Teweth.

Einfach wunderbar wie Rabbiner Samson Raphael Hirsch s“l hier die Mahnungen der Propheten übersetzt und sie in unsere heutige Zeit überträgt.

Diesen Artikel habe ich in der Zeitschrift „Jeschurun“, 2. Jahrgang, Heft 4, aus dem Jahr 1856 gefunden. Das Original finden Sie in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main unter https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2932826.

Der Text wurde dem heutigen Sprachgebrauch angepasst und mit Erklärungen versehen von Michael Bleiberg.

Aus Jerusalems letzten Tagen.

Was schenkten wir darum, wenn sich einmal das wissenschaftliche Interesse der Altertumsfreunde und der sie unterstützenden Regierungen den „heiligen Stätten“ zuwendete und Ausgrabungen auf dem dreimal und viermal verschütteten Boden Jerusalems veranstaltete![1] Was schenkten wir darum, wenn da einmal die altersgraue Vergangenheit unserer Väter uns in gegenständlicher Wirklichkeit vor die Augen gerückt würde! Wir würden da vielleicht zu unserer Überraschung gewahren, dass wir jener Vergangenheit umso viel näherstehen, als wir gewöhnlich meinen! Wir würden unsere Väter und Mütter in ihren häuslichen Einrichtungen, ihren öffentlichen Tätigkeiten, in ihrem Familien- und Staatsleben erblicken, und siehe, dieselbe Bildung, derselbe Luxus, dieselbe Weisheit, dieselben Schwächen, dieselben Bedürfnisse, dieselbe Richtung des Strebens und Genießens, nur in der Wahl der Gegenstände eine andere, nur in der Art der Ausführung verschieden. Und führte uns nun ein guter Genius gar ein abgerissenes Blatt einer damaligen jüdischen Times, eines damaligen jüdischen Moniteurs, ein Stück Judenzeitung und Volksblatt aus den Zeiten eines Josias, Joachin, Zidkijah zu Händen, und es spräche sofort leserlich und verständlich zu uns, es wäre keine Keilschrift[2], deren Zeichen wir erst aus andern Voraussetzungen zu enträtseln versuchen müssten, — wie würden wir da vielleicht staunen zu finden, dieselben Hebel der politischen Bewegung der Zeiten, dasselbe Spiel der Interessen, dieselbe Berechnung und Verrechnung, dieselben Bundesschlüsse und Brüche, Koterien[3], Kamarillen[4] — und im religiösen Leben derselbe Leichtsinn, derselbe Ernst, dieselbe Wahrheit, dieselbe Lüge, dieselben Schattierungen in allen Nuancen, von dem glühendsten Eifer bis zur eisig glotzenden Gleichgültigkeit, von der höchsten Gottesbegeisterung bis zur schmählichsten Götzenknechtschaft, — politisch, religiös, dieselben Interessen, dieselben Kämpfe, derselbe Mut, dieselbe Verzweiflung, — wie würden wir es vielleicht finden, die Welt ist nie jung gewesen, ist gar nicht alt geworden, auch damals tout comme chez nous[5], dieselben Prinzipien, dieselben Hebel der Bewegung, andere Namen, andere Formen, andere Äußerlichkeiten und die Art der Äußerung verschieden —

Doch braucht der Wunsch nach lebendiger Kunde unserer Vergangenheit nicht auf jene Auferstehung unserer Toten durch die Grabscheid[6] eines Layard[7] und Rawlinson[8] zu warten. Es hat eine gütige Vorsehung auf andere Weise gesorgt, uns jederzeit ein lebendiges Bild jener Vergangenheit zugänglich zu machen. Ehe das politische und religiöse jüdische Staatsleben verging, hatte sie Männer im jüdischen Kreis geweckt, die dem Volk und seinen Führern den Spiegel ihrer Gegenwart vorhalten, das Bild ihrer Zukunft enthüllen sollten die mit vom Gottesgeist geschärftem Adlerblick in das Innerste der Zustände zu dringen, mit von Gottes Hauch berührter Lippe das Erschaute zu zeichnen verstanden und in deren Mahnungen und Reden sich mit Daguerrotypentreue[9] die Menschen und Zustände abspiegeln.

In der Tat brauchen wir nur die Blätter der Propheten zu fragen, um uns das lebendigste Bild jener Vergangenheit vor die Augen zu zaubern.

Der zehnte Teweth bringt uns den Gedächtnistag der Belagerung Jerusalems. Wagen wir einen Blick ins Jerusalem zur Zeit der Propheten.

Es war eine fröhliche, heitere Stadt, die alte Königstadt Jerusalem. Hoch ragten ihre Paläste (Jerem. 17: (ארמנות ירושלים. Stattliche Häuser, geräumige Etagen mit großen Fenstern, Zederngetäfel und Malereiverzierungen bezeichneten die Wohnungen der Vornehmen (ibid. 22:14 בֵּ֣ית מִדּ֔וֹת וַעֲלִיּ֖וֹת מְרֻוָּחִ֑ים וְקָ֤רַֽע לוֹ֙ חַלּוֹנָ֔י וְסָפ֣וּן בָּאָ֔רֶז וּמָשׁ֖וֹחַ בַּשָּׁשַֽׁר), die auch Wintergemächer enthielten, in welchen offene Kamine Wärme verbreiteten (ibid. 36:22  (בֵּ֣ית הַחֹ֔רֶף בַּחֹ֖דֶשׁ הַתְּשִׁיעִ֑י וְאֶת־הָאָ֖ח לְפָנָ֥יו מְבֹעָֽרֶת (Es war das auch dort im Kislew Bedürfnis!) Wohlhabende Klassen waren dort emporgekommen, die ihren Stolz in immer größeren Besitztümern fanden, Grundstück nach Grundstück, Feld nach Feld erwarben, und zuletzt den Minderbesitzenden fast in den Schatten der Nonexistenz zurückdrängten (Jesaias 5:8  מַגִּיעֵ֥י בַ֙יִת֙ בְּבַ֔יִת שָׂדֶ֥ה בְשָׂדֶ֖ה יַקְרִ֑יבוּ עַ֚ד אֶ֣פֶס מָק֔וֹם וְהֽוּשַׁבְתֶּ֥ם לְבַדְּכֶ֖ם בְּקֶ֥רֶב הָאָֽרֶץ). Auch unter den Wohnungen der Toten bezeichnete Luxus die Ruhestätte des Reichen, der schon bei seinem Leben sich sein hochgewölbtes Felsengrab besorgte (ibid. 22:16 חֹצְבִ֤י מָרוֹם֙ (קִבְר֔וֹ חֹקְקִ֥י בַסֶּ֖לַע מִשְׁכָּ֥ן לֽוֹ. Und zu leben verstanden die wohlhabenden Jerusalemitaner. Es gab Bälle, Konzerte und Gastmähler, Weingelage mit Harfen, Pauken und Flöten (Jeremias 3 und 24  מְח֥וֹל מְשַׂחֲקִֽים. מְשׂ֣וֹשׂ תֻּפִּ֔ים. מְשׂ֥וֹשׂ כִּנּֽוֹר. בַּשִּׁ֖יר יִשְׁתּוּ־יָ֑יִן. כִנּוֹר וָנֶבֶל תּוֹף וְחָלִיל וָיַיִן מִשְׁתֵּיהֶם. ּ,( Déjeuner-Dînatoire-Soupers[10], sie verbrachten Tag und Nacht mit Essen und Trinken …. als ob es morgen zum Tode ginge (ibid. 22 שָׂשׂ֣וֹן וְשִׂמְחָ֗ה הָרֹ֤ג  בָּקָר֙ וְשָׁחֹ֣ט צֹ֔אן אָכֹ֥ל בָּשָׂ֖ר וְשָׁת֣וֹת יָ֑יִן אָכ֣וֹל וְשָׁת֔וֹ כִּ֥י מָחָ֖ר נָמֽו). Es gab Bonvivants[11], deren angelegentlichste Sorge beim Aufstehen war, den besten Trunk auszufinden, die früh aufstanden um sich in diesem wichtigen Geschäft von keinem zuvorkommen zu lassen, und spät in die Nacht hinein weilten, bis sie der Wein — illuminierte (ibid. 5:11 (מַשְׁכִּימֵ֥י בַבֹּ֖קֶר שֵׁכָ֣ר יִרְדֹּ֑פוּ מְאַחֲרֵ֣י בַנֶּ֔שֶׁף יַ֖יִן יַדְלִיקֵֽם. Es gab Kreise, deren Bravour im — Weintrinken bestand und wo sich das Talent in — der Kunst der besten Punschbereitung zeigte (ibid.5:22  גִּבּוֹרִ֖ים לִשְׁתּ֣וֹת יָ֑יִן וְאַנְשֵׁי־חַ֖יִל לִמְסֹ֥ךְ שֵׁכָֽר).  Auch die chronique scandaleuse[12] fehlte nicht (Jeremia 5), und es gehörte zum guten Ton der Jugend mit Obszönitäten die Rede zu würzen (Jesaias 9:16 (כָל־פֶּ֖ה דֹּבֵ֣ר נְבָלָ֑ה . Das waren die guten ruhigen Bürger zu Zion, die auf ein Haar ihren Kollegen in Samarien glichen, für die die schlechte Zeit in weiter, weiter Ferne lag, die sich auf elfenbeinernen Sofas wiegten, sich auf ihren Lagern reckten, immer nur den besten Widder aus den Schafen, das beste Kalb aus der Mast speisten, ein Bisschen auf der Harfe klimperten und sich ein David mit dem Instrument dünkten, nur aus Pokalen Wein tranken und sich immer nur mit den feinsten Ölen zu salben pflegten, und — sich keinen Deut aus dem Zusammenbruch des Ganzen machten (Amos 6: הַֽמְנַדִּ֖ים לְי֣וֹם רָ֑ע, הַשֹּֽׁכְבִים֙ עַל־מִטּ֣וֹת שֵׁ֔ן וּסְרֻחִ֖ים עַל־עַרְשׂוֹתָ֑ם וְאֹכְלִ֤ים כָּרִים֙ מִצֹּ֔אן וַעֲגָלִ֖ים מִתּ֥וֹךְ מַרְבֵּֽק, הַפֹּרְטִ֖ים עַל־פִּ֣י הַנָּ֑בֶל כְּדָוִ֕יד חָשְׁב֥וּ לָהֶ֖ם כְּלֵי־שִֽׁיר, הַשֹּׁתִ֤ים בְּמִזְרְקֵי֙ יַ֔יִן וְרֵאשִׁ֥ית שְׁמָנִ֖ים יִמְשָׁ֑חוּ וְלֹ֥א נֶחְל֖וּ עַל־שֵׁ֥בֶר יוֹסֵֽף הַשַּׁאֲנַנִּ֣ים בְּצִיּ֔וֹן וְהַבֹּטְחִ֖ים, בְּהַ֣ר שֹׁמְר֑וֹן). Gold und Silber, Edelsteine, köstliche Salben und Gewürze bildeten die Kostbarkeiten des Hauses (Jesaias 39:2 בֵּ֣ית נכתה [נְכֹת֡וֹ] כֶּסֶף֩ זָּהָ֨ב בְּשָׂמִ֜ים וְשֶּׁ֣מֶן הַטּ֗וֹב), musikalische Instrumente und Nippsachen gehörten so gut zum Hausmobiliar wie die Geräte der Küche (Jesaias 22:24 כֹּ֖ל כְּלֵ֣י הַקָּטָ֑ן מִכְּלֵי֙ הָֽאַגָּנ֔וֹת וְעַ֖ד כָּל־ כְּלֵ֥י הַנְּבָלִֽים), geschlagenes Silber aus Tartessos[13], künstlich verarbeitetes Gold, blauer und roter Purpur und ausländischer Schnitt gehörten zur Eleganz der Männerkleidung (Jeremias 10:9 כֶּ֣סֶף מְרֻקָּ֞ע מִתַּרְשִׁ֣ישׁ יוּבָ֗א וְזָהָב֙ מֵֽאוּפָ֔ז מַעֲשֵׂ֥ה חָרָ֖שׁ וִידֵ֣י צוֹרֵ֑ף תְּכֵ֤לֶת וְאַרְגָּמָן֙ לְבוּשָׁ֔ם), Glöckchen, Häubchen, Netzchen, Halsketten, Bracelets[14], Schleier, Kopfschmuck und Fußschmuck, Schnürchen, Broches[15], Ohr-, Finger- und Nasenringe, Überwurf und Mäntel, Taschentücher und Halstücher, Spiegel, Kopfputz und Spangen, Parfüm, Gürtel und Augenschminke waren Toilette-Gegenstände der Frauen (Jesaias 3:18  תִּפְאֶ֧רֶת הָעֲכָסִ֛ים וכ‘Jeremias4:30 תִקְרְעִ֤י בַפּוּךְ֙ עֵינַ֔יִךְ),  und eine vollständig geputzte Dame in Jerusalem war gesalbt, mit Stickereien bedeckt, hatte Schuhe vom feinsten, seltensten Leder, war in Byssus[16] gekleidet, in Seide gehüllt, mit Geschmeide geschmückt, hatte Armbänder an den Händen, Halskette um den Hals, Nasenring in der Nase, Ohrenringe im Ohr, und ein schmückendes Diadem auf dem Kopf (Ezechiel 16:9-12 וָאֲסֻכֵ֖ךְ בַּשָּֽׁמֶן׃ וָאַלְבִּישֵׁ֣ךְ רִקְמָ֔ה וָאֶנְעֲלֵ֖ךְ תָּ֑חַשׁ וָאֶחְבְּשֵׁ֣ךְ בַּשֵּׁ֔שׁ וַאֲכַסֵּ֖ךְ מֶֽשִׁי׃ וָאֶעְדֵּ֖ךְ עֶ֑דִי וָאֶתְּנָ֤ה צְמִידִים֙ עַל־יָדַ֔יִךְ וְרָבִ֖יד עַל־גְּרוֹנֵֽךְ׃ וָאֶתֵּ֥ן נֶ֙זֶם֙ עַל־אַפֵּ֔ךְ וַעֲגִילִ֖ים עַל־אָזְנָ֑יִךְ וַעֲטֶ֥רֶת תִּפְאֶ֖רֶת בְּרֹאשֵֽׁךְ׃ ) „Die Schöne und Wohllebende“ ward darum die Zionsstadt genannt (Jeremias 6:2 הַנָּוָה֙ וְהַמְּעֻנָּגָ֔ה דָּמִ֖יתִי בַּת־צִיּֽוֹן); aber auch die „geräuschvolle, lärmende, fröhliche Metropole“ (Jesaias 22:2 תְּשֻׁא֣וֹת מְלֵאָ֗ה עִ֚יר הֽוֹמִיָּ֔ה קִרְיָ֖ה עַלִּיזָ֑ה). Rosse, Wagen, Kutschen, Maultiere, Dromedare durchzogen die Stadt (ibid. 66:20 בַּסּוּסִ֡ים וּ֠בָרֶכֶב וּבַצַּבִּ֨ים וּבַפְּרָדִ֜ים וּבַכִּרְכָּר֗וֹת).   Lasttiere und Prachtkarossen (ibid. 30:6 עַל־כֶּ֨תֶף עֲיָרִ֜ים חֵֽילֵהֶ֗ם וְעַל־דַּבֶּ֤שֶׁת גְּמַלִּים֙ אֽוֹצְרֹתָ֔ם idib. 22:18 מַרְכְּב֣וֹת כְּבוֹדֶ֔ךָ), Hochzeitreigen (Jeremias 33:11 ק֣וֹל שָׂשׂ֞וֹן וְק֣וֹל שִׂמְחָ֗ה וכו‘)  und Trauergefolge (ibid. 16:5 אַל־תָּבוֹא֙ בֵּ֣ית מַרְזֵ֔חַ וכו‘), jubelnde Zecher (Jesaias 24:9 בַּשִּׁ֖יר לֹ֣א יִשְׁתּוּ־יָ֑יִן וכו‘), fürstliche Reiter (Jeremias 17:25 ְשָׂרִ֡ים … רֹכְבִ֣ים בָּרֶ֣כֶב וּבַסּוּסִ֗ים), Greise und Greisinnen vor den Häusern sitzend, auf Stäben vor Alter gelehnt, und vor ihnen spielende Knaben und Mädchen auf den Gassen (Secharia 8:4-5 עֹ֤ד יֵֽשְׁבוּ֙ זְקֵנִ֣ים וּזְקֵנ֔וֹת בִּרְחֹב֖וֹת יְרוּשָׁלִָ֑ם וְאִ֧ישׁ מִשְׁעַנְתּ֛וֹ בְּיָד֖וֹ מֵרֹ֥ב יָמִֽים׃ וּרְחֹב֤וֹת הָעִיר֙ יִמָּ֣לְא֔וּ יְלָדִ֖ים וִֽילָד֑וֹת מְשַׂחֲקִ֖ים בִּרְחֹֽבֹתֶֽיהָ׃).  — Und mitten inne das bunteste Treiben geschäftiger Industrie: Heilkünstler (Jesaja 1), Metallscheider (ibid. 1), Schwerter, Sensen, Speere, Messer, Panzer und Helme, Bogen und Pfeile verfertigende Schmiede (ibid. 2, ibid. 59), Vieh- und Pferdezüchter (ibid. 2, 7, 30, 59), Wagner (ibid. 2), Türme, Mauern und Lustschlösser aufführende Baukünstlers (ibid.32), Kanalbauer (ibid. 7), Wäscher (ibid. 7), Schreibkünstler (ibid. 8, 30), geheimnisvolle Professoren der höheren Magie (ibid. 8), Beil und Säge tragende Zimmerleute (ibid. 10), kunstverständige Gärtner, Acker- und Weinbauer (Jes. 5, 17, 28), Richtschnur und Bleilot tragende Maurer (ibid. 28), Gelehrte (ibid. 40), Schreiber (ibid. 30), Schiffer (ibid. 33), Dolmetscher (ibid. 36), Weber (ibid. 44, 3), Musiker (ibid.), Messkünstler (ibid. 40), Gold- und Silberarbeiter (ibid. 40), Polierer (ibid. 41), Schmiede (ibid. 41), Tischler (ibid. 41), Schwertfeger (ibid. 41), Bildhauer (ibid. 44), Schäfer (ibid.53), Bauern (ibid. 61), Winzer (ibid.61), Töpfer (Jerem. 18, 19), Bäcker, Metzger, Köche, Schneider, Schuster, Galanteriearbeiter, Modewarenhändler, Kaufleute — Das dürfte ein ungefähres Bild Jerusalems in seiner äußeren Erscheinung gewähren.

Und an der Spitze dieser ganzen reichen, genießenden, arbeitenden Residenz, eine, mit allen monarchischen, administrativen, juridischen, polizeilichen, militärischen, inneren und äußeren politischen Gliederungen wohlversehene staatliche Leitung. Ein königlicher Hofstaat mit Fürsten und Hofbedienten (Jerem. 34:19 שָׂרִים וְסָרִיסִים), Schlosshauptleuten und Uniform, Schärpe und Schlüssel tragenden Kammerherren (Jes. 22:מֻצָּב, מַעֲמָד, כְּתֹנֶת אַבְנֵט מְפַתֵּחַ סוֹכֵן סַכָּן ). Eine königliche Regierung mit Staatsräten, Departementschefs, Senatoren und Notabeln, Legislatoren, Kanzleiräten, Protokollisten und Schreibern, Statistikern, Münz- und Eichamt, Beamten, Oberindustrieräten, Physikern (Jes. 3, 9, 10, 33, 36, Jerem. 20: זקן ונשוא פנים, שר חמשים, יועץ נבון לחש, חכם חרשים, פקיד נגיד, שוקל, סופר מגדלים, סופרים, מחתהים, מזכיר מחוקקים), und — im Dienste der Regierung stehende Redner und Propheten, die „den Schweif“ der Regierung bildeten und wedelten oder um sich schlugen, wie es den gouvernementalen „Häuptern“ gefiel (Jes. 9:14  זָקֵ֥ן וּנְשׂוּא־פָנִ֖ים ה֣וּא הָרֹ֑אשׁ וְנָבִ֥יא מֽוֹרֶה־שֶּׁ֖קֶר ה֥וּא הַזָּנָֽב׃). Eine Justiz mit Richtern, Zeugen, Akten und Schreibern (סוֹפְרִים עֵדִים, שׁוֹפְטִים). Eine Polizei mit Exekutoren[17], Gewahrsamen, Gefängnissen, Kerker in allen Abstufungen (Jes. 1, 24, 42, Jer. 20, 32 (מסגר, מטרה, נוגשים, בור, מהפחת, בית כלא. Ein Militäretat mit Helden, Kriegern, Rossen, Wagen, Ingenieuren und Festungsbauverständigen, Zeughäusern und Magazinen (Jes. 3,22, 25, 31 עיר, נשק בית העיר, מסך יהודה, רכב, סוסי‘, פרשים, אעש מלחמה, גבור בקיעי, קבוץ מי ברכה, מבצר משגב חומה ). Ein Departement der auswärtigen Politik mit Diplomaten, Gesandtschaften, Bundesschlüssen (Jes. 33, 30, 31, Jer. 27)— und auch ein Volk war da, Stoff zu Mysteres de Jerusalem[18], Witwen, Waisen, die unter Rechtsversagung seufzten, Verschuldete, Gedrückte, Beraubte, Arme, sogar Hungrige, „die, wenn der Hunger zu stark wurde, böse wurden, auf ihren König und ihren Gott räsonierten und um Hilfe nach oben aufblickten“(Jes. 1, 3, 8 יָתוֹם֙ לֹ֣א יִשְׁפֹּ֔טוּ וְרִ֥יב אַלְמָנָ֖ה לֹֽא־יָב֥וֹא אֲלֵיהֶֽם, מלכם [מַה־] [לָּכֶם֙] תְּדַכְּא֣וּ עַמִּ֔י, גְּזֵלַ֥ת הֶֽעָנִ֖י בְּבָתֵּיכֶֽם, וְעָ֥בַר בָּ֖הּ נִקְשֶׁ֣ה וְרָעֵ֑ב וְהָיָ֨ה כִֽי־יִרְעַ֜ב וְהִתְקַצַּ֗ף וְקִלֵּ֧ל בְּמַלְכּ֛וֹ וּבֵאלֹקיו וּפָנָ֥ה לְמָֽעְלָה)

Anm. von Rabbiner Hirsch: Die vorstehende Schilderung sollte nur andeuten, wie wir uns etwa aus den Worten der Propheten einen Totaleindruck Jerusalems in seiner damaligen Erscheinung zu konstruieren vermöchten. Sie ist aber so wenig erschöpfend als in allen gegebenen einzelnen Zügen gewiss. Es kann mancher einzelne Zug in einer größeren Verallgemeinerung aufgefasst sein, als die Andeutungen der Propheten berechtigen und manches auch aus einzelnen Ausdrücken geschlossen sein, die eine andere Auffassung zulassen. Das Bild im Allgemeinen dürfte sich jedoch als nicht verzeichnet darstellen.

 Und in eine mit allem so trefflich versehene, schöne, reiche, glückliche Residenz trat — Jirmijahu hin und sprach:

„Streifet durch Jerusalems Gassen und seht doch und erkennet und suchet in ihren Straßen, ob ihr einen Mann findet, ob einen, der Recht übt, der die Treue will, so will ich ihr verzeihen. Und  wenn sie erst: „So wahr Gott lebt!“ sprechen, dann schwören sie erst recht zur Lüge. Gott! Du willst ja nichts anderes, als Treue! Du hast sie geschlagen, sie haben nichts gefühlt! Du hast sie vernichtet, sie haben keine Lehre angenommen, härter als Fels ist ihr Angesicht, sie wollen nicht zurück. — — Ich dachte, es sind das die Geringen, konnten leicht betört werden, weil sie den Weg des Einzigen, das Recht ihres Gottes nicht kennen, will zu den Großen gehen, mit denen sprechen, die kennen ja den Weg des Einzigen, das Recht ihres Gottes. Aber die gerade haben einmütig das Joch gebrochen, alle Bande zerrissen — — Wie könnte ich darum dir verzeihen! Deine Söhne haben mich verlassen, haben Ungöttern zugeschworen und während ich in Eid sie nahm, trieben sie Ehebruch und finden sich in Buhlerhäusern zusammen. — — Auf! in ihre Reihen und verderbet sie; nur zur Vernichtung lasst’s nicht kommen! Ihre üppigen Ranken schaffet weg, denn die sind nicht Gottes. Denn Israels Haus und das Haus Juda haben treulos mich verlassen, spricht Gott, haben Gott verleugnet, haben sein Dasein verneint: „Uns kommt kein Unglück, Schwert und Hunger erleben wir nicht. Die Propheten werden zu Wind, die Verheißung liegt nicht in ihnen, ihnen wird also geschehen!“ — Frevler finden sich unter meinem Volke, deren Blick dem lauernden Biss der Falle gleicht, die ihre Posten ausstellen, Menschen zu fangen. Wie Steig voller Geflügel[19], so ihre Häuser voller Trug, dadurch wurden sie groß und wurden reich. Wurden fett, wurden feist, überschritten alle Vorstellung vom Bösen, richteten Recht nicht mehr, nicht Recht der Waisen, und da soll es ihnen gut gehen? Schaffen den Armen nicht mehr Recht! — — Öde und feil ist alles im Lande geworden. Die Propheten reden der Lüge das Wort, die Priester leiten ihnen zur Seite, und meinem Volke sagt das alles zu — was wollt ihr da tun für das Ende!?

Flüchtet Benjaminiten aus Jerusalem! wenn ihr den Schofar hört, so stoßt in den Schofar, erhebet Feuerzeichen über das Winzerhaus, denn Unglück ist von Norden geschaut worden und großer Bruch. „Schön und in Wonne lebend habe ich mir Zion gedacht. Jetzt kommen Völkerhirten zu ihr mit ihren Heeren, haben schon Zelte rings um sie aufgeschlagen, haben schon jeder seine Weidestelle gefunden. Kündigt ihr Krieg! Auf! Und hinein am hellen Mittag! „Ach, uns hat sich der Tag schon gewendet, schon neigen sich die Schatten des Abends.“ — Auf denn und hinein in die Nacht! Vernichten wir ihre Paläste!

Denn Gott, Gott hat’s gesprochen, fället Bäume, werft um Jerusalem Schanzen auf, über diese Stadt ist’s verhängt, Gewalt ist alles in ihr. Wie ein Born sein Wasser frisch hält, so hielt sie ihr Unrecht frisch, Gewalt und Raub schreit dort zu mir immer auf, Weh und Leid. Bessere dich Jerusalem! Damit meine Seele nicht von dir weiche, damit ich dich nicht wüste mache, zum unbewohnten Land. — Von Klein bis Groß hascht alles nach Gewinnst von Prophet zum Priester übt alles Lüge. Und gingen gar leichtfertig um mit der Heilung des Bruches meines Volkes und sprachen: es ist gut! es ist gut! Und ach, es ist nicht gut. Schande über sie! Sie haben das Abscheuliche bewirkt. Aber sie schämen sich nicht, haben das Erröten nimmer verstanden. Darum fallen sie zuerst unter den Fallenden. Sobald ich sie heimsuche, straucheln sie, spricht Gott.

Bessert eure Sitten, bessert eure Taten, so lasse ich euch bleiben an diesem Ort. Verlasset euch nicht auf Tröstungen der Lüge: Tempel Gottes, Tempel Gottes — Tempel Gottes sollten sie selber sein! Wenn ihr eure Lebensweise und eure Handlungen bessert, wenn ihr das Recht zwischen Mensch und Mensch betätigt, Fremdling, Waise, Witwe nicht berücket, unschuldiges Blut an diesem Orte nicht vergießet und fremden Göttern zu eurem Verderben nicht nachwandelt, so lasse ich euch an diesem Orte, in dem Lande, das ich euren Vätern gegeben, für alle Zeit hin bleiben. So aber verlasset ihr euch auf Tröstungen der Lüge, die nichts nützen. Stehlen, morden, ehebrechen, Meineid schwören, dem Baal opfern, von dem ihr nichts wisset, — und dann kommt ihr und stellt euch vor mich in dem Hause, das meinen Namen trägt, und sprecht: nun sind wir frei, um — aufs Neue alle diese Abscheulichkeiten zu üben — Ist denn in euren Augen eine Räuberhöhle das Haus geworden, das man meinem Namen geweiht? O, ich habe auch sonst wohl schon Einsicht genommen, spricht Gott, geht nur einmal zu meiner Stätte in Schilo, wo ich früher meinem Namen eine Stätte gewährt, und sehet was ich an ihr wegen der Schuld meines Volkes Israel vollbracht — Siehst du nicht was sie in Judas Städten tun und in den Gassen Jerusalems? die Kinder suchen Hölzer, die Väter unterhalten das Feuer und die Frauen bereiten Teig, um  — der Himmelskönigin Sitze zu bereiten und Göttern den Rausch ihres Entzückens zu weihen und mir — Kummer zu bereiten. Bin ich’s, spricht Gott, dem sie Kummer bereiten? Ach, sie sind’s, zur Schande ihres Angesichts. Legt eure Ganzopfer zu euren Friedenopfern und esst es als Fleisch! ich habe mein Wort nicht an Eure Väter gerichtet, sie nicht in Pflicht genommen, als ich sie aus Mizrajim führte, um der Ganzopfer und der Friedenopfer willen. Sondern dazu habe ich sie verpflichtet: Horchet auf meine Stimme, dass ich euch Gott sei und ihr mir Volk seiet und wandelt in dem ganzen euch von mir gebotenen Wege, damit es euch gut gehe. Sie aber hörten nicht und neigten nicht ihr Ohr, sondern gingen nach selbstgeschaffenen Plänen in dem Dünkel ihres bösen Herzens und gehörten dem Rückschritt an und nicht dem Fortschritt — darum reiß dir deinen Kranz ab und werfe ihn weg und lasse über die Hügel deine Klage hin tönen; denn verworfen hat Gott, verlassen das Geschlecht seines Zornes, denn Judas Söhne haben das nach meinem Urteil Böse getan, spricht Gott, haben das, was sie verabscheuen sollten, in das Haus getragen, das meinem Namen geweiht ist, um es zu entweihen — so lasse ich schwinden von Judas Städten und Jerusalems Gassen die Stimme der Wonne und Freude, die Stimme des Bräutigams und der Braut; denn der Zerstörung fällt das Land anheim.

Warum ist dieses Volk, warum Jerusalem so hartnäckig, so unwiederbringlich zurückgesunken? Warum halten sie an der Täuschung so fest und wollen nicht zurück? Der Storch in den Lüften kennt seine Zeit, Turteltaube, Schwalbe und Kranich versäumen nicht die Zeit ihrer Wiederkehr — mein Volk kennt nicht mehr die Vorschrift seines Gottes. Wie mögt ihr sagen: wir sind weise, Gottes Lehre ist bei uns! Wahrhaftig, dann hätte Er für Lüge gewirkt, dann hätten Lügengriffel die Schreiber geführt! Schämt euch ihr Weisen! Sie sind bestürzt, sie sind gefangen, ach, sie haben Gottes Wort verschmäht, was ist die Weisheit, die ihnen geblieben?

Höre Gottes Wort, König Judas! der du auf Davids Throne sitzet, hör es, du und deine Diener und dein Volk, die in diese Tore eingehen. Übet Recht und Milde, rettet den Beraubten vor der Hand der Berückung, kränket Fremde, Waisen, Witwen nicht und beraubet sie ihres Rechtes nicht und vergießet nicht unschuldig Blut an diesem Ort! Tut ihr dies, so kommen in dieses Hauses Pforten Könige, in Nachfolge Davids auf seinem Throne sitzend, zu Wagen und zu Ross, samt ihren Dienern und ihrem Volk. Gehorchet ihr aber nicht, so habe ich bei mir geschworen: zu Trümmern geht dieses Haus.

Weh‘ wer sein Haus ohne Recht und seine Söller ohne Gerechtigkeit erbaut, der seines Mitmenschen Kraft umsonst benutzt und seinen Lohn ihm nicht gibt, spricht: ich baue mir ein stattlich Haus, und geräumige Stöcke, und reißt sich weit seine Fenster, und getäfelt mit Zedern, und mit Malerei verziert, — Du willst König sein? und kannst solchen Eifer für — Zedernholz zeigen? Sieh deinen Vater, der aß auch und trank, aber er übte Recht und Milde und da war ihm gut, schaffte dem Armen und Dürftigen sein Recht, da war es gut; siehe das heißt ja „Mich kennen“ spricht Gott. Du aber, Aug und Herz sind nur auf deinen Vorteil gerichtet, unschuldig Blut selber mitzuvergießen, Gewalt und Leichtfertigkeit selber mitzuverüben, — darum verheißt Gott vom König Judas: kein Mensch wird um ihn klagen: o, mein Bruder! o, die Schwester! kein Mensch um ihn klagen: o, der Herr! und o, seine Majestät! Wie ein gestorbenes Tier wird man ihn begraben, fortschleppen, hinwerfen, fern von Jerusalems Toren.

Weh‘ den Führern, die die Herde meiner Weide vernichten und zerstreuen spricht Gott. Ihr seid’s, ihr habt die Zerstreuung meiner Herde bewirkt, weil ihr sie verführen ließet und ihr Bestes nicht bedachtet. Jetzt denke ich an euch des Bösen eurer Taten, spricht Gott.

 — — Denke ich aber der Propheten, dann bricht mir das Herz im Innern, dann beben alle meine Gebeine, dann komme ich mir wie trunken vor, wie ein Mann, den der Wein übermannt; um Gottes und seiner heiligen Worte willen! Wenn Ausschweifung das Land erfüllt, wenn vor Meineid die Erde trauert, die Fluren der Triften welken, dann war ihre Leichtfertigkeit das Böse und ihre Kraft das Unrecht. Prophet und Priester entarten, in meinem eigenen Hause habe ich ihre Schlechtigkeit gefunden, spricht Gott, — — — An Samariens Propheten fand ich Unsinn; sie redeten für den Baal und verführten Israel, mein Volk. Feilheit aber sah ich an Jerusalems Propheten. Man schweift aus, man wandelt in Lüge, und sie bestärken nur die Bösen, dass keiner von seinem bösen Wandel umkehrt, und sie mir alle wie Sodom und ihre Bewohner wie Amorah worden — — von Jerusalems Propheten ging Entartung aus über das ganze Land. O, höret nicht auf die Worte der Propheten, die euch predigen; mit Nichtigem füllen sie euch; ihres Sinnes Eingebung reden sie, nicht aus Gottes Mund. Predigen, predigen meinen Verächtern: Gott hat Euch Frieden verheißen; und zu jedem, der im Dünkel seines Herzens wandelt, sagen sie: Euch kommt nichts Böses! Wer von ihnen hat gestanden im Rate Gottes, dass er schaue, dass er höre sein Wort? Wer von ihnen auf sein Wort gehorcht, dass er’s vernommen? Seht! zürnend bricht Gottes Sturm hervor, und schon sammelt sich der Sturm, auf das Haupt der Bösen wird er sich entladen. Gottes Zorn hört nicht auf bis er’s vollbracht, bis er die Gedanken seines Herzens vollführt; am Ende der Tage werdet ihr euch vollends darin begreifen. Ich habe die Propheten nicht gesendet und sie liefen[20], ich habe zu ihnen nicht gesprochen und sie haben doch in meinem Namen verheißen — hätten sie in meinem Rat gestanden, so würden sie meinem Volke meine Worte predigen und würden sie zurückrufen von ihrem bösen Wandel und von dem Bösen ihrer Handlungsweisen. Bin ich denn nur der mir Nahe bleibenden Gott, spricht der Herr, und nicht auch dessen Gott, der mir in der Ferne bleibt? Es könnte sich irgendjemand verbergen, dass ich ihn nicht schaute, spricht Gott, — fülle ich denn nicht die Himmel an und die Erde, spricht Gott? O, ich höre es, wie die fälschlich in meinem Namen verheißenden Propheten sprechen: mir hat eine Idee geträumt, eine Idee geträumt![21] Wie lange soll dies Unwesen dauern? Kommt’s denn auf den Sinn des Lügen-predigenden-Propheten an? Ist man denn Prophet, wenn man die Täuschungen des eigenen Herzens predigt? Mit ihren Träumen, die sie sich gegenseitig mitteilen, vermeinen sie bei meinem Volk meinen Namen in Vergessenheit zu bringen, wie ihre Väter meinen Namen über den Baal vergaßen. Hat einem Prophet etwas geträumt, so erzähle er’s als Traum; wem aber mein Wort geworden, der rede mein Wort in Wahrheit; was soll die Spreu bei dem Korn, spricht Gott. Ist doch wie Feuer mein Wort und wie ein Hammer, der den Fels zerschlägt. Darum komme ich über die Propheten, spricht Gott, die, was sie als meine Worte ausgeben, einer von dem andern stehlen, — komme über die Propheten, die ihren Ausdruck wählen und die Gotteseingebung nachäffen, — komme über die Redner erträumter Lügen, spricht Gott, die sie erzählen und mit ihren Lügen und ihrem Leichtsinn mein Volk verführen. Ich habe sie nicht gesendet, ich habe sie nicht beauftragt, und nützen werden sie diesem Volke auch nichts, spricht Gott — — — (Jerem. 5: 1-5; 7; 10-13, 26-31; 6:1-8, 13-15; 7: 3-12; 17-19, 21-24, 29, 30, 34; 8: 5-9; 22: 2-5, 13-19; 23: 1, 2, 9-22)[22]

 Ist es ein Wunder, dass die Priester und Redner, die dem eingerissenen Unwesen das Wort redeten und die von Gott abgefallene Metropole glücklich priesen, einem so widerwärtigen Störenfried wie Jeremias zu Leibe gingen, und wiederholt seine Verurteilung zum Tode verlangten?

Während so Jeremias [23] בַּשְּׁוָקִים, in öffentlichen Kreisen, die gleißende Hülle den sozialen Verhältnissen abzog, das Verderbnis bloß legte, das endlich das soziale Leben zerfraß, עַל־עָזְבָם֙ אֶת־תּ֣וֹרָתִ֔י [24], weil man die göttliche Lehre verlassen hatte, und die Katastrophe ankündigte, die über den so durch und durch korrupten Staat durch die zur Völkergeißel erwachsende babylonische Macht hereinbrechen werde, vor welcher aber die schützende Allmacht Gottes gerettet haben würde, wenn — man dieser göttlichen Allmacht rein vertraut und das göttliche Gesetz und nur das göttliche Gesetz hätte zur Wahrheit machen wollen — war Zephanja [25] בְּבָתֵּי כְנֵסִיּוֹת וּבָתֵּי מִדְרָשׁוֹת, an den noch reinen Kern im Volke gesendet, [26]  אֲשֶׁ֥ר מִשְׁפָּט֖וֹ פָּעָ֑לוּ, die noch nach göttlicher Vorschrift lebten und sein Gesetz verwirklichen wollten, die die [27]   עַנְוֵי הָאָרֶץwaren, die von den gottentfremdeten Zeitgenossen über die Achsel geschaut wurden und als die schwächere Minorität keinen Einfluss auf die Gestaltung der öffentlichen Verhältnisse gewinnen konnten, — und die doch die ganze Zukunft ihres Volkes im Herzen trugen. An sie ward Zephanja gesandt, um sie die einbrechende Katastrophe vom Standpunkt der göttlichen Wahrheit würdigen und in dem Untergang des korrupten jüdischen Staates sie die Rettung des jüdischen Heiligtums erkennen zu lehren. „אָסֹ֨ף אָסֵ֜ף כֹּ֗ל מֵעַ֛ל פְּנֵ֥י הָאֲדָמָ֖ה[28] , Sollte ich alles vernichten“, sprach er im Namen Gottes, „[29] הַמַּכְשֵׁל֖וֹת אֶת־הָרְשָׁעִ֑ים, was von den der göttlichen Leitung sich Entwindenden zu ihrem sittlichen Falle missbraucht wird, ich würde alles von der Erde vernichten müssen, ich müsste den Vogel in den Lüften und den Fisch im Meer und den Menschen und das Vieh auf Erden vernichten. Die Welt bleibt, aber die Sünder und das Sündhafte schaffe ich fort: den letzten Rest des naturvergötternden Baalsystems, — die Gefühlsprediger ( כמריםdie Grundbedeutung der Radix  כמרscheint fangen, überwältigen zu sein. Daherמכמורת, מכמור: Netz. Davon  נכמרו רחמיןüberwältigt und ergriffen werden der Gefühle, undכמרים  scheinen neben den כהנים, neben den Ministranten der Götzen, diejenigen gewesen zu sein, die durch fesselnde Einwirkung auf die Phantasie und Gefühle das Volk für ihren Götzen zu gewinnen suchten.)   und Götzenministranten, — die auf den Dächern ihrer Häuser den Konstellationen des Himmels sich beugen, — die nur weil sie dem Fürsten Treue geschworen sich auch tief beugen und Gott zuschwören, — die aus allerlei Rücksichten sich zurückhalten lassen Gott mit vollem Herzen zu folgen, — und die, die nie etwas von Gott gewollt und ihn darum nimmer befragt, — lasse das Verhängnis einbrechen über die Fürsten und Prinzen und über alle, die sich in fremde Kleidung kleiden, über alle, die leichtsinnig über die Schwelle des Götzenwesens hüpfen und das große Weltenhaus ihres Herrn mit Gewalt und Täuschung füllen — — Mit Lichtern durchsuche ich Jerusalem dann, und lasse das Verhängnis einbrechen über die Männer, die jetzt so klar und glänzend auf ihren Hefen sich ruhend dünken und in ihren Herzen sprechen: nichts Gutes gibt Gott und nichts Böses. — — Der Tag bricht an, ein Tag des Aufrufs zu Gott und der Erschütterung, über die festen Städte und die hohen Zinnen, ich lasse die Menschen ihre Beschränktheit fühlen, sie wandeln wie Blinde umher, weil sie sich gegen Gott versündigt. — Ihr aber, ihr Bescheidenen des Landes, die ihr auch schon bisher seine Vorschrift im Leben betätigt habt, suchet noch ernster die Pflicht, noch ernster die Bescheidenheit, vielleicht werdet ihr verschont bleiben am Tage des göttlichen Zornes. —  — Harret mein, spricht Gott, harret des Tages, an dem Ich aufstehe, dem Unwesen ein Ende zu machen. Denn mein Strafgericht hat zum Ziele: Völker zu sammeln, Reiche zu mir zu bringen, wenn gleich zunächst meinen Zorn über sie zu ergießen — denn dann umwandele ich den Völkern geläutert ihre Sprache, sie alle im Namen des Einen Einzigen zu berufen, Ihm mit einmütiger Schulter zu dienen. Dann wird man weit von jenseits der äthiopischen Ströme die verflüchtigsten Teile meiner Zerstreuten mir zum Weihegeschenke bringen — — ein armes und erschöpftes Volk lasse ich in dir übrig, aber sie werden in den Namen des Einen Einzigen ihre Zuversicht setzen, und werden kein Unrecht üben, und keine Täuschung reden und keine Sprache der Lüge wird sich in ihrem Munde finden; denn sie werden nur von Gott geführt sein wollen, und werden darum Ruhe finden und keiner sie stören. (Zephanja 1:2—6, 8, 9, 12, 16, 17; 2: 8; 3: 8—10, 12, 18)[30]

 So sprach Zephanja zu dem in den Gottes- und Lehrhäusern sich versammelnden bescheidenen Kern des jüdischen Volkes.

Auch eine Prophetin, die Chuldah, ward in jenen Tagen an die Frauen gesandt. Was von dieser jedoch zu den Frauen geredet worden, ist uns nicht verzeichnet.


[1] Rabbiner Hirschs Wunsch wurde erhört. Heute finden in Israel nicht nur Ausgrabungen in Jerusalem statt, sondern im ganzen Land!

[2] Hebräisch gehört zu den Keilschriften. Keilschriften werden von rechts nach links geschrieben, in der linken Hand der Meißel, in der rechten der Hammer.

[3] Klüngel; Sippschaft

[4] Gruppe von Personen in der unmittelbaren Umgebung eines Herrschers bzw. einer Herrscherin, die ohne Befugnis oder Verantwortung unkontrollierbaren Einfluss auf diesen ausübt

[5] Genau wie bei uns

[6] Ausgrabungen

[7] Wikipedia: Sir Austen Henry Layard (* 5. März 1817 in Paris; † 5. Juli 1894 in London) war einer der führenden britischen Archäologen des 19. Jahrhunderts. Er wurde berühmt durch seine Ausgrabungen in Ninive und Nimrud in Assyrien.

[8] Sir Henry Creswicke Rawlinson, 1. Baronet (* 11. April 1810 in Chadlington in Oxfordshire; † 5. März 1895 in London) war ein britischer Archäologe, Assyriologe, Sprachwissenschaftler und Diplomat.

[9] Die Daguerreotypie war das erste kommerziell nutzbare Fotografie-Verfahren im 19. Jahrhundert. Sie ist nach dem französischen Maler Louis Daguerre benannt, der das Verfahren mitentwickelt und 1839 veröffentlicht hat.

[10] Ausgiebige Frühstück bis Abendessen

[11] „Lebemänner“

[12] Sammlung von Skandal- und Klatschgeschichten einer Epoche oder eines bestimmten Milieus

[13] Wikipedia: Tartessos (altgriechisch Ταρτησσός) war nach antiker Überlieferung ein Königreich bzw. eine Hafenstadt an der Südküste der Iberischen Halbinsel an der Mündung des Guadalquivir westlich der Straße von Gibraltar.

[14] Armbänder

[15] Stifte

[16] kostbares, zartes Leinen- oder Seidengewebe des Altertums

[17] Vollstrecker, auch Gerichtsvollzieher

[18] Geheimnisse von Jerusalem

[19] Hirschs Enkel Dr. Joseph Breuer s“l übersetzt hier: „Wie ein Käfig voll Vögel“

[20] Dr. Joseph Breuer übersetzt: „sie aber eilen doch dahin“

[21] Dr. Joseph Breuer übersetzt: „Der Prophet der einen Traum bei sich trägt, erzähle ihn als Traum, …“

[22] Die Richtigkeit der Schriftstellen wurden nicht überprüft

[23] Sinngemäß: „in der Öffentlichkeit“, wörtlich: „auf Plätzen“ s. Psalm 3:2

[24] Jeremias 9:12 „Weil sie meine Lehre aufgegeben haben“

[25] Zu den Gebets- und Lehrhäuser

[26] Zephanja 2:3 „Die Gottes Gesetz erfüllt haben“

[27] Ibid. „Demütigen des Landes“

[28] Zephanja 1:2 „Ich werde alles wegfegen vom Angesicht der Erde“

[29] Zephanja 1:3 „Ich werde die Bösen zum Stolpern bringen“

[30] Die Richtigkeit der Schriftstellen wurde nicht überprüft

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