Diesen Artikel hat Rabbiner Samson Raphael Hirsch für seine Zeitschrift „Jeschurun“, Jahrgang 6, Heft6 im März 1860 geschrieben. Das in diesem Artikel immer wiederkehrende וְאַף־גַּם־זֹ֠את, das er mit „und gleichwohl“ übersetzt, aber auch mit dennoch oder mit trotzdem übersetzt werden kann, führt uns durch die Leidensgeschichte unseres Volkes, dass nach menschlichem Ermessen längst hätte untergehen müssen, wäre da nicht dass Band, das uns mit Gott in Ewigkeit verbindet. Allen Unkenrufen zum Trotz, und allen Versuchen zum Trotz uns auszulöschen verpuffen — werden zu Seifenblasen, die zerplatzen.
Der Text wurde dem heutigen Sprachgebrauch leicht angepasst und mit Erklärungen versehen von Michael Bleiberg. Das Original finden Sie in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main unter:
https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2932884

Und gleichwohl!

וְאַף גַּם זֹאת —

„Und gleichwohl!“ lautet die alte Verheißung, auf welche eine Mathnitha[1] beim Anblick der Gefahren und Rettungen hinwies, die Israel seit Anbeginn seines Galuth erfahren, und zu deren Zyklus auch die Gefahr und die Rettung gehört, deren Gedächtnisfeier mit jedem Adar wiederkehrt.

„Und gleichwohl!“ lautet sie: [2]וְאַף־גַּם־זֹ֠את בִּֽהְיוֹתָ֞ם בְּאֶ֣רֶץ אֹֽיְבֵיהֶ֗ם לֹֽא־מְאַסְתִּ֤ים וְלֹֽא־גְעַלְתִּים֙ לְכַלֹּתָ֔ם לְהָפֵ֥ר בְּרִיתִ֖י אִתָּ֑ם כִּ֛י אֲנִ֥י ה‘ אֱלֹקֵיהֶֽם׃ und gleichwohl, selbst während sie in Feindesland sind, habe „ich sie nicht verachtet und habe ich sie nicht verworfen, sie zu vernichten, meinen Bund mit ihnen aufzuheben; und ich ה‘, bleibe ihr Gott!“

Und diese Verheißung sie ist die eine Hälfte des Schlusssatzes einer Verkündigung, die die ganze jüdische Geschichte mit allem Herrlichen und allem Traurigen schrieb ehe noch ein Tag derselben in die Wirklichkeit getreten, einer Verkündigung, die an der Wiege des jüdischen Volkes ihm die ganze Zukunft schauervoller Jahrhunderte vormahlte, die es zu durchleben haben würde, wenn es seiner Aufgabe untreu werden würde, und die es durchlebt hat, weil es seiner Aufgabe untreu geworden.

In diesem Bild fehlt nichts: die Angst und der Schrecken, der Kummer und die Krankheit, der Mangel und der Hunger, das Raubtier und das Schwert, die Zerstreuung und die Verzagtheit und das Fürchterlichste, das über einen Menschen, eine Volksklasse, ein Volk ausgesprochen werden könnte: קֶרִי,, ,dass sie das „Zufällige“, das Nirgendsberechtigte, das Überallnichthingehörige sein würden, dessen Ansprüche und Bedürfnisse nirgends mit in Berechnung gezogen werden, das überall nur so lange und so weit sein geduldetes Dasein zu fristen hat, als es dem anderen, dem Berechtigten, lohnt und frommt, frohnt und wuchert — alles das malt das Bild dieser vorausgeschauten Zukunft, und es sieht sie in „Feindesland“: der Boden unter ihren Füßen, die Luft in ihr Angesicht ihnen als Raub angerechnet, das Land, das alle sonst als ihr Vater-, als ihr Mutterland begrüßen, das auch die Wiege ihrer Kinder, die Gräber ihrer Eltern trägt, dessen Tau auch ihnen fällt, dessen Sonne auch ihnen glänzt, das Land ihres Lebens und Strebens, alle seine Blüte, all seine Früchte, all sein Gedeihen, all seinen Verkehr, seine Bestrebungen und Einrichtungen ihnen nur feindlich zugekehrt; es sieht sie „verachtet“: das, was „ihre Weisheit und ihre Einsicht in den Augen der Völker“ hätte sein sollen, das, was „den Nationen der Erde den Namen Gottes über ihnen leuchtend“ hätte zeigen, und ihnen „Ehrfurcht“ hätte abgewinnen sollen, das haben sie verscherzt, haben sie קֶרִי,,, haben sie als das Zufällige, das Unwesentliche in ihrer Lebensstellung geachtet, und wollten einen Wettlauf mit eingehen mit der Rossesmacht der Völker, mit der Heeresgewalt der Fürsten, mit der Politik und Menschenklugheit der Staaten, wollten wetteifern in einer Größe, die ihnen versagt und deren Entbehrlichkeit, Unzulänglichkeit und Nichtigkeit, vielmehr durch ihr Leben und ihr Geschick den Völkern zu lehren, der eigenste Gehalt ihrer Sendung gewesen. Jenes haben sie verscherzt, und dieses war ihnen von vornherein versagt. Und nun, da sie den Kern ihres Daseins als das Zufällige behandelt und nun „Maß für Maß“ mit ihrem ganzen Dasein das Zufällige inmitten der machtstolzen, gewaltgegürteten Menschheit geworden, einer Menschheit, die bei diesen zufällig unter sie Gestreuten alles vermisst, auf welches sie die eigene Würde und Größe erbaut, und kein Auge hat bei ihnen und in ihnen die stille Größe, die ewige Macht, die in den Nächten des Lebens nur umso heller leuchtenden Lichtstrahlen jenes Gutes zu würdigen, das, wenn diese Zerstreuten es als ihr Einziges begriffen, sie als die einzige Nation an den Horizont leuchtend emporgehoben hätte, aber jetzt noch in seinen geretteten Resten sie — dem Denkenden, sinnigen Beschauer — als das anzustaunende Wundervolk darstellen müsste, — nun, da die Menschheit jenes vermisst und dieses nicht begreift, sieht das Bild jener verkündeten Zukunft sie in Feindesland „verachtet“, als Mensch entwürdigt, als Bürger ehrlos, als Geschöpf — einen Wurm! Ja, es sieht sie als die „Verworfenen“ in Feindesland. Sie sind das Fremde, Störende, Widerwärtige, sind das nirgends sich assimilierende, die Einheit des Staates hindernde Element überall, das der Staat „לִגְעֹול“ ausscheiden, auswerfen muss, wenn er gesunden will. Sie sind die Einzigen, die in den Staat nicht aufgehen, für die die Staatsweisheit keine Formel zu erfinden und die Staatsgewalt keine Form festzustellen weiß, die sie erschöpfend deckten. Sie sind jeder Hamans-Politik das [3] עַם־אֶחָ֗ד מְפֻזָּ֤ר וּמְפֹרָד֙ בֵּ֣ין הָֽעַמִּ֔ים, das trotz seiner Zerstreuung unter allen Völkern in hartnäckiger Sonderung verharrende Volk, das mit [4]דָתֵיהֶ֞ם שֹׁנ֣וֹת מִכׇּל־עָ֗ם, mit seinen absonderlichen Gesetzen und Sitten ein fremdes Element in den einheitlichen Gang der nationalen Entwicklungen bringt, ja, die, indem sie [5] וְאֶת־דָּתֵ֤י הַמֶּ֙לֶךְ֙ אֵינָ֣ם עֹשִׂ֔ים  sich den Königsgesetzen nicht mit allem unterwerfen, allerdings darauf hinweisen, dass es ein Gebiet gebe, das von Staatsdekreten nicht zu erreichen, das sich Regierungsmaßregeln entziehe, das selbst, wenn es sein muss, der Königsgewalt Trotz biete, der Fesseln und der Kerker, der Marter und der Scheiterhaufen spotte — die allerdings auf eine Majestät hinweisen, vor der selbst die Majestät eines Königs erbleiche, auf eine Autorität und eine Macht, vor der selbst die Autorität der königlichen Staatenmacht schwinde, — die somit allerdings der lauteste Protest gegen den Wahn des Absolutismus sind, als ob in die absolute Staatsmacht alles, auch der Mensch mit seinem Gott und seinem Gewissen aufgehe, und erst von ihr seinen Ausgang und seine Berechtigung zu nehmen habe, — die somit allerdings, [6] וְלַמֶּ֥לֶךְ אֵין־שֹׁוֶ֖ה     לְהַנִּיחָֽם, jedem Haman ein leichtes wird als solche zu schildern, die der absoluten Königsgewalt nicht frommen könne zu dulden.

Es sieht daher, wie Jahrhunderte hindurch alles Verlangen der Völker und alles Sinnen der Staatsmänner nicht darauf gerichtet ist, auch diesen Zerstreuten unter ihnen human und gerecht zu werden, ihr Gedeihen zu fördern, ihr Fortkommen zu unterstützen, ihrer Blüte und ihrem Lebensglück Vorschub zu leisten; wie vielmehr Jahrhunderte hindurch alles Verlangen der Völker und alles Sinnen der Staatslenker darauf gerichtet ist:

לְכַלֹּתָם,, sie zu vernichten! Sie zu verringern, zu verkümmern, sie bis zur Vernichtung verschwinden zu machen. [7]יִכָּתֵ֖ב לְאַבְּדָ֑ם“ , ein Dekret zu ihrer Ausrottung fordert die schmalstirnige Hamanspolitik. Mit dem Schwert in seiner Rechten und mit allen Künsten sinneschmeichelnder, Interessen lockender, Geister verwirrender Verführung in seiner Linken geht ein Antiochus zu Werke. Was der Gewalt physisch zu töten, materiell zu vernichten nicht gelingt, mag der diabolischen Milde der Verführung moralisch zu töten gelingen; und die Politik gelangt gewiss zum Ziel, die beides, Gewalt und Verführung gleichzeitig mit zähestem Ausharren anwendet. Und das war ja die Politik, die Jahrhunderte, ja Jahrtausende hindurch die Lebensluft dieser armen Zerstreuten mischte. Hamans Beispiel wird nur von Zeit zu Zeit wiederholt, je nachdem einmal die Geduld riss, je nachdem einmal einem Haman ein Mordechei in den Weg getreten und es die Befriedigung niedrigster Rachegelüste, oder noch niedrigerer Habsucht unter dem Deckmantel staatswohlfahrtlicher Maßregeln zu befriedigen gelten mochte. Die geschichtliche Atmosphäre dieser Zerstreuten wird nach antiochäischem Zuschnitt gebildet. Zwischen den Druck und Hohn der rohesten Gewalt und das satanische Lächeln einer verlockenden Verführung stellte man die Ärmsten hin, und spekulierte auf ihre physische und sittliche Verkümmerung zugleich. Und als nun gar eine ganze römisch-christliche Welt gerade aus den Händen dieser der Verachtung, der Verwerfung, der Vernichtung preisgegebenen Zerstreuten ein Buch hingenommen hatte, in welchem sie die Erlösung der Welt und die eigene Errettung von der Verwesung des Heidentums begrüßten, ja als sie gerade einen Sohn dieser Zerstreuten, als vergötterten Heiland anbeteten, dieses Buch und dieser Sohn als die Grundlage aller ferneren Gesittung und Heilsförderung auf Erden verehrt wurden und man sich der Anerkennung eines „besonders Göttlichen“ in dem Ursprung der Bestimmung, der Geschichte und der Lehre dieser „Verachteten“ — wenigstens in ihrer Vergangenheit — doch nicht entschlagen zu können fühlte, da wusste sich der Vernichtungswahn hinter die Auskunfttheorie zu flüchten: dieses „Göttliche“ dieser Zerstreuten eben als gewesen, als vergangen, als verscherzt, darzustellen, — eben seit ihrer Zerstreuung verscherzt — es habe sie eben Gott zerstreut:

[8]„לְהָפֵ֥ר בְּרִיתִ֖י אִתָּ֑ם“, damit seinen Bund mit ihnen aufzuheben. Sie waren einst die Erwählten, die Gottesgesegneten, die gewürdigt wurden das Heil der Welt in ihrem Geist und ihrem Schoß zu tragen. Allein sie sind jetzt die von Gott selbst Verachteten, Verworfenen; Er hat seinen Bund mit ihnen aufgehoben und sie selber der Vernichtung geweiht. Gottes Wille, ein heiliges, gottgefälliges Werk vollbringen ihre Verfolger und Feinde, ihre Dränger und Bedrücker — [9]  מֹשְׁלָ֤ו יְהֵילִ֙ילוּ֙ נְאֻם ה‘ (Jes. K.52V.5) — „Seine Gewalthaber bringen ihm Jammer im Namen Gottes!“ — und das, was noch die letzte Rettung hätte sein müssen, macht Judenverfolgungen und Judenhass zur Religion — und schneidet der Hoffnung dieser Zerstreuten das letzte Ende ab.

Alles dieses sieht die Verheißung, und וְאַף גַּם זֹאת, und gleichwohl, וְאַף־גַּם־זֹ֠את בִּֽהְיוֹתָ֞ם בְּאֶ֣רֶץ אֹֽיְבֵיהֶ֗ם לֹֽא־מְאַסְתִּ֤ים וְלֹֽא־גְעַלְתִּים֙ לְכַלֹּתָ֔ם לְהָפֵ֥ר בְּרִיתִ֖י אִתָּ֑ם כִּ֛י אֲנִ֥י ה‘ אֱלֹקֵיהֶֽם „und gleichwohl“ spricht die Verheißung, „und gleichwohl, selbst indem sie im Lande ihrer Feinde sind habe ich sie nicht verachtet, ich sie nicht verworfen sie zu vernichten meinen Bund mit ihnen aufzuheben, denn Ich ה‘, bleibe ihr Gott!“ habe sie nicht verachtet in den Tagen der Chaldäer, wie die Mathnitha erläutert, habe sie nicht verworfen in den Tagen Hamans, sie zu vernichten in den Tagen der Syro-Griechen, meinen Bund mit ihnen aufzuheben in den Tagen der Römer, denn Ich ה‘, bleibe ihr Gott für die kommende Zukunft, wo kein Staat und keine Nation mehr Macht über sie hat, לֹא מְאַסְתִּים בִּימֵי כַּשְׂדִּים וְלֹא גְּעַלְתִּים בִּימֵי הָמָן לְכַלּוֹתָם בִּימֵי יְוָנִים לְהָפֵר בְּרִיתִי אִתָּם בְּמֵי רוֹמִיִּים אֲנִי ה‘ אֱלֹקֵיכֶם לֶעָתִיד לָבוֹא שֶׁאֵין כָּל אוּמָה וְלָשׁוֹן יְכוֹלָה לִשְׁלוֹט בָּהֶם  (Jalkut). Und wenn sie auch ihr ureigen Land verloren, wenn sie auch in der Fremde in Feindesland sich befinden und der Boden unter ihren Füßen, und die Menschen, die sie umgeben, ihnen feind sind, Ich bin ihnen nicht feind geworden, mich haben sie nicht verloren, Ich bin ihnen geblieben. Und wenn alle Weisheit der Chaldäer und alle Kunst der Griechen, und alle Majestät der Perser, und alle staatliche und geistliche Politik und Kriegskunst Roms sich zusammentut dieses Volk als das verächtlichste, das verworfenste, das von Gottesfluch getroffene darzustellen und es zu vernichten; es gelingt ihnen dennoch nicht, gelingt ihnen nicht es zu vernichten, ja, gelingt ihnen nicht einmal es geistig zu vernichten, seine geistige, göttliche Bedeutung aus dem Bewusstsein der Menschen, ja, aus ihrem eigenen Bewusstsein zu tilgen. Wider ihren Willen, und wenn sie Jahrhunderte durchgerast, und wenn sie Quartanten[10] und Folianten durchgeschmäht, sie bleiben zuletzt doch mit dem Hut in der Hand vor der geschichtlichen Erscheinung dieses Volkes stehen, die wundervolle Erhaltung dieses Volkes mitten in allem Wüten seiner Feinde, die wundervolle Elastizität, geistige und sittliche Lebensfrische dieses Volkes mitten in all dem Jammer und Elend, ringt ihnen, widerwillen das Bekenntnis ab: und doch אֶצְבַּע אֱלוֹקִים הִיא, und doch ist’s ein Gottesfinger, und doch — nicht nur in biblischer palästinensischer Vergangenheit — in unmittelbarster Gegenwart Not und Jammer bringender europäischer Verkehrtheit ist Gott mit ihnen, ist Gott in ihnen, „כִּי אֲנִי ה‘ אֱלֹקֵיכֶם“ hat Er gesprochen und hat’s erfüllt.

Und dieses „gleichwohl“ der Gottesverheißung, und dieses „und doch“ des Völkergeständnisses hat diese ganze große Galuthgeschichte des jüdischen Volkes zu dem herrlichsten, leuchtendsten Gottesdenkmal gemacht, hat dieses Volk in seiner Zerstreuung zum großen weltgeschichtlichen Rätsel dahin gestellt, das sich aller Berechnung entzieht, das alle apriorischen Geschichtskonstruktionen zu Schanden macht und aller statistischen Geschichtspragmatik spottet, das unwiderstehlich den einen Einzigen [11]קֹרֵ֥א הַדֹּר֖וֹת מֵרֹ֑אשׁ als den einzigen Lenker der Geschicke und das Sittliche als die einzige unüberwindliche Macht und die einzige unzerstörbare Kraft für das Leben der Menschen und Völkern verkündet.

Allein nicht nur nach außen schaut die Mathnitha indem sie an der Hand dieser Verheißung die Phasen der jüdischen Galuthgeschichte mustert, nicht nur darin, dass weder der Chaldäer Macht, noch der Perser Stolz, noch der Griechen Geist, noch der Römer Schwert das zerstreute Israel erlegen, nicht nur darin, in diesem äußeren Geschick weist sie die Fortdauer des Gottesbundes mit ihm nach, nicht nur darin, meint sie, zeigt sich, wie ein anderes Wort der Weisen sagt: [12]  הֵן הֵן גְּבוּרוֹתָיו הֵן הֵן נוֹרְאוֹתָיו, die Gottes Allmacht und die Furchtbarkeit seines Schutzes vor den Augen der Völker; in die innere Geschichte der jüdischen Galuthjahrhunderte blickt sie hinein, und zeigt uns dort, in jeder Gegenwart der jüdischen Geschlechter die Zeichen der Gottesnähe trotz der Entfernung die Beweise des fortdauernden Gottesbündnisses trotz der Zerstreuung, die Beweise: dass wie sehr auch der Untergang des jüdischen Staates für die sittliche Verirrung und den geistigen Fall des jüdischen Volkes zeuge, dennoch, trotz dieser Verirrung und dieses Falles, das jüdische Volk noch sittlich und geistig hochstehend und also in der weckenden, erleuchtenden und belebenden Gottesnähe blieb, dass diese Verirrung und dieser geistige Fall doch nie den tiefen, der Gottesbestrahlung harrenden Lebenskern gottschauender Erkenntnis und gottdienender Treue also zerstörte, dass nicht in jeder Zeit von jüdischem Geist und jüdischer Treue erfüllte Männer aufblühten, die das Volk durch ihre Lehre und ihr Beispiel, durch Wort und Tat mit fortrissen zur Erkenntnis und Treue, über Verirrung und Fall hinaufretteten zur Erkenntnis und Treue und selbst nach außen, indem sie selbst der feindlichen Welt Achtung abgewannen, selbst dieser staunenden feindlichen Welt die Überzeugung aufnötigten, dass nicht nur Gott noch mit Israel, sondern, dass er auch noch in Israel sei und auch noch der zum Fluch geöffnete Mund segnend bekennen müsse: ה‘, sein Gott ist mit ihm und die Überwältigung durch seines Königs Hauch ist in ihm ה‘ עִמּ֔וֹ וּתְרוּעַ֥ת מֶ֖לֶךְ בּֽוֹ ![13]

״לֹא מְאַסְתִּים״ — בִּימֵי כַּשְׂדִּים, שֶׁהֶעֱמַדְתִּי לָהֶם דָּנִיֵּאל חֲנַנְיָה מִישָׁאֵל וַעֲזַרְיָה. ״וְלֹא גְעַלְתִּים״ — בִּימֵי יְווֹנִים, שֶׁהֶעֱמַדְתִּי לָהֶם שִׁמְעוֹן הַצַּדִּיק, וְחַשְׁמוֹנַאי וּבָנָיו, וּמַתִּתְיָה כֹּהֵן גָּדוֹל. ״לְכַלּוֹתָם״ — בִּימֵי הָמָן, שֶׁהֶעֱמַדְתִּי לָהֶם מׇרְדֳּכַי וְאֶסְתֵּר. ״לְהָפֵר בְּרִיתִי אִתָּם״ — בִּימֵי רוֹמִיִּים, שֶׁהֶעֱמַדְתִּי לָהֶם שֶׁל בֵּית רַבִּי וְחַכְמֵי דוֹרוֹת. (מגילה י“א)

„Nicht verachtet habe ich sie in den Tagen der Chaldäer; denn ich stellte ihnen Daniel, Chananjah, Mischael und Asarja. Nicht verworfen in Hamans Tagen: denn ich stellte ihnen Mardochai und Esther. Ließ sie nicht vernichten in den Tagen der Griechen; denn ich stellte ihnen Simeon den Gerechten, den Hasmonäer und seine Söhne und den Hohepriester Mathithjahu. Habe meinen Bund mit ihnen nicht aufgehoben in den Tagen der Römer, denn ich stellte ihnen Rabbi und die Weisen der späteren Zeiten.“

So erläutert die Mathnitha ihren Satz und weist darauf hin wie nicht nur Gott in allen diesen prüfungsvollen Phasen der jüdischen Galuthgeschichte mit uns gewesen und uns vor Untergang gerettet, sondern wie vor allem darin es sich zeigt, dass er uns nie verachtet und verworfen, nie uns dem Untergang geweiht noch seinen Bund mit uns aufgehoben, dass in den schlimmsten Zeiten er immer in unserer eigenen Mitte Werkzeuge zu unserer Rettung geweckt, Männer, die auf der Höhe des jüdischen Geistes standen und ihr Volk in den Zeiten der Prüfung durch Lehre und Beispiel zu dieser Höhe zu erheben und auf der Höhe des göttlichen Bundes zu erhalten wussten.

Wo gabs eine Zeit, die also zu dem Ausspruch zu berechtigen schien: [14] כִּֽי־מָאַ֥ס ה‘ בָּהֶֽם, „Gott hat sie verachtet!“ als die Zeit, wo Juda dem Chaldäer erlegen und Judas Fürsten und Völker nach Babel vertrieben wurden. Das Heiligtum, das Gott selber gestiftet, lag zerstört, der Thron den Gott selber gebaut war umgestürzt, des Bodens, den Gott selber Israel gegeben, war es beraubt, in Feindesland lebten die Trümmer des Volkes, das wie ein Gottesheiligtum unter allen Völkern stehen sollte. Und das alles durch eigenes Verschulden, das alles nach ausdrücklichem Gottesurteil in Folge der eigenen Versündigung, weil es dem Götzentum und dem Abfall von göttlichem Gesetz Tür und Tor geöffnet. Lesen wir die Ermahnungen und Strafreden der Propheten, die fast zwei Jahrhunderte lang vor diesem bevorstehenden Zusammensturz zu warnen gesendet waren, lesen wir die Königsgeschichten, die sich trotz dieser Ermahnungen und Warnungen vollzogen, wir dürften glauben, es sei bis auf den letzten Funken das Sinaifeuer in der Brust des Volkes, und vor allem in der Brust seiner Führer und Fürsten erloschen gewesen. Denn gerade in den höheren Schichten, im Kreis der Großen und der Königsgeschlechter sahen wir die Gottessache ertöten, und den Gesetzesdienst und den Gottesbund gegen den Götzenkultus und die Bundesfreundschaft der Völker verkauft.

Und gleichwohl! [15] מִזֶּ֥רַע הַמְּלוּכָ֖ה וּמִן־הַֽפַּרְתְּמִֽים, gerade aus dem königlichen Geschlecht und den jüdischen Großen sucht Nebukadnezar Jünglinge um sie für seinen Hofdienst in chaldäischer Kenntnis und Bildung erziehen zu lassen, und unter diesen Jünglingen königlichen Geblütes war ein Daniel, ein Chananjah, Mischael und Asarja, die, gleich beim Eintritt Israels in die verführerische Galuthberührung mit den Sitten und Gebräuchen seiner Herren, in dem verlockendsten Kreis mildschmeichelnder Hofluft, wie vier leuchtende Feuersäulen dastehen und allen Galuthgeschlechtern zeigen, wie jüdische Jünglinge und Männer eine solche Prüfung zu bestehen haben. Die Hofküche, deren Mitgenuss die jüdischen Hofalumnen[16] verweigerten, die Königssäule, vor welcher die jüdischen Männer aufrecht blieben, der Glutofen der Chananjah, Mischael und Asarja von ihrer Pflicht nicht schreckte, der Löwenrachen, dem Daniel kein Minchahgebet opferte, das wurden die strahlenden Vorbilder, die Jahrhunderte herab tausenden und abertausenden jüdischen Seelen den Weg voranleuchteten, der sie zur Umarmung des Todes in allen furchtbaren Gestalten um der ihrem Gott und seinem Gesetz zu zollenden Treue willen geleitete. Ein Daniel beim Nachtgelage Balsazars ist noch heute Israel und der staunenden Welt ein Lichtbild jüdischer Geisteshoheit, vor welcher die Majestät der Herrscher und die Wissenschaft der Weisen erbleicht, und die den Söhnen selbst der „Captiva Judäa“ auf fremdem Boden und in neidvollster Umgebung Achtung und Anerkennung sichert. Wenn aber selbst das Geschlecht, über  welches das Strafgericht des Churban und Galuth hereinbrach, solche Männer in seinem Schoße zeitigte, so war Israel selbst in seiner tiefsten Gesunkenheit nicht ein von Gott „verachtetes“ Geschlecht; so war es gesunken, tief gesunken in Verhältnis zur Höhe, die seine Gottessendung von ihm forderte; aber selbst in seiner tiefsten Gesunkenheit leuchtete es hell empor über die Nacht, die die Geister und Gemüter der heidnischen Welt begrub.

יְמֵי הַמָּן, die Zeiten Hamans kamen — schon an Babels Strömen hatten nicht alle den Sängerschwur [17] אִם אֶשְׁכָּחֵךְ יְרוּשָׁלַיִםgeschworen, waren nicht alle wie Chananja, Mischael und Asarja aufrecht geblieben vor der Königssäule in der Ebene Dura —דּוּרָא הִשְׁתַּחֲווּ לַצֶּלֶם בִּבְקַעַת — Und als nun gar auf den Trümmern des babylonischen Reiches sich die wilde Perserherrschaft erhob, die stolz darauf war so viele verschiedene Völker und Zungen unter ihrem Zepter zu vereinigen und auch mit freundlicher Herablassung die Exilierten Judäas in den Strahl der königlichen Hofsonne lud, da konnten Judas Söhne so vieler Freundlichkeit nicht widerstehen, für ein gnädiges Lächeln gekrönter Sterblichen fingen sie an das Wohlgefallen Gottes hintan zu setzen — [18]  נֶּהֱנוּ מִסְּעוּדָתוֹ— glaubten so vieler Milde gegenüber nicht mehr die „starr isolierende Gesetzestreue“ bewahren zu müssen — eine Toleranz ist der anderen wert — und was der Gottesbund verlor mochte der sich vorbereitende neue Bund mit Fürsten und Völkern ersetzen zu können scheinen bis sie Haman aus ihrem, dem Tod entgegenschlummernden Taumel weckte und sie mit Schrecken gewahrten: Mit der Untreue gegen Gott sei für Israel keine dauernde Freundschaft unter den Menschen zu erkaufen. Der Judenhass lässt sich nichts abhandeln. Ob du als ganzer, halber, viertel oder achtel Jude ihm gegenüberstehst, wenn du auch mit ihm trinkst und an seinen Tafeln speist gleichviel, so lange du nicht ganz einer von den Seinen bist, so lange bleibst du ihm das   עַם מְפֻזָּר וּמְפֹרָד וגו‘, das isolierte Volk, das sich durch seine religiösen Gesetze von den andern absondert und das zu dulden der allgemeinen Wohlfahrt nicht frommt. Und hat er denn nicht recht der Judenhass, allen halben, viertel und achtel Juden gegenüber? Bist du ein ganzer Jude, stellst du das göttliche Gesetz unantastbar gegen dich selber, so kannst du in allem, was dich von ihm dem Nichtjuden, sondert, dich auf deines Gottes Willen beziehen. Nicht etwa dein Hochmut, nicht etwa eine unfreundliche alles nichtjüdische verachtende Gesinnung, überhaupt nicht dein Wille und dein Vorsatz, sondern dein Gott ist es, der dir dies sondernde Lebensregime gebietet. Du kannst es ihm aus deinen heiligen Büchern nachweisen, die vielleicht er selber als göttliche Satzung achtet, und jedenfalls — wenn Hass überhaupt nur dächte, wenn Hass überhaupt nur Vernunft annehmen wollte — du könntest ihn leicht der Unvernunft, ja der Lächerlichkeit seiner Gehässigkeit überführen, die er dir angeblich wegen deiner absonderlichen und sondernden Lebensweise zuwendet. Bist du aber kein ganzer Jude mehr, ist dir selber das göttliche Gesetz nicht mehr göttlich, nicht mehr unantastbar heilig, was willst dem Judenhass entgegnen, wenn er in allem was du noch hältst von diesem Gesetz, in allem, was dich noch vom Nichtjuden sondert, nichts als Starrsinn, Hochmut, Eigensinn und Gott weiß welches sonst gesamtheitsfeindliche separatistische Gelüste erkennen will? Womit willst du es entschuldigen, wenn du dem Teil, den du bereits vom göttlichen Gesetz gebrochen, nicht auch noch den Rest, den du noch hältst, nachwirfst und statt halber Jude zu sein ganzer Nichtjude wirst? Auf deinen Gott kannst du dich nicht berufen; dem hast du mit deinem Abfall den Gehorsam gekündigt; fortan ist´s nicht sein Wille, sondern dein Belieben, das deinen Lebenswandel gestaltet, nicht Er, sondern du hast ihn zu vertreten und eben wenn du als Jude dich „mit ihm zur Tafel setzt“ hat Haman ein Recht dir sein  [19] יֶשְׁנוֹ עַם אֶחָד וגו‘ verlästernd vorzuwerfen.

Solche Hamanzeiten jüdischer Halbheit und vollendeten Judenhasses sind es aber, in welchen das jüdische Volk wahrhaft als „מגועל“, wahrhaft, wie man spricht, hier und dort verloren erscheint. Es hat die Gottesfreundschaft aufgekündigt, und die Menschenfreundschaft nicht gewonnen. Die Völker, an deren Türen es um Einlass bettelt, finden es noch nicht „reif“ für die Aufnahme und schließen es aus. Aus dem Gottesbund, in welchem es ewig seinen Stand und seinen Halt finden sollte, hat es sich selbst ausgeschlossen. In solchen Zeiten scheint es haltlos zwischen Himmel und Erde verloren zu schweben, und „gleichwohl“ spricht Gott.

[20]לֹא גְעַלְתִּים בִּימֵי הָמָן, שֶׁהֶעֱמַדְתִּי לָהֶם מׇרְדֳּכַי וְאֶסְתֵּר, selbst in Hamans Zeit hatte ich sie nicht verworfen, denn ich stellte ihnen Mardochai und Esther, Mardochai, den אִישׁ יְהוּדִי, den „jüdischen Mann“, der, nach dem Ausdruck der Weisen [21] מוּכְתָּר בְּנִימוּסוֹ, seine Krone in seinem Gesetz fand, seinen Stolz in seinem Gesetz, seine Männerwürde in seinem Gesetz, der sein Judentum unbeugsam in allen Verhältnissen bewahrte, Jude war als Exilierter, Jude und nichts als Jude als Onkel der Königin, Jude blieb als Minister und wie Werkzeug der leiblichen Rettung des jüdischen Volkes, so einer der ersten Mitarbeiter an seinem geistigen Aufbau für die Jahrtausende des Exils — und Esther, die holdselige Judas Tochter, die auf dem Weg zum Thron den jüdischen Geist und das jüdische Leben nicht vergaß, für welches sie im Haus ihres Erziehers erzogen, die als Königin Jüdin blieb und zur Rettung ihres Stammes ihre Krone und ihr Leben wagte — das Geschlecht, das in Mardochai und Esther seine Blüte verehrte, war auch in seinen Wurzeln und Zweigen noch gesund, nicht so tief wie es schien war der Geist des Schwankens und des Abfalls gedrungen —[22] הֵם לֹא עָשׂוּ אֶלָּא לִפְנִים — das Beispiel eines Mordochai und einer Esther, die erschütternde Katastrophe eines Haman genügte, um die Juden unter persischem Zepter so gründlich zur Besinnung zu bringen, dass [23] לַיְּהוּדִ֕ים הָֽיְתָ֥ה אוֹרָ֖ה וְשִׂמְחָ֑ה וְשָׂשֹׂ֖ן וִיקָֽר  dass sie ihr Licht wieder in ihrer תּוֹרָה, ihre Freude, ihre Wonne, ihre Ehre in ihren מִצְוֹת begrüßten und תּוֹרָה וּמִצְוֹת fortan auf persisch-babylonischem Exilsboden eine so treue Pflege fanden, dass, als im jüdischen Lande, wohl in Folge der syrogriechischen Kämpfe und der hasmonäischen dynastischen Verirrungen der Baum der Thora-Wissenschaft zu welken drohte „Hillel der Babylonier“ kommen, und neues Leben und neue Blüte der Wissenschaft des göttlichen Gesetzes auf jüdischen Boden aus dem Lande des Exils bringen konnte.

Denn es kamen die „Zeiten der Griechen“, יְמֵי יְוָנִים, wo mehr noch als zu Hamans Zeit „לְכַלֹּתָם“, Vernichtung, Israels unvermeidliches Geschick zu sein drohte. Haman verzweifelte daran Israel sittlich töten zu können und eben wegen dieser seiner „starren Unverbesserlichkeit!“ hatte er seinen materiellen Untergang beschlossen. Der Grieche glaubte an die selbst Israel gegenüber unwiderstehlich Geister und Sinnlichkeit bezwingende Kraft seiner Götter und wollte Israel durch materielle Marter und Köder geistig-sittlich vernichten. Seitdem die imposantesten Heeresmächte der Perserkönige vor dem kleinen Häuflein griechischer Begeisterung den Rücken gewandt, war der Glaube an den Sieg des europäischen Geistes über die orientalische Macht und an die Mission des europäischen Geistes zur Bezwingung und Europäisierung der Nationen des Orients in die Brust der Völker gedrungen. Der makedonische Held zog das Schwert in dem Glauben an eine solche Sendung, und die Unterjochung der Völker bis zum Indus[24] hin hatte diesem Glauben bereits eine tatsächliche Verwirklichung gebracht, die selbst durch seinen frühen Tod keinen völligen Rückgang fand. Seine Feldherrn teilten sein Reich und über die reichsten und gebildetsten Länder des Orients führten griechische Dynasten das Zepter. Vor allem war nach wenigen Geschlechtern ein Fürst von dem blinden Glauben an einen solchen Sieg des hellenischen Geistes erfüllt und von einer fanatischen Wut gestachelt, diesen Sieg schonungslos und rücksichtslos zur Geltung zu bringen, und das war gerade der Fürst, dessen Herrschaft auch Judäa als untertänige Provinz einverleibt war. Antiochus Epiphanes sah in dem jüdischen Geist und dem jüdischen Leben, die in Judäa ihr gesondertes Reich hatten, eine beschimpfende Verhöhnung des zur Weltherrschaft bestimmten hellenischen Geistes, und er beschloss mit allen Verlockungen der Verführung und allen Schrecken der Gewalt Israel zu seinen Göttern zu bekehren, oder zu vernichten. Und wohl mochte er sich mit der Hoffnung auf diesen Bekehrungssieg schmeicheln. Sah er doch bereits die Spitzen der jüdischen Staatsgesellschaft dem Hellenismus geneigt. Waren doch schon Priester und Große der Sinne schmeichelnden griechischen Bildung und der Interessen schmeichelnden Aussicht auf antiochisches Bürgerrecht nicht widerstanden. Hatten ihn doch Männer aus jüdischem Priesterstand selbst zur Unternehmung dieses Bekehrungskrieges ermuntert, und wohl mochte er in der Gesetzestreue des Volkes nichts als — nötigenfalls mit Gewalt zu brechenden — „Pöbeltrotz“ und „Pöbelunverstand“ erblicken, da ja bereits die Leiter des Volkes, die „Gebildeten“, die „Intelligenten“, die Reichen der „Reform zum Hellenismus“ in ihrem Leben und in der Erziehung ihrer Kinder mit Begeisterung huldigten!

Da allerdings schien לְכַלֹּתָם, schien Israels Untergang Israel nahe — und gleichwohl לֹא מְאַסְתִּים וְלֹא גְעַלְתִּים לְכַלּוֹתָם בִּימֵי יְוָנִים שֶׁהֶעֱמַדְתִּי לָהֶם שִׁמְעוֹן הַצַּדִּיק, וְחַשְׁמוֹנַאי וּבָנָיו, וּמַתִּתְיָה כֹּהֵן גָּדוֹל!

Schon als der hellenische Held seinen Siegerfuß auf Palästina gesetzt und von politischen Rachegefühlen und von judenfeindlichen Einflüsterungen zum besonderen Zorn gegen Judäa angestachelt, an der Spitze seiner Heere gen Jerusalem zog, war ihm Simeon der Gerechte[25] — einer der letzten jener „großen Versammlung“ unter deren frühsten Gliedern bereits Mordechai geglänzt — in seinem hohepriesterlichen Gewande entgegen getreten, und zum Staunen seiner Fürsten und Heere hatte Alexander beim Anblick Simeons seinen königlichen Siegeswagen verlassen und sich vor Simeon, dem jüdischen Hohepriester — gebeugt. Er erblickte da, hatte er seiner staunenden Umgebung geantwortet, das Ideal, das ihm auf seinen Heereszügen voranschwebe — [26] דְּיוֹקָנוֹ שֶׁל זֶה אֲנִי רוֹאֶה כְּשֶׁאֲנִי יוֹרֵד בַּמִּלְחָמָה וְנוֹצֵחַ — So war es dem griechischen Genius gleich bei seiner ersten Berührung mit Juda gezeigt, wäre er gleich gesendet den Orient zu überwinden, so schaue doch im Orient selbst von Asiens Vorhut am Mittelmeere ein noch höherer Genius nach Europa hinüber, in welchem selbst der alle anderen überwindende griechische Genius seinen Meister und Überwinder anzuerkennen haben werde. Selbst Japhet wird vor Schem sich beugen und der hellenische Sieger ist nur ein Vorherold für den jüdischen Geist. Alexanders unwürdigster Nachfolger, Antiochus Epiphanes hatte in seiner fanatischen Verblendung dies vergessen. Schon vermeinte er über den jüdischen Gott zu triumphieren, hatte ihm bereits Tempel, Priester und Fürsten entrissen und sandte nun seine Schergen aus um die Erfüllung seines Gesetzes auch in den Kreisen des Volkes mit Feuer und Schwert zu vertilgen, da — als bereits לְכַלֹּתָם die Stunde des jüdischen Untergangs geschlagen zu haben, und kaum noch das Licht des jüdischen Genius irgendwo eine Zufluchtsstätte zu haben schien — da lockerte plötzlich mitten in der Geistesnacht die Flamme der reinsten Gottesbegeisterung in dem Schoß einer Familie, in der Brust eines Priestergreises auf, der fern von dem Getriebe der Hauptstadt in ländlicher Zurückgezogenheit im Gebirge sich und die Seinen bei Gott und seinem Gesetz zu erhalten und in der Stunde der Versuchung mit einem solchen Gottesmut, mit einer solches Gottesbegeisterung für Gott und sein heiliges Gesetz den Schergen des griechischen Gottes gegenüber aufzutreten wusste, dass sich an seinem Licht und seinem Feuer wieder das Bewusstsein und der Mut des Volkes zu einer solchen Kraft und einem solchen Feuer entzündete, dass der griechische Gott und sein gekrönter Satellit samt seinen Schergen vom jüdischen Boden verjagt, das Gebiet des göttlichen Gesetzes und der jüdische Genius von der letzten Spur hellenischen Unwesens gesäubert und der staunenden Mitwelt und der bewundernden Nachwelt zum Trost und zur Belehrung gezeigt wurde: dass selbst in so drohendster Gefahr hereinbrechender Geistesnacht und Vernichtung לֹא מְאַסְתִּים וְלֹא גְעַלְתִּים לְכַלּוֹתָם , die jüdische Treue und der jüdische Geist aus den Kreisen des Gottesvolkes nie ganz verschwindet und zur mitternächtlichsten Stunde Gott seine Hasmonäerfamilie in seinem Volk zu finden weiß, die genügen um sein Gesetz und sein Heiligtum aus der tiefsten, an Vernichtung grenzenden Erniedrigung wieder zur Höhe des siegreichsten Lichtglanzes zu erheben.

Und als nun der letzte, schwerste Akt der jüdischen Galuthgeschichte, das römische Galuth mit seiner in alle Länder streuenden Zersplitterung und seinem in uferlose Zukunftsferne weisenden Verhängnis sich eingeleitet hatte, — als die Sprossen der Hasmonäerfamilie selbst nur zu bald dem Geist ihrer Ahnen untreu wurden und, während sie dem hellenischen Geist so siegreich widerstanden, doch der Versuchung der Selbstsucht und der Ruhmsucht, dem Beispiel römischer Cäsaren-Politik nicht gewachsen waren, und selber die gigantische Macht zum Schutzherrn und Schiedsrichter geladen hatten, die sehr bald mit ihrem eisernen Fuß das hohlgewordene judäische Staatsgebäude zu Trümmern trat, und die Söhne dieses Volkes nun hinaus mussten, bodenlos, haltlos, — sehr bald rechtlos und ehrlos — immer weiter und weiter sich in die Brandung einer, in Fäulnis des Todes und in Gebären einer sich vorbereitenden verjüngten Lebens gährenden Völkerwelt verloren, und diese Welt immer judenfeindlicher wurde, bei allen ihren Gegensätzen, im Judenhohn und Judenhass sich einträchtig begegnete, ja gar bald dahin kam Judenhohn und Judenhass zum dämonischen Religionsprinzip zu weihen und den Hass und Verachtung säenden Glaubensartikel von den „verfluchten und verworfenen Juden“ in die frühesten Anschauungen und Gefühle aller ihrer aufkeimenden Kinderseelen zu pflanzen — als unter Zepter und Krummstab — des römischen Reichs und der römischen Kirche, Katechismus und Kodex und das äußere Geschick sich vereinigten, die armen Juden als die von Gottes Gnade und daher von jeglichem Anspruch auf Menschen-Recht und Menschen-Milde Ausgeschlossenen darzustellen — und gleichwohl Gottes Gnade sie nicht verließ, gleichwohl Gottes Allmacht sie schirmte, gleichwohl Gottes Waltung sie nicht untergehen ließ und sie trotz Zepter und Krummstab, trotz Stein- und Speichelwurf, trotz Ghettis und Kerkernacht, trotz Vertreibungen und Feuertode, Gott gleichwohl zum angestaunten Weltenwunder aufrecht hielt und sie alle ihre Verfolger überleben ließ — war es da bloß dieser allmächtige Schutz nach außen, in welchem sich das אַף גַּם זֹאת dieses gewaltige „gleichwohl“ der göttlichen Verheißung bewährte, oder war es nicht selbst in diesen nächtlichsten Jahrhunderten, und gerade in ihnen, in welchen das mitten in all dem Jammer sich entfaltende innere Leben des jüdischen Volkes die leuchtendsten Beweis lieferte und jedem denkenden Juden — und Nichtjuden — das Bewusstsein zur unerschütterlichen Gewissheit bewahrheiten muss, dass: [27] וְאַף־גַּם־זֹ֠את בִּֽהְיֹותָ֞ם בְּאֶ֣רֶץ אֹֽיְבֵיהֶ֗ם לֹֽא־מְאַסְתִּ֤ים וְלֹֽא־גְעַלְתִּים֙ לְכַלֹּתָ֔ם לְהָפֵ֥ר בְּרִיתִ֖י אִתָּ֑ם, dass gleichwohl selbst im Land ihrer Feinde Gott sie nicht verachtet und nicht verworfen sie zu vernichten seinen Bund mit ihnen aufzuheben! [28]״לְהָפֵר בְּרִיתִי אִתָּם״ — בִּימֵי רוֹמִיִּים, שֶׁהֶעֱמַדְתִּי לָהֶם שֶׁל בֵּית רַבִּי וְחַכְמֵי דוֹרוֹת!

Welche blind zutappende Dummheit möchte im Ernst behaupten, seitdem die Juden im römischen Reich zerstreut wurden habe Gott seinen Bund mit ihnen aufgehoben, wenn sie das Geistesleben sieht, das gerade in den Jahrhunderten des römischen Galuth aufgeblüht, wenn sie die Kraft und die Beseligung erwägt, die dieses Geistesleben in Erleuchtung und Veredlung unserer Geister und Herzen, unseres Familien- und Gemeindelebens bewährte, wie eben dieses Geistesleben und die Kraft und Beseligung, die es unseren inneren Verhältnissen brachte, die Quelle des Mutes und der Stärke gewesen, mit welchen wir alle äußeren Schläge ausdauernd und heiter ertrugen, und wenn sie die glänzende Reihe jener Männer des Geistes an dem inneren Auge vorüber gehen lässt, die Gott wie voranleuchtende Feuersäulen jedem Geschlecht unserer nächtlichsten Galuthzeiten in seiner Barmherzigkeit und Gnade geweckt hat!

Seht die Zerstreuten im römischen Reich und das römische Reich, das sie zerstreute! Wohl mochte Rom sich stolz, „die Ewige“ nennen und mit Verachtung auf das zu seinen Füßen sich verblutende Israel blicken, das ihm die Bestimmung des Weltensieges und der Welterlösung streitig zu machen wagt. Als es Judäa bezwang stand es auf dem Gipfel seiner Weltherrschaft. Jerusalems Fall war eine der letzten Eroberungen, die es seinem Reich gewann und als es seine Adler auf Zions Hügel pflanzte gehorchte von Britannien im Norden und von Hispanien im Westen bis zum südöstlichen Judäa eine zitternde Welt Rom. Wohl hatte es damit bereits den Höhepunkt seines Glanzes überschritten. Es brach unter der eigenen Wucht durch die innere Fäulnis seines Kolosses zusammen. Allein, indem es fiel ward gleichwohl sein Genius zum Sieger seiner Besieger und warf gar bald ein doppeltes Band bezwingender Herrschaft um den Nacken der Völker. Das römische Recht und die römische Kirche, die von der Siebenhügelstadt ausgingen, diktierten Jahrhunderte herab der europäischen Menschheit das unantastbare Schema, in welchem sie sich mit ihrem Verhalten zueinander auf Erden und ihren Beziehungen zu ihrem Gott im Himmel zu bewegen hatte, und noch bis auf den heutigen Tag dominiert der Adlergriff des römischen Genius mit diesem Doppelblitz des Himmels und der Erde bis tief hinein in das Herz aller bürgerlichen und kirchlichen Lebensgestaltungen der Kulturvölker auf Erden. Und es hätte dieser römische Esau-Genius nicht Recht sich als den gottgesandten Meister dieser Erde zu begreifen, hätte nicht Recht sich als den Erben des einst dem Jakobsvolk erteilten Gottessegens und Gottesbundes zu betrachten, dessen Söhne er von ihrem Boden vertrieben und sie sodann Jahrhunderte herab durch sein Recht und seine Kirche von allem Recht auf Erden und aller Gnade im Himmel ausgeschlossen, es hätte dieser römische Genius nicht Recht mit höhnendem Hochmut zu verkünden, Gott habe die Juden ihm überantwortet לְהָפֵר בְּרִיתוֹ אִתָּם, um damit seinen Bund mit ihnen zu vernichten??!

Und gleichwohl — selbst vom Staub auf, selbst den römischen Esau-Fuß auf seinem Nacken könnte Jakob festen Auges Roms Genius ins Auge schauen, könnte, ehe er sich als den Überwundenen, Vernichteten und seinen Unterdrücker als den siegreichen Erben seiner welterlösenden Bestimmung bekennt, könnte ihn fragen nach dem Heil und dem Frieden, nach dem Glück und der Wohlfahrt, die seine Weltherrschaft gebracht, fragen nach der Summe der Freiheit und des Rechts, nach der Summe der Erleuchtung und Veredlung, die seine Kirche gebracht, könnte ihn hinweisen auf zertrümmerte Städte, auf eingeäscherte Hütten, auf gemordete Leiber, auf gebrochene Herzen, auf geknechtete Völker, auf vernichtete Nationen, auf verzweifelte Gemüter, auf geblendete Geister, auf geheiligten Fanatismus, auf gepredigten Wahn, auf sanktionierte Gewalt, auf verleugnete Wahrheit, auf verlachte Menschlichkeit, auf verhöhnte Menschenwürde, auf Verbrechen und Elend, auf Jammer und Laster, auf den ganzen Schrei aller bis auf den heutigen Tag dahingegangenen Zeiten, die alle den lautesten Protest gegen den Wahnwitz erheben, als hätte Romas Esau-Genius bereits das Heil und die Erlösung der Welt gebracht, könnte bei den Särgen und Gräbern der Menschheit und der Menschlichkeit erst Rechenschaft fordern — wenn es überhaupt Jakobs Beruf wäre mit Esau über den Ruhmeskranz zu rechten, den dieser sich selbst um das lockige Haar zu flechten für gut findet. Auch auf kein wohlverdientes Blättchen in diesem Kranz braucht Jakob etwa mit Neid oder Scheelsucht[29] zu blicken, kann mit voller Gerechtigkeit, mit innigster Genugtuung alles würdigen, was unter dem vielen Beklagenswerten und Tränenreichen Esaus Genius doch auch als das Heil und die Erleuchtung und die Erlösung vorbereitend der Menschheit nicht minder gebracht. Denn das Wahrste und Beste — alles, was wirklich und wahrhaftig von Schuld und Elend erlösend die Menschheit aus Esaus Händen erhalten, das war ja selbst — mittelbar oder unmittelbar — aus dem reichen Blütengarten des Jakobsgeistes gepflückt, und eben nur auf diesen Paradiesesgarten des Geistes, den Jakob mit hinausgerettet aus dem Zusammensturz aller seiner übrigen Habe, und auf die Männer, die Gott der Herr zu jeder Zeit rettend in allem unserem Jammer zu treuen Gärtnern und Pflegern dieses Geistesgartens ihm „bestellt“, darauf, auf die Träger und Pfleger des jüdischen Geistes und der jüdischen Wissenschaft und des jüdischen Volkes durch den jüdischen Geist und die jüdische Wissenschaft mitten in allem Galuth die Esaus Herrschaft dem Volk und seinem Geist bereitete, auf sie hätte Jakob nur ruhig und ernstlächelnd mit der Frage hinzuweisen: wo der Geist und die Wissenschaft solche Triumphe wie nirgends sonst auf Erden feiern konnte, da willst du den Kreis einen verworfenen, und das Volk ein von Gott verfluchtes nennen, da willst du es verkennen, dass mitten durch deine Nacht die Bundeslade der Gotteslehre mit ihnen gewandert und mit der Bundeslade die Gottesherrlichkeit und die Gottesgnade, und der Gottessegen und der Gottesgeist, der auf den Höhe-Gipfeln seiner Geschlechter geleuchtet und noch den letzten seiner Söhne belebend und beseligend durchdrungen — wo Gott Seinen Geist und die Wissenschaft Seines Wortes eine solche Blüte und ein solches Leben wie nirgends sonst auf Erden finden ließ, da — willst du lästernd sprechen — habe er längst seinen alten Bund aufgehoben?!

Wie nirgends sonst auf Erden? Ja wohl, wie nirgends sonst auf Erden! Siehe, nicht etwa die Geistesheroen der ältesten Zeiten Israels, siehe nur [30] שֶׁל בֵּית רַבִּי וְחַכְמֵי הַדּוֹרוֹת, seit Rabbi[31], dem Freunde des Antoninen, in welchem zum ersten und vielleicht für lange Zeit zum letzten Male Esaus Genius dem Jakobsgeiste Verständnis und Achtung gezeigt, alle Zeiten hindurch, die immer dunkler und dunkler wurden, die ununterbrochene Reihe der Weisen Israels, siehe was sie gewesen und was sie gewirkt, und dann suche dir eine Parallele zu ihrem Sein und Wirken, suche wo du willst auf Erden nach einem Volkeskreis, in welchem der Geist und der Gedanke und die Wissenschaft nicht die bewegende Seele einzelner Denker, wo sie ganz eigentlich die Lebensseele eines ganzen Volkes geworden, wo die Gedankenrichtung eines ganzen Volkes an dem Ausbau einer Wissenschaft mit ununterbrochener Begeisterung anderthalb Jahrtausende gearbeitet, wo die Wissenschaft, wo irgend eine Wissenschaft, die Wissenschaft irgend eines menschlichen Gedankenzweiges den Triumph gefeiert, nicht die erheiternde Freundin nächtlich zurückgezogener Denker, die freundliche Trösterin des Philosophen im Kerker, nein, der Trost und der Reichtum, die Begeisterung und die Kraft eines ganzen Volkes zu werden, und sich in der Gestaltung eines ganzen Volkslebens in allen Phasen des Lebens und des Todes, des Geistes und Gemütes der Familie und der Gesellschaft mit einer Kraft, einer Erziehungsstärke, einer Begeisterungsfrische und einem Bildungserfolg also zu bewähren, wie dies die Wissenschaft der Thora getan, für welche die  חַכְמֵי יִשְׂרָאֵל seit Rabbi alle Galuthgeschlechter hindurch gelebt und gewirkt?

Fast gleichzeitig haben Jakob und Esau — äußerlich — an dem gleichen Werk gearbeitet. Fast in denselben Jahrhunderten, in welchen das römische Kaiserhaus an Kodifizierung des römischen Rechts und am Ausbau der römischen Kirche arbeitete und damit die beiden Faktoren schuf, die bis in unsere Tage hinein die Gestaltung der zivilisierten und zivilisierenden Welt beherrschten, hat שֶׁל בֵּית רַבִּי, hat das Haus Rabbis und die sein Werk fortsetzende Reihe חַכְמֵי הַדּוֹרוֹת an Kodifizierung und Entwicklung des Gottes-Rechts und der Gottes-„Kirche“ gearbeitet und damit die einheitliche Lebensgestaltung des zerstreuten Judas inmitten der römischen Welt auf dem Boden des Gotteswortes gerettet. Jenes das Menschenwerk, Esau würdig von der Gewalt des „Schwerts“ und der „Macht“ getragen. Dieses, das Gotteswerk, schwertlos, machtlos, ja alle Schwerter feindlich gegen es gezückt und alle Mächte gewaltig es bekämpfend, nur in dem Geiste und dem Leben eines Volkes gerettet, und dieser Geist mitten in der Nacht hell aufleuchtend, und dieses Leben mitten unter den Gräbern ringsum aufblühend. Das ist die Geschichte des Ringkampfes Jakobs und Esaus während des Galuth der römischen Nacht. Es kommt die Zeit, wo die Menschen einsehen, was ihnen das glorifizierte, von den Gewalten der Jahrhunderte überlieferte Menschenwerk gewesen und geworden. Das ist die Zeit, von welcher der Prophet verkündet, dass von aller Erden Ende zu Gott die Völker kommen werden und sprechen: [32] אַךְ־שֶׁ֙קֶר֙ נָחֲל֣וּ אֲבוֹתֵ֔ינוּ  הֶ֖בֶל וְאֵֽין־בָּ֥ם מוֹעִֽיל „ist doch Täuschung, was unseren Vätern überliefert, Tand, worin nichts Heilbringendes ist“. Das ist aber auch die Zeit, in welcher sie inne werden, wie eben nur das aus den Überlieferungen ihrer Väter sich wahrhaft erlösend und heilbringend an ihnen erwiesen, was sie als Blütenstaub von dem von Jakob still und duldend gepflegten Lebensbaum ihnen gebracht, und wofür die „Überlieferungen ihrer Väter“ nur das zeitliche hinfällige Gefäß gebildet, und dann schauen sie hinüber in das Lager Jakobs, sehen dort die Früchte, die dieser von dem „Haus Rabbis und den Weisen der Geschlechter“ gepflegte Baum unter allen Erschütterungen der Jahrhunderten, Volk erleuchtend, Volk veredelnd, Volk beglückend und beseligend getragen, und was sie dort sehen, — was sie freilich bereits Jahrhunderte herab gesehen nun aber erst begreifen und würdigen, — das hebt „den Gottesberg über alle Berge, das macht ihn getragen von allen sich ihm unterordnenden Hügeln und ihm strömen alle Völker dann zu. Zum Gottesberge wallen sie, zum Hause des Gottes Jakobs, dass es sie lehre von seinen Wegen, dass auch sie in seinen Pfaden wandeln“ und endlich, endlich ein Recht und eine Lehre lernen, die das Schwert und den Speer überwinden, und den Frieden auf Erden gründen lehren, das Recht und die Lehre, für welche שֶׁל בֵּית רַבִּי וְחַכְמֵי הַדּוֹרוֹת , alle Zeiten der Galuth hindurch gelebt und gewirkt. Dann wird man rückschauend erst recht begreifen wie: וְאַף־גַּם־זֹ֠את בִּֽהְיוֹתָ֞ם בְּאֶ֣רֶץ אֹֽיְבֵיהֶ֗ם לֹֽא־מְאַסְתִּ֤ים וְלֹֽא־גְעַלְתִּים֙ לְכַלֹּתָ֔ם לְהָפֵ֥ר בְּרִיתִ֖י אִתָּ֑ם כִּ֛י אֲנִ֥י יְהֹוָ֖ה אֱלֹהֵיהֶֽם!

[1] Wird oft mit Baraita übersetzt. Wikipedia: Baraita (aramäisch ברייתא ‚etwas, das außerhalb ist‘; pl. Baraitot) bezeichnet eine Lehrmeinung aus tannaitischer Zeit, die jedoch keinen Eingang in die Mischna gefunden hat.

[2] Leviticus 26:24

[3] Ester 3:8; “ein Volk, zerstreut und versprengt unter die Völker,“ (Übersetzung Rabbiner Dr. S. Bernfeld)

[4] Ester 3:8; „deren Gesetze unterschieden sind von denen der anderen Völker“ (Übersetzung Rabbiner Dr. S. Bernfeld)

[5] Ester 3:8; „das Gesetz des Königs halten sie nicht“ (Übersetzung Rabbiner Dr. S. Bernfeld)

[6] Ester 3:8; „und dem König bringt es nichts ein, wenn er sie läßt“ (Übersetzung Rabbiner Dr. S. Bernfeld)

[7] Ester 3:9

[8] Leviticus 26:44

[9] „Seine Zwingherren prahlen, spricht der Herr“ (Übersetzung Rabbiner Dr. S. Bernfeld)

[10] Altes Buchformat

[11] Jesaja 41:4; „die Geschlechter berufend von Anbeginn “(Übersetzung Rabbiner Julius Hirsch)

[12] Bartenura zu Pirke Avot 1:1

[13] Numeri 23:21; „Der Herr, sein Gott, ist bei ihm und Trompetenschall des Königs unter ihm.“(Übersetzung Rabbiner Dr. S. Bernfeld)

[14] Jeremiah 6:30

[15] Daniel 1:3; „… von den Kindern Israel, von dem Königshause und von den Edlen.“ (Übersetzung Rabbiner Dr. S. Bernfeld)

[16] Universität Wien: Die Bezeichnung Alumne (alumnus) leitet sich vom lateinischen Wort alere her, das „ernähren“ oder „erziehen“ bedeutet. Dementsprechend wurden Schüler oder sonstige Zöglinge als Alumnen bezeichnet. Im engeren Sinn wurde das Wort für Bezieher eines Stipendiums verwendet, die dadurch auch ernährt wurden.

[17] Psalm 137:5 „Wenn ich je deiner vergesse Jerusalem“

[18] Megilla 12a

[19] Ester 3:8;

[20] Megilla 11a

[21] Megilla 12b

[22] Megilla 12a; „Sie taten es nur zum Scheine“ (Übersetzung L. Goldschmidt)

[23] Ester 8:16

[24] Wikipedia: Der Indus  ist mit 3180 km der längste Fluss auf dem indischen Subkontinent und wichtigster Strom Pakistans.

[25] Über diese Person gibt es verschiedene Meinungen. Hirsch, Grätz, Josephus beziehen diesen Namen auf Simon I. (etwa 310-291 v. Chr.), während andere ihn als Simon II. (etwa 219-199 v. Chr.) identifizieren.

[26] Megillat Ta´anit, Kislev

[27] Leviticus 26:44; „Auch dann (und gleichwohl), wenn sie im Lande ihrer Feinde sind, habe ich sie nicht so verworfen und nicht so verstoßen, dass ich sie völlig aufriebe und meinen Bund mit ihnen bräche…“ (Übersetzung Rabbiner Dr. S. Bernfeld)

[28] Megilla 12a

[29] Neid, Missgunst

[30] Megillah 11a

[31] Wikipedia: J’hudåh ha-Nassï (hebräisch יהודה הנשיא), J’hudåh I. oder Rabbenu ha Qadosch (רבנו הקדוש, „unser heiliger Rabbi“), im Talmud meist nur Rabbi genannt (geb. ca. 135; gest. 15. Kislew 217 in Sepphoris), war ein wichtiger Patriarch und jüdischer Gelehrter des Altertums. Sein großes Verdienst ist die abschließende Redaktion der Mischna. Er schließt damit das Zeitalter der Tannaiten ab.

Nach dem Tod seines Vaters zog Jehuda nach Bet Sche’arim, wo er eine Synagoge und eine Schule leitete. Dank guter Verhältnisse zur römischen Administration wurde er um 190 zum Nasi bestimmt. Sein gutes Verhältnis zu Rom wird auch durch die Legenden (Antoninus und Rabbi) über seine Beziehungen zum römischen Kaiser gestützt, vermutlich Caracalla.

[32] Jeremia 16:19; „Nur Lüge haben unsere Väter ererbt, Nichtiges, nichts Förderndes ist daran.“ (Übersetzung Rabbiner Dr. Joseph Breuer)

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