabbiners „mit dem der Neugewählte in Eintracht und Einklang sein Amt verwalten sollte, und von dessen Approbation auch ohnehin das Regulativ die Anstellung eines jeden zweiten Rabbiners abhängig machte, ohne dessen Vorwissen und mit Umgehung seiner Zustimmung wurde vom Vorstand der einseitige Beschluss gefasst, eine damals bereits bekannte Persönlichkeit als zweiten Rabbiner[23] der hiesigen israelitischen Gemeinde beim hohen Senat in Vorschlag zu bringen, und erst hintennach und zwar nur mündlich wurde der Oberrabbiner, der 87jährige, noch in rüstiger Kraft seines Geistes mächtige Greis, von diesem gefassten Beschluss, als einem fait accompli, in Kenntnis gesetzt!!!

Dieses Verfahren bedarf keines Kommentars. Und wer war der Mann dieser Wahl? Konnte hier Eintracht und Einklang mit dem gesetzestreuen Greisen erwartet werden? Konnte erwartet werden, dass der gesetzestreue Teil, dass alles, was noch jüdischen Sinn und jüdisches Pflichtgefühl im Busen hegte, den Mann der Wahl als seinen religiösen Hirten und Leiter, als „Rabbiner“ anerkennen, und somit die religiöse Einheit in der Gemeinde gewahrt werden würden?

Es liegen uns noch die remonstrierenden Schreiben des Oberrabbiners an den Vorstand, an den löbl. Senatskommissär, an den hohen Senat vom 18. Dezember 1843 und 29. Februar 1844 vor.

 Mit echtjüdischer Gewissenstreue stellt derselbe offen und unumwunden vor, wie die antirabbinischen, mit den Qualifikationen zum Rabbinen im Widerspruch stehenden Grundsätze des Neuerwählten zu sehr bekannt seien, als dass er ihn zu einer Prüfung seiner Kenntnisse zulassen, oder mit ihm, wenn gleichwohl bestätigt, das Amt in kollegialischer Eintracht führen könne. Einem Mann, der bereits mehrmals öffentlich dargetan habe, dass er die rabbinischen Vorschriften und Satzungen nicht achte, sondern sich darüber hinwegsetze, wie unter anderem der von demselben erteilte Dispens zum Schreiben am Sabbath für Gymnasiasten, und die in der wissenschaftlichen Zeitschrift von Dr. Geiger[24] von ihm beantragte Abstellung und Aufhebung mehrerer rabbinischen Vorschriften und Anordnungen beweisen, einem solchen Mann könne er unmöglich die Approbation zur Ausübung rabbinischer Funktionen erteilen, und sollte derselbe ihm dennoch als Kollege zur Seite gesetzt werden, so müsse er im Voraus erklären, dass er gewissenshalber und wegen der totalen Verschiedenheit ihrer Ansichten sich außer Stande sehen werde, mit und neben demselben geistliche und rabbinische Funktionen zu verrichten, und wenn er hierzu gezwungen werden sollte, eher auf sein Gehalt nebst Sporteln[25] und Emolumenten[26] verzichten, und den Rest seiner Tage vorzüglich der Wirksamkeit für das Interesse der Religion bei wichtigen Vorfällen widmen, als seiner Überzeugung untreu werden würde.

Auf das alles wurde keine Rücksicht genommen, vielmehr dem Greis, nach 50jähriger Dienstführung die Alternative zwischen Anerkennung des einmal Gewählten oder Einreichung seiner Demission gestellt. Die Entlassung wurde eingereicht und angenommen. Den ihm im vollen Betrag seines Gehaltes angebotenen Ruhegehalt schlug er aus. Der Gewählte wurde Rabbiner. Das Haus von Rothschild zog seine großartige Schenkung, nachdem der Vorstand so schnöde die Hauptbedingung derselben gebrochen, zurück, — und die Gemeinde ging ihrer Synagoge, ihres Friedens und ihres Heiles verlustig.

Die weiteren Folgen dieses Ereignisses und dessen Wirkungen bis in die neueste Gegenwart sind noch in zu frischem Andenken, als dass es noch einer weiteren Detaillierung derselben bedürfte.

Nach allem diesen brauchen wir die Frage nicht erst zu stellen, wer also „die verfolgungssüchtige Partei“ hierselbst gewesen und wer „die Drachensaat des Hasses und der Zwietracht in das friedliche Gemeindewesen gestreut,“ ob wir, die „Altgläubigen,“ wie man uns nennt, und die dies alles erduldet und leider nur zu geduldig erduldet und geduldet — wie angegeben wird, es waren, oder ob es der Vorstand, der uns unsere Schulen zerstört, unsere Kinder von ihren Religionsbüchern verjagt, unsere Anstalten verkümmert, unsere Vereine verhindert, unsere Andacht versagt, unsere Stiftungen entfremdet, unsere Gotteshäuser entzogen und es dahin gebracht, dass es zuletzt fast zu einer Unmöglichkeit erwuchs, in Frankfurt gesetzestreuer Jude zu sein, ob es dieser Vorstand und mit ihm der Mann gewesen, der sein Amen und seinen Segen zu allen diesem sprach, und dessen „Hillels-Milde und Nächstenliebe“ so elastisch war, eine, auf dem Vulkan der Zwietracht erbaute Kanzel zu besteigen, die noch von Kränkungstränen eines um seinetwillen aus 50jährigem Dienst schnöde entfernten Greises benetzt dastand?

6.    Die Religionsgesellschaft[27]

Und wenn nun nach allem diesem Jammer die Ereignisse des Jahres 1848[28], die in anderen Kreisen den kirchlichen und synagogalen Verhältnissen mehr Erschütterung als Konsolidierung brachten, den seit mehr als 30 Jahren in ihren heiligsten Interessen von den eigenen Brüdern schnöde misshandelten, gesetzestreuen Juden Frankfurts gerade einen günstigen Moment zur endlichen Rettung gewährten, — wenn dieser Moment von 11 wackeren Männern ergriffen, und ein hoher Senat ihr Zusammentreten als Religionsgesellschaft des alten, gesetzestreuen Judentums mit stadtväterlichem Wohlwollen genehmigt, — wenn dieser kleine Kern so viel Lebenskraft in sich trug, rasch zu einem so lebenskräftigen Körper zu erwachsen, dass derselbe bereits nach kurzem Bestehen, mit hingebendster Opferwilligkeit fast alle die heiligen Institutionen des alten Judentums wieder aufgerichtet, und damit gezeigt, welch eine unverwüstliche Zukunft dieses alte Judentum selbst auf diesem kampfdurchwühlten Boden noch habe, und wie es seine ewige Jugendkraft in jeder frischen lebendigen Gegenwart zu bewähren berufen sei, es das Licht der Welt nicht zu scheuen und sein Licht vor dem Strahl wahrer Bildung nicht zu erbleichen habe — wo ist der Biedermann, dem Recht und Gewissensfreiheit und Nächstenliebe nicht nur leerer, nur zum eigenen Vorteil auszubeutende Schall ist, der, welcher religiösen Ansicht er auch wäre, sich über dieses Ereignis nicht freute, ja, in ihm die einzige, endliche friedliche und rechtliche Lösung der „religiösen Wirren“ begrüßen sollte? Wo ist der Biedermann, der zu dieser Religionsgesellschaft mit dem Verfasser der „religiösen Wirren“ spräche, es ist schon eine große Gnade von uns, dass wir, nachdem wir redlich, aber leider vergebens alles getan, um eure Unternehmungen zu hindern, es euch nun ruhig gestatten, für eure eigenen schweren Geldopfer Synagoge und Schule zu bauen und Rabbiner und Lehrer zu besolden. Aber darum müsst ihr doch auch unsern Gottesdienst und unseren Rabbiner als den eurigen erkennen und mitbestreiten helfen, und wenn wir die ehrwürdigen, dem alten, gesetztreuen Judentum erbauten Gotteshäuser niederreißen, so müsst ihr die Axtstreiche mit bezahlen, und wenn wir einen Tempel und eine Kanzel zur Bekämpfung eurer religiösen Überzeugung und zur Verherrlichung der dem alten Judentum abgewandten Religion im Bunde mit dem Fortschritt erbauen, so müsst Ihr Tempel und Kanzel mitbauen helfen, sonst verschreien wir euch als die finstere verfolgungssüchtige Partei, die jetzt überall ihr Haupt erhebt, die die Drachensaat des Hasses und des Unfriedens in friedliche Gemeinwesen streut; denn ihr seid die Minderzahl und müsst euch den Beschlüssen der Majorität fügen, müsst unseren Vorstand auch als euren Religionsvorstand achten und seine Maßregeln widerspruchslos ehren — welcher Biedermann möchte also denken und reden!

Minderzahl? Nach welchem Kodex des natürlichen oder positiven Rechts, hat eine Majorität, die dem Glauben ihrer Väter untreu werden will, oder untreu geworden ist, das Recht, die Minorität, und wäre es der letzte und vereinzeltste Bettler, zu zwingen, diese Untreue zu teilen? Denn das könnt ihr doch im Angesicht der Welt nicht leugnen, dass eure eigenen Väter, wenn sie aus ihrem Grabe stiegen, das nicht mehr als Judentum erkennen würden, wofür ihr bisher die Gotteshäuser, die sie erbaut, die Stiftungen, die sie gegründet, die Rechte, die sie erworben, die Güter, die sie hinterlassen, missbraucht, dass sie vielmehr in denjenigen eurer Brüder, deren religiöse Grundsätze ihr seit mehr als 30 Jahren verfolgt, und in der Religionsgesellschaft, die jetzt diese Grundsätze vertritt, dass sie vielmehr in ihnen die einzigen Nachfolger und Erben ihres religiösen Erbteils erkennen würden.

Wie Ihr den Versuch macht, für die Augen der Unkundigen euren Abfall selbst mit Namen väterlicher Autoritäten zu decken, haben wir oben an einem Pröbchen beleuchtet. Das aber mögt Ihr vor euerm eigenen Gewissen verantworten. Uns jedoch solltet ihr nicht zwingen wollen, eure Überzeugungen zu teilen, solltet endlich einsehen, dass das nichts Unbegreifliches, nichts Unzurechtfertigendes an sich habe, dass die Mitglieder der Religionsgesellschaft nicht ferner den Kultus eurer Überzeugungen mittragen wollen, sondern, dass das ein nimmer zu rechtfertigendes, unbegreifliches Unrecht für alle Zeiten bleiben werde, dass ihr bis jetzt irgend einen gesetzestreuen Juden habt nötigen können, für die Zwecke eurer religiösen Bestrebungen mitzubesteuern, obgleich er in allem was ihr mit seinem Geld unternehmt, nicht nur nichts für die Befriedigung seiner religiösen Bedürfnisse findet, sondern darin nichts als eine Untergrabung alles dessen finden muss, was ihm heilig ist, eine Untergrabung, deren er sich nach dem unverbrüchlichsten Diktat seines Gewissens nicht teilhaftig machen darf, woran aber er mit jedem Kreuzer offenbar Teil nimmt, den er auf euer Gebot für eure Zwecke steuert.

Ihr sprecht so viel von Gewissensfreiheit, und übt selbst den ärgsten Gewissenszwang. Ihr sprecht so viel von Toleranz und seid bis zum Fanatismus intolerant. Ihr sprecht so viel von Nächstenliebe, und knechtet die eigenen Brüder.

Friede? Meint ihr den wirklich? Wohlan, so fangt an gerecht zu werden, so räumt mindestens dem Glauben eurer Väter, dem Jahrhunderte herab alleinberechtigten, paritätische Gleichberechtigung mit eurem neuen, noch erst im Werden begriffenen Glauben ein, der noch erst die Feuerprobe seiner Existenz abzulegen hat, so solltet ihr mindestens eure Brüder, denen ihr bereits ihre Gotteshäuser zertrümmert, ihre Schulen geschlossen, ihre Stiftungen entfremdet, ihre Institutionen verkümmert habt, nicht fortan nun noch gar zwingen, eure Tempel und eure Kanzeln mitzubauen!!!

Denn wahrlich, der nicht will den Frieden, der will den Hader, der innerlich so Disparates[29], wie die Überzeugungen unserer gegenseitigen Richtungen in widernatürliche, widerrechtliche äußere Einigung zusammenzwängt. Sondern der nur will den Frieden, der das nun einmal seinem innersten Wesen nach unversöhnbar Geschiedene, auch in gesonderter Berechtigung anerkennt, und jedem in gleichgewogener Ebenbürtigkeit gerecht wird.

Dort wird immer die Wahrheit gegen die Lüge, das Rechtsgefühl gegen die Gewalt sich empören und, bei scheinbar äußerer Einigung, dem Vulkan des Haders immer neue Nahrung bieten. Hier wird jeder auf eigenem, gleichberechtigten und gleichgeschützten Boden, ungestört seine Befriedigung finden, und keine Veranlassung haben, dem seines Weges wandelnden Bruder gram zu werden, der auch ihm die Wege seiner Überzeugung gönnt.

Was du nicht willst usw.,“ nicht wahr, das ist ja euer Hillelsatz, den ihr so gerne den ganzen übrigen Schulchan Aruch[30] des Judentums vertreten lassen möchtet? Ei, so zeigt doch, dass es euch wenigstens mit diesem einen Gottesgebot Ernst sei, und ihr das wenigstens auch da übt, wo es einmal das Opfer eures Vorteils, eurer vermeintlichen Konsequenz, eures falschen point d’honneur[31] fordert. Oder gilt Euch auch dieses Gebot der Nächstenliebe nur im Bund mit dem Fortschritt?“

Aber, sprecht ihr, die Bildung und Entwicklung dieser Religionsgesellschaft führe notwendig zur Auflösung der hiesigen israelitischen Gemeinde.

Täuscht euch doch nicht! Die hiesige israelitische Gemeinde besteht ja schon längst nicht mehr. Ihre Auflösung ist ja seit Jahren schon vollendet.

Wäre sie es aber nicht, so legt ihr ein trauriges Zeugnis für eure Überzeugungen ab, indem ihr eure Auflösung von einem so kleinen Häuflein, wie das der Religionsgesellschaft, fürchtet. Wir fürchten euch nicht. Wir glauben an die Ewigkeit, weil an die Göttlichkeit der Institutionen, die uns verbinden, und darum auch an die Ewigkeit der Gemeinde, die sie trägt.

Unser Judentum ist so alt, hat schon so manche, so verschiedenartige Stürme so siegreich ausgehalten, — es wird auch diese Zeit prüfender Erschütterung überdauern. Habt ihr das gleiche Zutrauen zu eurem neuen „Prinzip,“ wie ihr es nennt, so zeigt es, dass ihr ihm die Kraft eines Prinzips zutraut, und wagt es, euch auf eigene Füße zu stellen.

Traut ihr aber selber eurem neuen Glauben die lebensfähige, Herzen gewinnende, Begeisterung weckende und Hingebung, dauernde Hingebung erzeugende Kraft nicht zu, so meint doch nicht, dies alles durch äußere Autorität, durch obrigkeitliche Beihilfe erzwingen zu können.

Ein religiöses Gemeinwesen lässt sich nicht dekretieren[32]. Ein religiöses Gemeinwesen wurzelt in der lebenswarmen, treuen Hingebung und Anhänglichkeit seiner Glieder an ein Gegebenes, über allen stehendes, gemeinsames Heilige.

Man kann wohl Individuen zwingen, an gewisse Personen, in gewisse Kassen Zahlungen zu leisten. Aber man kann ebenso wenig damit die einen zwingen, das als ihr religiöses Heiligtum anzuerkennen, was mit diesem Geld gezimmert wird, sobald es ihr religiöses Heiligtum nicht ist, als man den anderen, mit all diesen Leistungen doch keinen neuen Geist, kein neues Leben einhauchen, kein neues Heiligtum schaffen kann.

Regierungsdekrete setzen ein religiöses Gemeinwesen voraus, wollen es nie schaffen.

Ein Gemeinwesen aber, dessen Gemeinschaft nur in Negierung des einzig wirklich vorhandenen väterlichen Heiligtums und in unbestimmter Erwartung eines noch erst zu ermittelnden neuen Glaubens bestehen soll; — dessen Träger die Geltung des Kodex selbst verleugnen, aus welchem sie doch allein die Berechtigung ihres Namens und ihrer Autorität zu deduzieren vermöchten — ein Gemeinwesen, das sich überall auf usurpiertem Boden, mit usurpierten Ansprüchen und Mitteln bewegt, die ausschließlich vielmehr gerade dem väterlichen Heiligtum angehören, dessen gemeinsame Bekämpfung und Verleugnung den Einigungspunkt desselben bildet, — ein religiöses Gemeinwesen, das zu seinem Halt, fortwährend der obrigkeitlichen Autorität bedarf, hat in der Brust seiner Scheinglieder längst zu sein aufgehört, ein solches Gemeinwesen hat keine Existenz.

Was daran erscheint, ist Traum und Schaum, hat kein Wesen und keine Zukunft.

Die Religionsgesellschaft aber hat eine Zukunft. Nicht weil sich der und jener zu ihr bekennt, nicht weil sie so und so viel Glieder zählt, sondern weil sie einen positiven, wahrhaftigen Kern in sich trägt, um den sich ihre Bekenner in treuer Hingebung scharen, und der sich die äußere administrative Hülle natur- und rechtgemäß aus eigenen inneren Prinzipien von selbst anbildet. Der Wahrheit aber gehört die Zukunft. Kuschta kaё[33]. Amen für jetzt. Bei Philippi sehen wir uns wieder[34].


[1] Pirke Avot 1:17 לֹא הַמִּדְרָשׁ הוּא הָעִקָּר, אֶלָּא הַמַּעֲשֶׂה, nicht die Lehre ist die Hauptsache, sondern die Tat.

[2] Hillel und Schamai, zwei Lehrer, der eine nachsichtig, der andere streng

[3] Levitikus 19:18; וְאָֽהַבְתָּ֥ לְרֵעֲךָ֖ כָּמ֑וֹךָ

[4] Wikipedia: Als Dragonaden bezeichnet man die Strafmaßnahmen des Königs Ludwig XIV. von Frankreich gegen die protestantischen Kamisarden in den Cevennen und andere Hugenotten in Südwest- und Südfrankreich. Das Ziel war, ihre Konversion zum katholischen Glauben zu erzwingen.

[5] להרביץ תורה בישראל   die Lehre in Israel zu verbreiten

[6] Barett ist die zum Talar passende Kopfbedeckung

[7] Wikipedia: Der Talar wurde 1811 durch eine Kabinettsorder König Friedrich Wilhelms III. in Preußen für (christliche wie jüdische) Geistliche, Richter und andere königliche Beamte eingeführt.

[8] durch einen [Taschenspieler]trick, durch ein [Zauber]kunststück verschwinden lassen; wegzaubern

[9] Unterstellung

[10] Samuel II 20:19 עִ֤יר וְאֵם֙ בְּיִשְׂרָאֵ֔ל   eine Stadt und ein Bezirk in Israel (Übersetzung Dr. S. Bernfeld)

[11] Schirmherrschaft

[12] Schuleinrichtung der Reformjuden in Frankfurt am Main

[13] Wikipedia: Winkelschulen, auch Heckschulen oder in Norddeutschland Klippschulen genannt, waren nicht anerkannte, privat organisierte, deutschsprachliche Volksschulen

[14] Gulden=fl.

[15] volle Macht, volle Kraft

[16] Mischna Yoma 6 וְהַשֵּׁנִי יִרְעֶה עַד שֶׁיִּסְתָּאֵב    und den zweiten (Widder) schickt man auf die Weide, bis er untauglich wird

[17] de dato = am

[18] Standesbewusstsein

[19] Gemeint ist hier Rabbiner Salman Trier s“l

[20] Voraussetzungen

[21] Reformrabbiner

[22] Rabbiner Salman Trier s“l

[23] Wikipedia: Rabbiner Leopold Stein Leopold Stein (geboren am 5. November 1810 in Burgpreppach; gestorben am 2. Dezember 1882 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Rabbiner und Schriftsteller. Stein gehörte zu den gemäßigten Vertretern der jüdischen Reformbewegung. Daher weigerte sich Trier, der zum orthodoxen Flügel gehörte, ihm die Glaubensprüfung abzunehmen, eine für die Einstellung notwendige Voraussetzung. Daraufhin enthob der Senat der Freien Stadt Frankfurt Stein auf Wunsch des Gemeindevorstandes von der Pflicht zur Glaubensprüfung und bestätigte ihn ohne Prüfung in seinem Amt. Dies führte zu einer Spaltung der israelitischen Gemeinde: Oberrabbiner Trier trat aus Protest zurück und Amschel Mayer Rothschild kündigte seine Zusage, den Bau einer neuen Hauptsynagoge mit 250000 Gulden zu unterstützen. 1849 trennte sich die orthodoxe Vereinigung von der israelitischen Gemeinde und berief 1851 mit Samson Raphael Hirsch einen eigenen orthodoxen Rabbiner.

[24] Wikipedia: Abraham Geiger (hebräisch אברהם גייגער; geboren am 24. Mai 1810 in Frankfurt am Main; gestorben am 23. Oktober 1874 in Berlin) war ein preußischer Rabbiner. Er war einer der ersten und wichtigsten Vordenker des Reformjudentums sowie ein bedeutender jüdischer Gelehrter im Bereich der Wissenschaft des Judentums.

[25] Entgelt

[26] Nicht regelmäßig bezogenes Entgelt

[27] Wikipedia: Israelitische Religionsgesellschaft (auch: Adass Jisroel bzw. Adaß Jisroel, hebräisch עדת ישראל nach 2 Mose, 12, oder Adass Jeschurun, עדת ישורון nach 5 Mose 32,15, wörtlich übersetzt „Gemeinschaft Israels“), so nannten sich neu-orthodoxe jüdische Austrittsgemeinden ab den 1860er Jahren im deutschsprachigen Raum. Hervorgegangen aus Minjanim, die sich gegen Modernisierungen des liberalen Reformjudentums wie Orgelmusik und gemischten Chorgesang in der Synagoge oder Änderungen im Gebetbuch wandten, und in Abgrenzung zur Gemeindeorthodoxie, die als strenggläubige Gruppe dennoch in der Einheitsgemeinde verblieb, etablierte sich die Austrittsorthodoxie ab etwa 1870 auch rechtlich in Form eigener Körperschaften. Vorbild war die von Samson Raphael Hirsch geleitete Kehilla in Frankfurt am Main.

In Frankfurt gründete sich die Israelitische Religionsgesellschaft schon 1848. Sie bestellte 1850 Rabbiner Michael Sachs (1808-1864). Er blieb aber aus persönlichen Gründen nur ein Jahr in Frankfurt. Daraufhin wurde Rabbiner Hirsch 1852 von der Religionsgesellschaft und nicht von der Gemeinde Frankfurt als Rabbiner angestellt. (Anmerkung M.B.)

[28] Wikipedia: 1848 ist europaweit ein Jahr der bürgerlich-revolutionären Erhebungen gegen die zu dieser Zeit herrschenden Mächte der Restauration und deren politische und soziale Strukturen. Angefacht von der französischen Februarrevolution, greift die revolutionäre Stimmung auf die Staaten des Deutschen Bundes, das Reich der Habsburger, Italien und sogar Brasilien über.

[29] Ungleichartiges

[30] Wikipedia: Als Schulchan Aruch (hebräisch שולחן ערוך „gedeckter Tisch“) wird die im 16. Jahrhundert von Josef Karo verfasste und im Folgenden von mehreren Rabbinergenerationen überarbeitete autoritative Zusammenfassung religiöser Vorschriften (Halachot) des Judentums bezeichnet.

[31] Ehrensache

[32] anordnen

[33]קושטא קא    Spreche die Wahrheit

[34] Wikipedia: Redewendung: ich werde mich bei nächster Gelegenheit rächen; diese Angelegenheit ist für mich noch nicht erledigt

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