Cheschwan.

Dieses Monatsblatt von Rabbiner Samson Raphael Hirsch s“l aus der Zeitschrift „Jeschurun“ Heft 2 des Jahres 1855 gibt einen Rückblick auf die vergangenen Feiertage des Monats Tischri. Sie finden es in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main unter: https://sammlungen.ub.uni-rankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2932824

Der Artikel wurde dem heutigen Sprachgebrauch leicht angepasst und mit Erläuterungen versehen von Michael Bleiberg.

וּפָנִיתָ בַּבֹּקֶר וְהָלַכְתָּ לְאֹהָלֶיךָ[1]

„Und du wendest dich am Morgen und gehst zu deinen Zelten!“ Nie in der Nacht, mit frischen, frohen, heitern Morgen-Gedanken entließ dich das Heiligtum zur Heimkehr in deinen häuslichen Kreis. Zufriedener, heiterer, lichtiger, glücklicher sollte einen jeden von uns das Haus bei der Heimkehr finden und ein Abglanz von der Herrlichkeit, die uns im Kreise des Heiligtums geleuchtet, uns in die Heimat und fortan durchs Leben geleiten.

Große, herrliche Wochen haben wir im Kreis des Heiligtums verlebt. Von dem ersten Schofarruf, der uns am Elul-Neumond die Nähe dieser Zeit verkündete, bis zum letzten Schofarruf, der uns am Ne´ilah-Abend Freiheit und Reinheit verhieß und uns zu dem Fest des heiteren Hüttenbaus vor Gott geleitete, hat jeder Tag eine neue Perle, ein neues Kleinod uns bringen wollen, und den ganzen reichen Schatz des beseligenden jüdischen Lebens vor Gott hat diese Zeit — die Glanzhöhe des Judentums — uns eröffnen wollen. Sind wir reicher in unseren häuslichen Kreis zurückgekehrt? Haben wir uns die Perlen und Kleinodien des jüdischen Schatzes angeeignet, unverlierbar angeeignet, dass sie mit ihrer heilbringenden Kraft uns durchs Leben geleiten und uns in den Stürmen und Kämpfen und Irrungen des Lebens nicht verloren gehen werden? Zurückgekehrt in den Kreis unseres alltäglichen Lebens, wandeln wir da noch also vor Gott, wie wir in den Tagen der Festzeit vor Gott gestanden, so rein und frei, so hingegeben und mutig und kräftig und stark und heiter und froh und freudig und friedlich — oder ist unsere Reinheit schon getrübt, unsere Freiheit gebrochen, unsere Hingebung schwankend, unser Mut gedrückt, unsere Kraft geschwächt, unser heiterer, froher, freudiger Friede schon — geflohen?

Siehe, es ist der Schöpfer des menschlichen Gemütes, der unsere Heiligtümer gestiftet, und jeder Fuge, jeder Falte dieses Gemütes, jeder Möglichkeit der missbräuchlichen Verkennung seines Heiligtums, jedem irrtümlichen Gedanken, der nur irgendwie die beseligende Kraft seiner Heiligtümer gefährden, ja in ihr Gegenteil umwandeln könnte, geht die Lehre seines Heiligtums vorsorglich nach, und hat überall an die zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Heiligtum und Entartung, zwischen Leben und Tod entscheidenden Wendepunkte die Merkstäbe ihrer Wahrzeichen aufgepflanzt und die „Saatkörner ihres Lichtes“ [2] אוֹר זָרוּעַ, — wie das Wort der Weisen die Mizwoth nennt — ausgestreut, auf dass das Heiligtum ein „Heiligendes uns werde und bleibe, und nicht missverstanden selber zu einer missbräuchlichen Brücke entheiligenden Wahns hinabsinke.

Keinen Gedanken fürchten aber die jüdischen Heiligtümer so sehr als den, als einen Gott zu zollenden Tribut, als etwas betrachtet zu werden, womit man, wie man spricht, auch „Gott“ und dem „Göttlichen“ gerecht werde, womit man das Bedürfnis befriedige, doch auch „Gott“ und dem „Göttlichen“ etwas zu leisten! Nichts so sehr als den Gedanken, dass in dem Besuch des Heiligtums und in der Darbringung der Heiligtümer bereits der Zweck des Heiligtums sich erfülle; nichts so sehr als den Gedanken, dass der Zweck des Heiligtums sich auf die Spanne Zeit des Besuchs des Heiligtums beschränke als ob das Heiligtum um Gotteswillen erbaut die Heiligtümer, Zeiten, Räume, Gegenstände um Seinetwillen geheiligt und geweiht wären, damit doch auch Gott das Seinige finde auf Erden — und nicht vielmehr das Heiligtum um unsertwillen gestiftet, Zeiten, Räume, Gegenstände um unsertwillen geheiligt, um unsertwillen über den Kreis des alltäglichen Lebens gehoben und Gott und den heiligen Beziehungen seines Willens näher gebracht werden, damit wir, wir, und unser ganzes Leben, mit allen unseren Zeiten, Räumen, Gütern geweiht und geheiligt werden mögen, die Heiligkeit vom Heiligtum aus über unser ganzes Leben sich ergießen solle, und die Heiligtümer ihre heilige Kraft nur in der Heiligung zu bewähren hätten, die sie uns und allen unsern menschlichen Beziehungen auf Erden zu bringen bestimmt sind.[3]  אִם אֶרְעַב לֹא אֹמַר לָךְ! „Wenn mich hungerte, wenn mich nach Opfern, nach Anerkennung hungerte, würde ich es Dir nicht sagen!“ ruft Gott überall aus den Gesetzen des jüdischen Heiligtums uns entgegen. Nicht in dem Besuch des Heiligtums, nicht in dem Begehen und Feiern der Heiligtümer, nicht darin wie du das Heiligtum besuchst, wie du die Heiligtümer begehst, wie andächtig, wie gerührt, wie gottselig deine Minuten, Stunden, Tage der Andacht vor Gott gewesen, darin nicht, sondern darin liegt der Nerv seiner heiligen Stiftung, wie du das Heiligtum verlässt, wie du nach dem Besuch des Heiligtums, nach dem Begehen der Heiligtümer denkst und fühlst, wirkst und schaffst, — nicht in dem was du ins Heiligtum gebracht, sondern in dem was du aus dem Heiligtum mit hinaus ins Leben trägst, darin gipfelt die Kraft und der göttliche Zweck deiner Heiligtümer!

Wenn du wie einen Tribut ins Herrnhaus, also dein Opfer oder deine „Andacht“ ins Haus des „Herrn“ trägst und — heim eilst, dann — hättest du überhaupt zu Hause bleiben können, dann hast du — für dich — dein Heiligtum getötet, hast ihm für dich die beseligende heiligende Kraft geraubt, hast es — für dich zu einer Krücke der Entheiligung und des Unsegens, zu einer Beruhigung des Gewissens, zu einer Abfindung mit dem Göttlichen, zu einem Unterbau deines gottentfremdeten Lebens und Strebens herabgewürdigt, hast für dich das Heiligtum vernichtet.

Darum halten uns alle geheiligten Zeiten nach ihrer Beendigung noch einmal fest vor Gott, dass wir nicht so fort und hinübereilen ins tägliche Leben, dass wir uns zuvor nochmals sammeln, uns nochmals ganz von dem heiligenden Gedanken des abgelaufenen Tages durchdringen lassen und mit gesammeltem, geheiligtem Sinne vom קֹודֶשׁ zum חוֹל, vom Heiligtum zum gewöhnlichen Leben scheiden —תוספת שבת ויו’ט דאורייתא, — dass unsere heiligen Zeiten keinen Oasen in der Wüste, sondern segensreichen Quellen gleichen, die nach allen Seiten hin, vorwärts und rückwärts, בֵּין בִּכְנִיסָתָן בֵּין [4]בִּיצִיאָתָן, über alle angrenzenden Zeitgestade Fruchtbarkeit und Leben verbreiten.

Darum rief uns das Heiligtum, so oft wir seine Räume mit irgendeiner großen oder kleinen Altarspende betreten hatten, וּפָנִיתָ בַּבֹּקֶר zu, ,וְהָלַכְתָּ לְאֹהָלֶיךָ „Eile nicht fort!“ „Weile in meinen Kreisen!“ Sammle dich erst in meiner Nähe, dass du auch mit nach Hause nimmst das Licht und die Kraft der Weihe und die Heiligung und den Segen, der überhaupt deinem Besuch und deiner Spende den Wert verleiht. וּפָנִיתָ בַּבֹּקֶר וכו‘. כָּל פִּניוֹת שֶׁאַתָּה פּוֹנֶה אֵינָן מִן הַבֹּקֶר![5]. Jede dem Heiligtum gebrachte Opferspenden טָעוּן לִינָה[6]  fordert, dass der Darbringende mindestens bis zum andern Morgen im Kreise des Heiligtums weile.[7] הֲרֵי שֶׁהֵבִיא קודשָׁיו מִבֵּית פַּגִּי לִירוּשָׁלִַם שׁוֹמֵעַ אֲנִי יֹאכְלֵם בִּירוּשָׁלִַם וְיֵלֵךְ וְיָלֶן בְּבֵית פָּאגִי, ת“ל בַּיּוֹם הַשְּׁמִינִי עֲצֶרֶת תִּהְיֶה לָכֶם, עָצְרוּ הַכָּתוּב מִלָּצֵאת[8]., Und hätte jemand in der Vorstadt Jerusalems gewohnt, und hätte seine Heiligtums-Spenden nach Jerusalem gebracht, „es hielte ihn das Heiligtum zurück“, und er dürfte nicht vor dem andern Morgen heimkehren.

 עצור„Bewahren“, „Festhalten“ und „Festgehaltenbleiben“, das Errungene für die Ewigkeit errungen haben, die neugeknüpften Bande für die Ewigkeit geschlungen haben, das ist überall die letzte Anforderung unserer Heiligtümer an uns und es weiß das Gotteswort die Zeit der Gesunkenheit nicht trüber zu schildern als, dass [9] אֶפֶס עָצוּר וְעָזוּב, dass hin und verlassen ist, was den Menschen עָצוּר war und עָצוּר sein sollte, dass die Menschen nichts mehr hätten, was ihnen dauernd wert und dauernd teuer bliebe. O, wenn wir nichts mehr hätten, was uns hielte, nichts mehr was wir zu halten wert erachteten, für uns alles seinen Halt und wir in allem unsern Halt verloren hätten — rastlos vorwärts keuchte eine solche Zeit, der gegenwärtige Moment gälte ihr nichts, der kommende alles, und hörte auf zu gelten, sobald er Gegenwart geworden. Und wenn sie alle durchgemacht, alle durchgerungen, alle durchgekostet, alle die in der kurzen Daseinspanne verliehenen Augenblicke, sinkt sie arm ins Grab und hat den Moment nicht gefunden, in dem sie froh, in dem sie ihres Daseins heiter sich erfreuen durfte. Güter, Genüsse, für den Augenblick hätten sie Reiz, für den Augenblick wären sie süß, ja nur aus der Ferne wüssten sie zu locken. Aber einmal errungen, einmal gekostet würde alles schal. Nach Neuem und immer Neuem gelüstete das Geschlecht. Daseins- und Lebensekel, Blasiertheit würde die Stimmung der Gemüter, und Ironie, sich selbst vernichtender Hohn des Lebens Weisheit. Das wäre die Zeit, die in sich selbst alle Hoffnung verloren hätte, die um Erbarmen zu Gott aufschrie und deren Gott sich dann erbarmen würde. Er würde sie aufrütteln durch den ernsten Sturm seiner Verhängnisse und spräche aus dem Wetter der Zeiten dann:[10]  רְא֣וּ עַתָּ֗ה כִּ֣י אֲנִ֤י אֲנִי֙ ה֔וּא וְאֵ֥ין אֱלֹקים עִמָּדִ֑י אֲנִ֧י אָמִ֣ית וַאֲחַיֶּ֗ה מָחַ֙צְתִּי֙ וַאֲנִ֣י אֶרְפָּ֔א , „sehet endlich, dass Ich es bin, Ich, und es ist kein Gott bei mir, Ich töte und belebe, Ich habe verwundet — Ich heile auch wieder und lebet!“ [11]!  „דִּרְשׁוּנִי וִחְיוּ“ „Suchet mich — und lebet!“

Vor einer solchen Gesunkenheit wollte Gott uns schützen, wollte auf eine Höhe uns führen, auf welcher aller Wechsel und Wandel der Zeiten keinen Wandel und Wechsel unserer schon diesseitigen Glückseligkeit zu bringen vermöchte, auf welcher sein heiliges Band uns ewig umschlungen und unser Herz alle es beseligenden Güter unverlierbar geborgen hielte.

Noch einen Blick zurück auf den Festesmonat, den wir durchlebt! Durch Schofar-Ernst und Jom Kippur-Reinigung führte uns Gott zur Freude, lehrte uns die Hütte des Vertrauens bauen auf Erden, gab uns selbst den heitern Strauß seiner Blüten in die Hand und sprach: Freut euch in euren Wanderhütten der keimenden und grünenden, der blühenden und reifenden Blüten und Früchte vor Gott! Aber nicht mit dem Strauß in den Händen, nicht unter dem Dach der Hütte verlässt Israel das Fest. Die Hütte fällt — der Strauß entsinkt, und mit der Thora im Arm steht Israel vor Gott — und [12] עֲצֶרֶת: „Verharren!“ „Bleiben!“ ruft Gott aus seiner Höhe nieder.

Lasse sie kommen die Stürme des Lebens und unsere Hütten übereinander brechen, lasse sie kommen die Stürme der Zeiten und die Blütensträuße unserer Freuden entblättern — einmal scheiden wir ja doch von unsern Hütten, sie stürzen um uns zusammen, oder wir verlassen sie; einmal scheiden wir denn doch von unsern Sträußen, sie welken in unseren Händen oder die sterbende Hand lässt sie kraftlos entsinken — haben wir aber in unsern Hütten vor Gott gewohnt haben wir unserer Blüten uns vor Gott gefreut, haben wir der Thora in unsern Gotteshütten mit unsern Gottessträußen gelebt, dann stürzt mit der Hütte nicht unser Vertrauen, dann welkt mit der Blüte nicht unsere Freude, was uns in der Hütte beseelt, was uns an der Blüte erfreut, was Seliges wir in Hütten mit Blüten errungen, das bleibt unverlierbar unser, — lasse hinstürzen die Hütten, lasse hinwelken die Blüten, in ewiger Heiterkeit stehen wir — die Thora im Arm — vor Gott!

Die Bühne wechselt, die Bedingungen wandeln, die Beziehungen verändern sich, die Aufgabe bleibt ewig dieselbe, und die reine, gottdienende Lösung jeder Aufgabe macht immer selig, heiter und froh.

Mit dieser שִׂמְחַת מִצְוָה, mit dieser שִׂמְחַת תּוֹרָה, mit dieser Freude an unserm tätigen Beruf vor Gott, mit dieser Freude an der geistigen Offenbarung dieses Berufs, der letzten und höchsten Errungenschaft aus unserm ganzen Gott dienenden Leben, will uns Gott ins Leben entlassen. Sie ist der Kern der schon diesseitig beginnenden Seligkeit, sie ist das Band, das uns unwandelbar mit Gott verbunden hält, sie ist die Ernte, die uns aus jedem Lebensmoment reift, durch sie bleibt jedes Gut, jeder Genuss, jede Tat, wenn wir sie nur einmal recht vor Gott besessen, recht vor Gott genossen, recht vor Gott geübt, unverlierbar unser eigen. Sie ist die Verwirklichung des עֲצֶרֶת, des Verharrens, des Verbleibens, des unwandelbar Verbundenseins mit Gott, sie ist das Band, das uns mit Gott verschlungen hält, auch wenn die Festzeit vorüber, auch wenn die Festhütte verfallen, auch wenn der Feststrauß verwelkt und das Leben mit seinem — für andere prosaischen — Ernst uns empfängt. Sie macht das ganze Leben zu einem Wanderfest, und jeden Atemzug zu einem Hallelujah.

Und eine solche Bedeutung legt die heilige Gottesstiftung diesem עֲצֶרֶת, diesem „bei Gott Verharren“ bei, dass sie die Aufforderung dazu nicht nur, wie bereits bemerkt, jedem Besuch ihres Heiligtums beigegeben, sondern dafür ein ganz besonderes Fest —חַג בִּפְנֵי עַצְמוֹ   — gestiftet und mit ihm den ganzen Jahreszyklus unserer Feste schließt.

Wenn uns die Nationalerlösung am Pessach, die Thoraoffenbarung am Schawuoth, der Schofar und die Sühne am Rosch Haschanah und Jom Kippur, die diesseitige Erhaltung und Beglückung am Suckoth vor Gott versammelt und uns aus allen diesen Momenten die Freude erblühen sollte, dann sammelt uns der Gottesruf noch einmal vor Gott, ohne alle Anknüpfung an irgend ein besonderes Moment der Geschichts- und Natur-Entwicklung, um uns die reinste, höchste, ewige — weil irdisch unbedingte — Blüte dieser ganzen Freude-Erziehung zu gewähren, uns zu dem Dank für den Dank, zu der Freude an der Freude zu erheben, uns das freudige Bewusstsein empfinden zu lassen, durch Gott, vor Gott, mit Gott zu sein und zu streben, uns die Freude an unserm ganzen jüdischen Beruf finden zu lassen, uns die unverlierbare Freude an dem unverlierbaren Gottesgeschenk zu eigen zu machen: „Jude“ zu sein.

Wie daher überall in den jüdischen Institutionen durch die Sechszahl die geschaffene Welt und durch Sieben die Verbindung dieser geschaffenen Welt mit ihrem unsichtbaren Schöpfer, Erhalter und Lenker ausgedrückt wird, Acht aber — wie in מִילָה — das besondere Verhältnis bezeichnet, in welches eben dieser unsichtbare Herr und Meister zur Förderung seiner Anerkennung auf Erden mit dem jüdischen Volk getreten — also waren sieben Tage dem heitern Hüttenbau und der heiligen Blütenfreude auf Erden vor Gott geweiht, aber am achten Tag, בַּיּוֹם הַשְּׁמִינִי, rief Gott allein uns zu sich, und sprach עֲצֶרֶת תִּהְיֶה לֶחֶם, nun tretet rein hinan zu mir und erringt euch das freudige Verharren bei mir, עַכְשָׁיו, wie das Wort unserer weisen Väter es ausdrückte, „nun“ אֲנִי וְאַתֶּם נִשְׂמַח יַחַד „wollen wir uns zusammen einer des andern freuen!“ Und diesem Ruf entgegen spricht Israel,[13] זֶה הַיּוֹם עָשָׂה ה‘ נָגִילָה וְנִשְׂמְחָה בוֹ „das ist ein Tag, den Gott geschaffen, Seiner freuen wir uns und sind wir froh“ [14] אָמַר ר׳ אָבִין, אֵין אָנוּ יוֹדְעִים בְּמָה לִשְׂמֹחַ אִם בְּיוֹם אִם בְּהקב״ה, du könntest zweifeln, was hier der Gegenstand der Freude sei, der Tag oder Gott,  בָּא שְׁלֹמֹה וּפֵרַשׂ daher erläutert dies Salomo, נְגִילָהּ וְנִשְׂמְחָה בָּךְ בהקב״ה, בָּךְ בִּישׁוּעָתֶךָ, בָּךְ בְּתוֹרָתֶךָ  , Dein freuen wir uns, Dein sind wir selig froh, Dein, deiner Thora, Dein, deines in dir zu findenden Heiles!“

אַתָּה מוֹצֵא , spricht darum ferner das Weisheitswort der Väter,[15] כְּשֻׁם שֶׁעֲצֶרֶת שֶׁל פֶּסַח רְחוֹקָה חֲמִשִּׁים יוֹם אַף זֹאת הָיְתָה צָרִיךְ לִהְיוֹת רָחוֹק חֲמִשִּׁים יוֹם., wie sieben mal sieben Tage erst vom Feste der Nationalselbstständigkeit zum Feste der Thoraempfängnis zu zählen sind, also wären erst sieben mal sieben Tage vom Feste der Hüttenfreude zum עֲצֶרֶתFest, zum Fest der Gottesfreude zu zählen gewesen, und erst nach sieben mal sieben Tagen hätte Israel sich wiederum vor Gott zur gemeinsamen Feier des freudigen „Nochverharrens“ bei Gott versammeln sollen — wenn dieses die dann zu erwartende Jahreszeit gestattet hätte. Denn wie erst sieben mal sieben Prüfungen und Läuterungen dazu gehörten, um das durch nationale Freiheit und Bodenbesitz selbstständige Israel zur Höhe der von den Institutionen der Thora zur Lösung gegebenen Aufgabe zu leiten, also gehören sieben mal sieben Prüfungen und Läuterungen dazu: von der Hütten- und Blüten-Freude vor Gott zur reinen Gottesfreude, zur reinen Freude an Gott und mit Gott und in Gott zu führen, dass in der Hütte und mit der Blüte, nicht Hütte und Blüte, sondern „Gott“ unsere Freude werde und wir auch dann noch Gottes, dann noch des vor Gott genossenen Hütten- und Blütenlebens uns freuen, wenn die Hütte längst zerfallen und die Blüten längst erstorben und wir allein, allein auf Erden mit Gott uns fänden.

Das sollte das Winterfest Israels werden, — wenn die Stürme brausen, wenn die Felder starren, wenn die Blüten schlummern, sollte Israel wach sich vor Gott zusammenfinden, und auf der blütenlosen, sturmgetränkten Erde heiter und selig zu dem Gipfel der Seelenfreude vereint hinaufstreben, wo der ewige Frühling tagt, wo die Stürme nichts erschüttern und die Fröste nichts erkälten, und wo die ewige, Tod überwindende Gottesliebe flammt, die alle Strömungen des Lebens nicht zu erlöschen vermögen, — sollte Israel sein עֲצֶרֶת feiern und es ewig neu bekunden, dass es — die Thora im Arm — auch „hüttenlos“ und „blütenlos“ freudig mit seinem Gott zu „verharren“ wisse. Und das bleibt unsere geistige Winterarbeit für und für. Freudig ausharren bei unserm Gott, bis auch im äußeren Leben wiederum der Frühling lächelt, der auch mitten im Winter des Jahres und der Zeiten nie in der jüdischen Brust stirbt —


[1] Deuteronomium 16:7

[2] Psalm 97:11, Ein Licht ist dem Gerechten gesät

[3] Psalm 50:12

[4] Zwischen Eintreten und Herausgehen

[5] aus Hirschkommentar zu Deuteronomium 16:7: ופנית בבקר והלכת לאהליך: hieran knüpft die Halacha den allgemeinen Satz: כל פניות שאתה פונה מן הבקר ואילך, dass man überhaupt, wenn man mit irgend einer Weihehingebung im Heiligtum erscheine, sei es selbst עופות ומנחות יין ולבונה ועצים, aus der Gottesstadt, dem Umkreis des Heiligtums nach vollendeter Darbringung nicht sofort heimkehren dürfe, sondern alle טעונים לינה, alle fordern, dass man über Nacht in dem Umkreis des Heiligtums bleibe und erst am Morgen heimkehre (ספרי).

[6] Fordert eine Übernachtung

[7] Tosefta Kifshuta zu Pessachim 8:8

[8] Sifre Bamidbar 151

[9] Deuteronomium 32:36; Und fort ist, was man bewahrt und verlässt. (Übersetzung Rabbiner S.R. Hirsch)

[10] Deuteronomium 32:39

[11] Amos 5:4

[12] das Abschlußfest

[13] Psalm 118:25

[14] Hegyonot El Ami, Volume 1, Shemini Atzeret 50

[15] Pesikta DeRav Kahanna 28

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