Zwi Azaria[1]

„Die Rabbinerkonferenz in der Bundesrepublik Deutschland[2]“ gab eine Zeitschrift heraus die sich „UDIM“[3] nannte. Das erste Heft, immerhin 114 Seiten stark ohne Anhang, erschien 1970. Interessanterweise handelt der erste Artikel dieser Zeitschrift, wie der Titel hier vermerkt, von Rabbiner Hirschs s“l erster Anstellung in Emden. Der gesamte Aufsatz von Rabbiner Zwi Azaria umfasst 22 Seiten, hier sind nur die ersten Seiten (1-5) wiedergegeben.

Zum Verständnis des Aufsatzes sei angemerkt, dass die Geistlichen aller Konfessionen Angestellte der jeweiligen Regierung (Beamte) waren und somit auch von der Regierung besoldet wurden. Das stärkte auf der einen Seite die Stellung des Rabbiners, da er von den Ränken innerhalb der Gemeindemitglieder unabhängig war auf der anderen Seite, war er verpflichtet der Behörde gegenüber über das Gemeindeleben Rechenschaft abzulegen.

Der Text wurde unverändert aus Der Zeitschrift „UDIM“, Heft 1 übernommen, nur durch Fußnoten von Michael Bleiberg ergänzt.

Dem Aufsatz habe ich einen „Anhang“ beigefügt, indem ich die wichtigsten im Aufsatz erwähnten Persönlichkeiten über Wikipedia vorstelle.

Wenn man von Rabbiner Samson Raphael Hirsch spricht oder über ihn schreibt, denkt man allgemein an sein Wirken als Rabbiner in Frankfurt am Main. Man übersieht, dass seine grundlegenden Gedanken, seine geistige Tätigkeit schon in die ersten Jahre seiner Berufung fallen.

Die jüdische Gemeinde in Oldenburg und die Gemeinden in Ostfriesland mit dem Sitz in Emden gehören zu den ersten geistigen Ackerfeldern dieses großen deutschen Rabbiners. Auf dieses erste Wirken wird er später immer wieder zurückkommen, aus ihm schöpfen, wie aus einem quälenden Strom, der nie versiegt. Der junge Rabbiner tritt sein Amt mit 22 Jahren an; er war vor allem ein praktischer Denker, verschloss sich nicht in den 4 Wänden seines Arbeitszimmers, sondern „stieg zu seinem Volk herunter“. Er ist immer in seinen kleinen Gemeinden unterwegs, er organisiert das jüdisch-religiöse Leben, er sorgt für Statuten in den Gemeinden und verfasst diesbezüglich „die Instruktion für die Vorsteher und Rechnungsführer des Landesrabbinats Ostfriesland“.

Er verließ sich jedoch nicht auf die gedruckten Instruktionen. Er prüft, er berichtigt, die Gemeindeprotokolle werden immer von ihm „beglaubigt“. Er ist im wahrsten Sinne der geistige Führer seiner Gemeinde und verpflichtet seiner Landdrostei[4] Berichte zu schicken, ist aber sonst unabhängig von seinen Gemeinden. Im Gegensatz zu den Gemeinden in Altpreußen und der großen Gemeinde in Berlin, wo der Rabbiner als Aufseher für religiöse Belange eingesetzt ist. Maßgebend für die jüdischen Gemeinden war immer das Judengesetz vom Juli 1847[5], in dem keine Rede von einem Rabbiner ist. Die Schuld trug die Berliner Gemeinde, die auf die Anfrage der Regierung, „was die Aufgabe des Rabbiners sei“ 1812 geantwortet hat: „Der Rabbiner ist ein Koscher-Wächter“.

Es ist Samson Raphael Hirsch und seinem Vorgänger in Oldenburg Nathan Markus Adler[6] zu verdanken, dass sie ein klares und positives Rechtsverhältnis schufen für alle Rabbiner, die nach ihnen wirkten, auch für den Landesrabbiner zu Hannover. Eine Regelung, die auch heute passend und wünschenswert für das Land Niedersachsen wäre wie für sämtliche in der Bundesrepublik wirkende Rabbiner.

Zwei Lehrer waren es, die auf Samson Rafael Hirschs Wirken und Denken einen großen Einfluss hatten, es ist Isaak Bernays[7], Hamburg, und Jakob Ettlinger[8], Mannheim. Seine Freunde, mit denen er sich geistig auseinandersetzte, sind sein Universitäts-Kommilitone Abraham Geiger[9] und sein großer Verehrer, der bekannte Historiker Heinrich Graetz[10], auf den Samson Raphael Hirschs erstes Buch wie ein „Meteor“ wirkte.

Letzterer kam nach Oldenburg, um aus Hirschs Munde „die Lehre zu vernehmen“.

Mit dem Anbruch neuer geistiger Gedanken im 19. Jahrhundert suchten auch jüdische Gelehrte einen neuen Weg. Hirsch, im Gegensatz zu Geiger und Graetz, sucht Regeneration des Judentums, aber nicht in einer Reform des Glaubensgehaltes — „Die Reform, der das Judentum bedarf ist eine Erziehung der Zeit zur Thora, nicht eine Nivellierung der Thora nach der Zeit“.

Die jüdische Erziehung sieht und verfolgt er gemäß dem Grundgesetz „Schön ist das Lernen der Gotteslehre in Verbindung mit der Weltsitte“ (Awot 2)[11].

Den Gottesdienst sucht er durch Chor und Gesang zu verschönern. „Der glutvolle jüdische Theologe aus dem 19. Jahrhundert“, noch heute verehrtes geistiges Oberhaupt der neuen Orthodoxie, sieht das Volk Israel als großen Lehrer der Völker, indem es lehrt, dass Gott die Quelle alles Segens ist, im Gegensatz jedoch zu vielen namhaften großen und bekannten Rabbinern aller Generationen sieht er das Land Israel nur als Mittel, die Gottes-Vorschriften zu erfüllen. Die folgende Abhandlung beabsichtigt lediglich, das Wirken Samson Raphael Hirschs in Niedersachsen zu zeigen. Sie nimmt hauptsächlich auf die Akten des Staats-Archivs Aurich und der Stadt Emden Bezug.

Samson Raphael Hirsch´s Wirken im Land Niedersachsen

Im Jahre 1830 verließ der erste Rabbiner von Oldenburg, Nathan Marcus Adler, Oldenburg, um in seine Vaterstadt Hannover zurückzukehren. Von dort wurde er 1845 nach England berufen.

Vor seinem Weggang wurde er von der großherzoglichen Regierung beauftragt ihr Vorschläge zur Besetzung der vakanten Stelle zu machen.

Am 24 März 1830 richtete Adler folgendes Schreiben an die Regierung:

„Um einer hohen Aufgabe, vom 6. d. Mts., die Wiederbesetzung der hiesigen Landrabbinerstelle betreffend, auf eine der wichtigen Zwecke entsprechende Weise Genüge zu leisten, hat der Landrabbiner solche zum Gegenstande seiner sorgfältigen Prüfung gemacht. Als deren Resultat hat er zu berichten die Ehre, dass ihm unter allen den Kandidaten, welche sich um diese Stelle beworben haben, der am geeignetsten zu sein scheint, welcher ihm von dem Herrn Gumprecht, Vorsteher der israelitischen Gemeinde zu Frankfurt a. M., in Vorschlag gebracht und auf das Ausgezeichnetste empfohlen wurde. Derselbe nennt sich

Samson Raphael Hirsch,

ist aus Hamburg gebürtig, 23 Jahre alt und Kandidat der Philologie. Er hat in seiner Vaterstadt einen wissenschaftlichen Unterricht empfangen, eine jüdisch theologische Anstalt zu Mannheim 1 Jahre lang besucht und befindet sich gegenwärtig auf der Universität zu Bonn, worüber aus den Zeugnissen (Anlagen sub. 1 bis 5) das Nähere erhellt.

Der Landrabbiner hat über diesen jungen Mann von vielen Seiten Erkundigungen eingezogen. Diesen zufolge soll derselbe guten moralischen Charakters sein, ausgezeichnete Sprachkenntnisse besitzen und überhaupt den Forderungen, welche man an den jüdischen Geistlichen zu machen berechtigt ist, bestens genügen können. Als kleine Probe seiner homiletischen Fähigkeiten wird diesem Berichte eine von ihm selbst gehaltene und geschriebene Rede gehorsamst angefügt.

Der Landrabbiner beehrt sich das Weitere in hoher Entscheidung Großherzogl. Regierung mit der ergebensten Bitte anheimzustellen, dieselbe wolle ihm die Resolution mitteilen lassen.

Großherzogl. Oldenburg. Landrabbiner

Dr. Adler.“

Die Oldenburgische Regierung wandte sich um Auskunft an ihren Bevollmächtigten in Hamburg, den Konsul Schmidt. Dieser schrieb am 27. Juni folgende Antwort:

„Auf das Reskript der Großherzogl. Regierung vom 14. d. Mts. hat Unterzeichneter die Ehre zu erwidern, dass alle von verschiedenen Personen eingezogenen Erkundigungen für den fraglichen Samson Raphael günstig lauten. Derselbe ist aus einer rechtlichen Familie, die streng dem alten System anhängt. Doch gibt man ihm einstimmig hinsichtlich seiner Moralität, seines Charakters, seines Fleißes und seiner Kenntnisse das beste Zeugnis und erwartet, da er in Bonn zum Studium zugelassen worden, dass er die dort herrschenden gelinden Ansichten, mit den Orthodoxen, worin er hier erzogen, zu vereinigen wissen wird und Juden von beiden Systemen legen eine warme wohlwollende Teilnahme für den jungen Mann an den Tag.

Schmidt.“

Hierauf schrieb die Regierung am 28. Juni an Dr. Adler.

„Über den Landrabbiner Dr. Adler zu seinem Nachfolger vorgeschlagenen Samson Raphael Hirsch aus Hamburg hat die Regierung so günstige Nachrichten eingezogen, dass sie wünschen muss, ihn persönlich kennenzulernen, um über seine ferneren Qualifikationen die nötige Überzeugung zu erlangen. Würde derselbe daher hierherkommen und sich der verordnungsgemäßen Prüfung unterziehen, auch in derselben genügende Proben seiner Kenntnisse an den Tag legen, so würde die Regierung ihn bei seiner Königl. Hoheit zum Landrabbiner in Vorschlag zu bringen kein Bedenken tragen. Der Landrabbiner Dr. Adler wird daher ermächtigt, die Übereinkunft des S. R. Hirsch baldigst zu bewerkstelligen usw.“

Die Prüfung Hirschs fand am 28. Juli 1830 vormittags 10 Uhr im Sitzungszimmer der Regierung in Gegenwart des Kammerherrn Regierungsrat von Lützow, des Generalsuperintendenten Dr. Hollmann sowie des Landesrabbiners Dr. Adler statt. Als Prüfungskommissare richteten sowohl Dr. Hollmann sowie Dr. Adler viele Fragen aus allgemeiner und jüdischer Religionslehre und Religionsphilosophie an Hirsch und dieselben Fragen hätten ebenso gut einen evangelischen oder katholischen Kandidaten vorgelegt werden können. Spezifisch jüdische Fragen waren sehr wenige, darunter das Protokoll mit allen Fragen liegt noch im Ministerium zu Oldenburg. Von einer Probepredigt war natürlich keine Rede.

Am 3. August schickte der Großherzog an seine Regierung folgende Urkunde:

„Unsere Regierung wird auf ihren Bericht vom 30. v. Mts wegen Anstellung eines Landrabbiners hierdurch eröffnet, daß anstelle des abgehenden Landrabbiners Dr. Adler der in Vorschlag gebrachte Samson Raphael Hirsch aus Hamburg zu diesem Posten berufen sein wird. Die Regierung hat deshalb das Erforderliche zu besorgen und zu verfügen.

Auf dem Schlosse zu Oldenburg, 3. August 1830.

August.

Die Vereidigung des neu angestellten Land Rabbiners fand am 21. September vormittags 11 Uhr statt. Das Gehalt betrug 500 Thaler und 100 Thaler Wohnungszuschuss.

Dreiundzwanzigjährig ist der gewählte junge Oldenburger Landrabbiner. Hirsch hatte einen fruchtbaren Boden vorgefunden. Die Oldenburger Herzöge und Großherzöge haben der bürgerlichen Entwicklung der Juden keine Hemmnisse in den Weg gelegt. Man erkennt an ihren Handlungen den Einfluss des dänischen Königshauses. Oldenburg war für lange Zeit von 1667 bis 1773 mit dem dänischen Königshaus in Personalunion verbunden.

Die Oldenburger Herzöge förderten das religiöse Leben und Unterrichtswesen der Juden wie uns die Verordnung vom 14. August 1827 aufschlussreich unterrichtet:

Aufgrund des Gesetzes von 1827 erhielt die Oldenburger Judenschaft ihren ersten Rabbiner im Jahre 1829. Es war der oben erwähnte Nathan Markus Adler. Im Gegensatz zu Preußen, wo der König deutsche Predigten in der Synagoge verbot, war der Herzog zu Oldenburg für den neuen Geist und wünschte, dass die Juden an ihm Anteil haben sollten. Somit gelang es Rabbiner Adler, den Rabbiner Typ des deutschen Rabbiners, zu schaffen. „Der deutsche Rabbiner musste mehr sein als nur ein praktizierender Geistlicher. Er musste Theologe und Philosoph sein.“

In den Synagogengemeinden bzw. im Synagogengemeinderat bedurfte es in allen Fällen, wie Ordnung beim Gottesdienst, Schulen, die Verwaltung und Wahrung des Gemeindevermögens, Anstellung des Lehrers, Sängers, und Aufstellung von Gemeindestatuten der Genehmigung des Landrabbiners.

An der Spitze des Landesgemeinderates steht der Landesrabbiner und ist nicht der Landesgemeinde untergeben. Er kann daher nicht gekündigt werden, fällt unter das Zivil-Beamten-Gesetz und ist als solcher staatlich pensionsberechtigt. Sein Gehalt wird von der Regierung festgesetzt.

 Da der Landrabbiner vom Großherzog bestellt wird, so kann ihn nur dieser aus seinem Amt entlassen.

Unter solchen Umständen war dem jungen Landrabbiner Samson Raphael Hirsch der Weg für seinen geistigen Ackerbau geebnet. In seinem elfjährigen Wirken in Oldenburg gelang es ihm, für seine Lehrer an den Schulen die Mischnah zu übersetzen. Seine grundlegenden philosophischen Ideen legte er in seinen zwei großen Werken dar:

Neunzehn Briefe über das Judentum (1836), die er unter dem Pseudonym Ben-Usiel herausgab; „Choreb“ – Versuche über Jisroels Pflichten in der Zerstreuung (1837). In den Jahren 1838/39 erscheint seine Schrift: Erste Mitteilungen aus „Naphtalies Briefwechsel“, wo er mit dem jüdischen Neuerern abrechnet. Im Jahre 1841 veröffentlicht er: „Jüdische Anmerkungen zu den Bemerkungen eines Protestanten über die Konfession der 22 Bremischen Pastoren“ (von einem Juden). Zu dieser Schrift gratuliert ihm und dankt der Großherzog mit den Worten: „Für die Errettung der Juden und Christen.“

Wikipediaeintrag zu Rabbiner Zwi Asaria

Gekürzte Fassung

Zvi Asaria (Tsevi Azaryah); (geboren 8. September 1913 als Hermann Helfgott in Beodra, Österreich-Ungarn; gestorben 22. Mai 2002 in Savjon) war ein jugoslawisch-israelischer Rabbiner und Autor.

Leben

Hermann Helfgott war der Sohn des Hausierers Kolman Helfgott. Er studierte Theologie im Rabbinerseminar in Sarajevo und von etwa 1934 bis 1938 semitische Philologie in Wien (Vorlesungen in Geschichte, Geographie und Orientalistik). Nachdem er Anfang 1938 sein erstes Rigorosum bestanden hatte, brach er nach dem Anschluss Österreichs das Prüfungsverfahren ab und flüchtete nach Budapest, wo er sein theologisches Diplom erwarb und zum Dr. phil. promovierte. Kurzzeitig war er in Zrenjanin (Veliki Bečkerek) als Rabbi tätig, ehe er als Feldgeistlicher in die jugoslawische Armee eintrat. 1941 geriet er als Hauptmann in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er verbrachte drei Jahre in Lagern in Straßburg, Nürnberg und in Pommern. Schließlich kam er in das Offizierslager Oflag VI C in Osnabrück. Darüber – und über Bergen-Belsen – berichtete er in „Wir sind Zeugen“.

Nach der Befreiung durch die britische Armee war er zunächst kurz Rabbi in Nienburg, um dann – gemeinsam mit christlichen Geistlichen – den Überlebenden und Sterbenden des KZ Bergen-Belsen beizustehen. 1945 gründete er dort mit dem Regisseur Sami Feder das Kazett-Theater. Mit dem Rabbinerrat überwachte er das religiöse Leben im DP-Lager Belsen.

Im Februar 1947 wurde er in London zum Vertreter des Jüdischen Weltkongresses für Erziehung, Kultur und Religion ernannt. Ende Mai 1947 berief ihn der Rat der jüdischen Gemeinden in der britischen Besatzungszone zum Oberrabbiner. Im Sommer 1948 besuchte er im Auftrag der Jewish Agency jüdische Gemeinden in der britischen Besatzungszone und warb für den „Jüdischen Volksdienst“, also dafür, dass junge Juden in den gerade ausgerufenen Staat Israel einwanderten und sich zum Dienst in der israelischen Armee meldeten. Noch im gleichen Jahr kämpfte er im Rang eines Majors im Palästinakrieg mit. Mit der Annahme der israelischen Staatsbürgerschaft nahm er den Namen Zvi Asaria an.

1953 kehrte er als Leiter der Kulturabteilung der Israel-Mission nach Deutschland zurück und wirkte gleichzeitig bis 1962 als Gemeinderabbiner in Köln.

Ab etwa 1965 teilte er seine Zeit zwischen israelischen Gemeinden in Savjon (Zentralbezirk) und niedersächsischen Gemeinden auf. Er war Mitbegründer der She’erit-Hapletah-Bewegung (Die letzten Überlebenden). Von 1966 bis 1970 war er Landesrabbiner von Niedersachsen.

Nachlass

Nach seinem Tod vermachte Malka Asaria-Helfgot, geb. Bodner, seine Sammlung dem Yad Vashem Archiv. Weitere Teile seines Nachlasses befinden sich im Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland und im Braunschweigischen Landesmuseum.

Kölner Synagogen-Schmiererei 1959

In der Nacht auf den 1. Weihnachtstag 1959 hatten in Köln zwei 25-Jährige, die zwei Jahre zuvor der DRP beigetreten waren und auf deren Weihnachtsfeier ihre Untat angekündigt hatten, einen missliebigen Spruch auf einem Gestapo-Mahnmal übermalt und die drei Monate zuvor geweihte Synagoge Köln in der Roonstraße mit dem Spruch „Juden raus“ und vier 10–25 cm großen Hakenkreuzen beschmiert. Während die Entdecker, ein Primaner mit seiner Großmutter, die die Polizei riefen, die Schmiererei wegwischen wollten, wollte der herbeigerufene Rabbi Asaria zunächst Rücksprache mit dem SPD-Stadtverordneten und stellvertretenden Vorstand der Kölner Synagogen-Gemeinde Sally Kessler halten, die dann entschieden, dass die Schmiererei erst nach dem Sabbat entfernt werden dürfe. Danach war sie selbst durch ein Sandstrahlgebläse nur mangelhaft zu tilgen. Glaubensbrüder aus dem Ausland hatten Asaria geraten, die Sudeleien als Menetekel eine Zeitlang stehen zu lassen.

Bis Ende Januar 1960 wurden 470 ähnliche Vorfälle registriert, die als „antisemitische Schmierwelle“ in die Geschichte der Bundesrepublik eingingen. Der Ostblock protestierte, und in London und New York gab es Demonstrationen mit bis zu 15.000 Teilnehmern. Die Neufassung des § 130 StGB (Volksverhetzung), die zuvor aufgrund des Einwands von Franz Böhm auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden war, wurde nun vorangebracht und im März 1960 verabschiedet. Ferner gab es einen neuen § 96a StGB für das öffentliche Verwenden nationalsozialistischer Kennzeichen oder Symbole verbotener Parteien.

Wikipediaeintrag zu Rabbiner Nathan Marcus Adler

Nathan Marcus Adler (15. Januar 1803 in Hannover – 21. Januar 1890 in Brighton, Großbritannien) war ein deutsch-britischer Rabbiner und Oberrabbiner.

Leben

Herkunft und Familie

Nathan Adler war der Sohn des jüdischen Gelehrten Markus Adler (ab 1804 Verwalter des Landrabbinats in Hannover). Seine einzige Schwester war Henriette Budge, geb. Adler, die 1875 in Wetzlar starb. Sie war die Schwiegermutter des Rabbiners der Synagogengemeinde von Stettin, Abraham Treuenfels, und Ehefrau von Jakob Budge. Adlers Schwager, der in Wetzlar sesshafte Kaufmann Jakob Budge (1797–1873), war ein Onkel des deutsch-amerikanischen Kaufmanns und Wohltäters Henry Budge und war 1857 einer der wohlhabendsten Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Wetzlar.

Werdegang

Nach dem Schulbesuch studierte Nathan Adler ab 1826 in Würzburg Theologie und Philologie und promovierte 1828 an der Universität Erlangen. Einer seiner Lehrer an der Würzburger Jeschiwa war Abraham Bing. „Nach Würzburg strömte […] eine grosse Anzahl Schüler, um seinen gelehrten Worten zu lauschen. Zu den bedeutendsten gehörten der nachmalige Altonaer Ober-Rabbiner Jakob Ettlinger, der spätere Londoner Chief Rabbi Nathan [Marcus] Adler, der Hamburger Chacham Isaak Bernays, Rabbi Elieser Bergmann und […] Seligmann Bär Bamberger.“

Wirkungsstätte Oldenburg

Der erst 25-jährige Adler wird im Jahr 1828 zum herzoglichen Landrabbiner im Herzogtum Oldenburg ernannt. Seine Antrittsrede vom 6. Juni 1829 ist in der Zeitschrift Sulamith wiedergegeben. Schon im Februar 1830 kündigt er seinen Wechsel nach Hannover an, veröffentlicht aber in Oldenburg noch einen Entwurf für eine Schulordnung. Im Juni 1830 schlägt er der Regierung in Oldenburg Samson Raphael Hirsch zu seinem Nachfolger vor. Nach dieser kurzen Zeit in Oldenburg erfolgte seine Abschiedspredigt dort am 8. August 1830. Er übernahm danach das Landrabbinat Hannover von seinem Vater.

Weitere Wirkungsstätten

Hier in Hannover war er – wie schon zuvor in Oldenburg – verantwortlich für die Reorganisation der jüdischen Gemeinden, so auch für die „Allgemeine Synagogen-Ordnung“ (1832) und für die Reform des jüdischen Schulwesens (inklusive Schulpflicht).

Nachdem sich Adler 1842 erfolglos als Rabbiner in Berlin beworben hatte, wurde er 1844 als Nachfolger von Solomon Hirschell zum Chief Rabbi des Britischen Reiches gewählt und zog nach London. Sein Nachfolger in Hannover wurde Samuel Ephraim Meyer.

In London gründete Adler 1845 das Jews’ College und war dort verantwortlich für die Vereinigung aller Londoner Synagogen zur „United Synagogue“ (1868). Sein Sohn Hermann Adler übernahm seine Nachfolge als Oberrabbiner des Commonwealth.

Werke

Von Adler stammt u. a. der fünfbändige Kommentar zum „Targum Onkelos“, der in aramäische Sprache übertragenen Thora im Romm’schen Pentateuch (Wilna 1875, zahlr. Neuauflagen), sowie eine kritische Ausgabe mit Übersetzung und Kommentar der Reisebeschreibungen von Benjamin von Tudela.

in Herausgeberschaft: The Itinerary of Benjamin of Tudela, London 1907, Nachdruck bei Feldheim, New York 1965, Text (in hebräischer Sprache), Übersetzung und Kommentar (in englischer Sprache)

Wikipediaeintrag zu Rabbiner Isaak Bernays

Gekürzte Fassung

Isaak Bernays, auch Isaac Ben Jacob Bernays (geboren am 29. September 1792 in Weisenau, Kurbistum Mainz; gestorben am 1. Mai 1849 in Hamburg) war ein deutscher Rabbiner und gilt mit Jakob Ettlinger als einer der Vorreiter einer modernen jüdischen Orthodoxie.

Er bekleidete von 1821 bis zu seinem Tode 1849 das Amt des Rabbiners der aschkenasischen Gemeinde in Hamburg. Bernays war einer der ersten Rabbiner, der außer dem jüdischen Studium auch eine Universität besucht hatte.

Leben

Issak Bernays war ein Sohn des Gastwirts Jaques Beer aus der jüdischen Gemeinde Weisenau (18. Juni 1747 – 18. Oktober 1817) und seiner Ehefrau Marthe Wälsch. 1808 ließ Jacob Beer aufgrund der französischen Namensverordnung seinen Namen in Jacob Bernays ändern.

Issak Bernays besuchte in Weisenau nahe dem französisch beherrschten Mainz (Mayence) die Cheder, belegte aber auch Kurse am Lyzeum in der Stadt. Herz Scheuer, Rabbiner von Mainz, schickte ihn zu weiterführenden Studien nach Würzburg zu Abraham Bing. Neben dem Besuch der Jeschiva besuchte er die Universität Würzburg, studierte ab 1815 Philosophie und promovierte zum Dr. phil. Abraham Bing war wegen seiner Gelehrsamkeit berühmt.

Nach einer Anstellung als Privatlehrer und einem weiteren Studium bei Schelling in München wurde er 1821 als Oberrabbiner von Gemeindevorsteher Jacob Riesser an die israelitische Gemeinde in Hamburg berufen. Bernays führte in Hamburg den Titel „Chacham“ (Weiser) nach der Tradition der sephardischen Juden, um sich von den orthodoxen aschkenasischen Rabbinern abzugrenzen.

Ein Jahr nach seinem Amtsantritt heiratete er am 28. August 1822 Sara Lea (Henriette) Berend (1803–1853), Tochter des Hannoveraner Bankiers, Lehrers und Inspektors der jüdischen Schule Michael Behrend (gestorben 1832) und dessen dritter Frau Hannele Ries aus Berlin. Mit ihr hatte er sieben Kinder.

In Hamburg führte Bernays deutschsprachige Predigten in der Synagoge ein. Er wurde wegen seiner umfangreichen Kenntnisse geschätzt, seine Predigten stießen aber wegen ihrer Komplexität auf Vorbehalte.

In der Talmud-Tora-Schule der Gemeinde reformierte er den Lehrplan. Während vorher nur Lesen und Schreiben in hebräischer Sprache sowie Arithmetik unterrichtet worden waren, kamen jetzt auch Deutsch und weitere weltliche Fächer einer allgemeinen Elementarschule hinzu. Zwei Jahre nach Bernays’ Tod wurde die Schule zur Realschule erhoben, es war die einzige des orthodoxen Judentums in Deutschland.

Trotz seiner Modernität war Bernays orthodox und lehnte das Reformjudentum des Hamburger Tempels ab. Als dieser 1841 ein revidiertes Gebetbuch einführte, nahm Bernays dagegen Stellung.

Isaak Bernays starb an einem Schlaganfall und wurde auf dem Jüdischen Friedhof am Grindel beigesetzt. Sein Grabstein wurde bei dessen Auflösung auf den Jüdischen Friedhof Ohlsdorf versetzt.

Wikipediaeintrag zu Rabbiner Jakob Ettlinger

Jakob Ettlinger (geboren am 17. März 1798 in Karlsruhe; gestorben am 7. Dezember 1871 in Altona) war ein Talmudgelehrter und orthodoxer Rabbiner, der als Lehrer von Samson Raphael Hirsch und Esriel Hildesheimer zum Wegbereiter der Neuorthodoxie wurde. Nach seinem Talmud-Kommentar wird er auch Ārūch laNer (hebräisch ערוך לנר) genannt.

Leben

Jakob Jokew Ettlinger (hebräisch יעקב יוקב בן אהרן אטלינגר) wuchs als Sohn des Klausrabbiners Aron Mayer Ettlinger (1769–1849) und seiner Frau Rachel geb. Ettlinger in Karlsruhe auf. Die beiden Eltern waren wiederum Nachfahren des frommen Gelehrten Isaak von Ettlingen. In seinem Elternhaus und von dem badischen Oberlandesrabbiner Ascher Löw-Wallerstein erhielt er eine traditionelle jüdische Erziehung sowie Einführung in das analytische Studium des Talmud. Von 1816 bis 1819 studierte er an der Jeschiwa in Würzburg bei Abraham Bing sowie parallel, als einer der ersten Juden, an der dortigen Universität. „Nach Würzburg strömte […] eine grosse Anzahl Schüler, um seinen gelehrten Worten zu lauschen. Zu den bedeutendsten gehörten der nachmalige Altonaer Ober-Rabbiner Jakob Ettlinger, der spätere Londoner chief rabbi Nathan [Marcus] Adler, der Hamburger Chacham Isaak Bernays, Rabbi Elieser Bergmann und […] Seligmann Bär Bamberger.“ Bergmann und Ettlinger bildeten in Würzburg eine Chavrusa (חברותא, d. i. eine Lerngemeinschaft). Bei seinem Lehrer Bing entwickelte Jakob Ettlinger zusammen mit Isaak Bernays das Konzept des „Tora im derech eretz“ (תורה עם דרך ארץ), der Verbindung von Toratreue und säkularer Bildung.

Durch seine radikale Strenggläubigkeit im Widerspruch zum maßgebenden Oberrat der Israeliten Badens kam Ettlinger zunächst nicht in einflussreiche Positionen. Ab 1823 war er Stiftsrabbiner am Elias Wormser’schen Lehrhaus in Karlsruhe, 1825 wurde er Primator an der Lemle-Moses-Klaus in Mannheim. Im August desselben Jahres heirateten Jakob Ettlinger und Nanette „Gnendel“ Wormser (1809–42), die Tochter des Karlsruher Gemeindevorstehers Kaufman Wormser.

1827 wurde Rabbiner Ettlinger Bezirksrabbiner in Ladenburg. Nach weiteren Auseinandersetzungen mit reformorientierten Kollegen erhielt er 1836 aufgrund seines Rufes als herausragender Talmudist eine Stelle bei der Hochdeutschen Israelitengemeinde zu Altona an und erhielt das Amt des Oberrabbiners für Altona, Wandsbek und Schleswig-Holstein. Sein Vorgänger in diesem Amt, Akiba Israel Wertheimer, war 1835 gestorben. Von Altona aus, wo er auch das Amt des Rabbinatsrichters (Av Bet-Din) ausübte, entfaltete er eine rege Tätigkeit für die Orthodoxie. So führte er 1844 den Protest von 144 Rabbinern gegen die Beschlüsse einer Versammlung reformwilliger Kollegen in Braunschweig an. Er gründete eine Talmud-Hochschule, ein Palästinawerk und im Jahr 1845 die erste gegen die Reformbestrebungen der Zeit eintretende Zeitschrift: Der treue Zions-Wächter: Organ zur Wahrung der Interessen des gesetzestreuen Judenthums, die von Samuel Enoch redigiert wurde.

Rabbiner Ettlingers Kommentar Aruch laNer (dt. „Ins Licht gesetzt“) über die Sechs Ordnungen (hebräisch ש״ס, Shas) gehört heute zum talmudischen Kanon.

Sieben Kinder gingen aus der Ehe mit Gnendel hervor, die bereits 1842 verstarb. Aus der zweiten Ehe mit Sophie (Sheva) geb. Mayer entstammten drei weitere Kinder. Vier seiner Schwiegersöhne waren ebenfalls prominente orthodoxe Rabbiner – Oberrabbiner Joseph Isaacsohn in Rotterdam, Salomon Cohn in Schwerin, Israel Meir Freimann in Ostrowo, und Distriktsrabbiner Moses Löb Bamberger in Kissingen.

Admor Jakob Ettlinger und Gnendel geb. Wormser sind auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg-Altona begraben, Sophie geb. Mayer auf dem Jüdischen Friedhof in Bahrenfeld.

Werke (Auswahl)

Bikkurei Yaakov. Altona, 1836 (über den Traktat Sukka).

Aruch laNer. Altona, 1850 u.ö. (Novellen zum Talmud).

Binyan Tziyon. Altona, 1868 u.ö. (Responsa und Predigten).

Minchat Ani. Altona, 1874 u.o. (Homilien zum Pentateuch).

Mincha Arucha. Jerusalem 2008 (Gesammelte Schriften. Red.: Yehuda Aharon Horovitz).

Wikipediaeintrag von Rabbiner Abraham Geiger

Abraham Geiger (hebräisch אברהם גייגער; geboren am 24. Mai 1810 in Frankfurt am Main; gestorben am 23. Oktober 1874 in Berlin) war ein preußischer Rabbiner. Er war einer der ersten und wichtigsten Vordenker des Reformjudentums sowie ein bedeutender jüdischer Gelehrter im Bereich der Wissenschaft des Judentums.

Leben

Abraham Geiger wurde in Frankfurt am Main als Sohn des Rabbiners Michael Lazarus Geiger (1755–1823) und der Roeschen Wallau (1768–1856) in eine orthodoxe Familie geboren und erhielt eine traditionelle religiöse Erziehung. Schon als Kind führten ihn Studien in den Altertumswissenschaften dazu, die orthodoxe Interpretation des Judentums zu hinterfragen, in der sowohl die Offenbarung am Berg Sinai als auch die später verfassten Kommentare auf göttlichen Ursprung zurückgeführt werden. Mit 17 begann er Arbeiten an seinem ersten Werk, einem Vergleich der Rechtssysteme von Mischna, Bibel und Talmud. Weiter erarbeitete er ein Wörterbuch zum mischnischen (rabbinischen) Hebräisch. Im Jahr 1823 starb sein Vater. Abraham Geiger musste nun auch die religiöse Erziehung seines jüngeren Halbbruders Salomon übernehmen.

Finanziert von Freunden und gegen den Willen seiner Familie begann er sein Studium im April 1829 an der Universität Heidelberg. Dort befasste er sich mit philologischen Studien, Geschichte, den alten Sprachen, Philosophie und Archäologie. Nach einem Semester wechselte er an die Universität Bonn. Hier verkehrte er in einem Kreis von jüdischen Studenten, die sich auf eine spätere Tätigkeit als Rabbiner vorbereiteten, darunter Salomon Munk und Samson Raphael Hirsch, sein späterer Gegner. Mit ihm organisierte er eine jüdische Studiengesellschaft. In diesem Rahmen hielt er am 2. Januar 1830 seine erste Predigt als Rabbiner. In Bonn studierte Geiger beim Orientalisten Georg Wilhelm Friedrich Freytag Arabistik und den Koran. Dank seiner preisgekrönten Abhandlung „Was hat Mohammed aus dem Judenthume übernommen?“, die 1833 in Buchform publiziert wurde, erhielt er ein Doktorat der Universität Marburg.

Da jedoch zu jener Zeit Juden in Deutschland nicht als Professoren an Universitäten tätig sein durften, übernahm Geiger eine Stelle als Rabbiner in Wiesbaden (1832–1837). Seine akademischen Tätigkeiten setzte er als Gründer und Redakteur von zwei wissenschaftlichen Zeitschriften fort: Wissenschaftliche Zeitschrift für Jüdische Theologie (1835–1839) und Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Leben (1862–1875).

Aufgrund starken Widerstandes der jüdischen Gemeinde Breslau wurde er dort nach seiner Bewerbung zum Rabbiner 1838 erst 1840 zunächst stellvertretender Rabbiner. 1843, nach dem Tode Salomo Tiktins, erhielt er dann die Stelle des Oberrabbiners, was zum Austritt der Anhänger der Orthodoxie unter Tiktins Sohn Gedalja führte. Die Spannungen in Breslau bestanden jedoch weiterhin, und als 1854 in Breslau das Jüdisch-Theologische Seminar eröffnet wurde, an dessen Aufbau Geiger mitgewirkt hatte, erhielt er dort keine Anstellung, weil konservative jüdische Kreise seine theologische Position als zu liberal einstuften.

Geiger verließ Breslau 1863 und war bis 1870 Rabbiner der Einheitsgemeinde in Frankfurt am Main. 1870 gehörte er zu den Gründern der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin, an der er von 1872 bis zu seinem Tod 1874 lehrte.

Abraham Geiger plädierte für eine Anpassung historisch bedingter religiöser Ritualgesetze (im Gegensatz zu universalen religiösen Werten) an die Gegenwart, was ihm den Widerspruch der jüdischen Orthodoxie einbrachte. Als sein Hauptwerk gilt Urschrift und Übersetzungen der Bibel (1857), in dem er postulierte, dass die Pharisäer und frühen Rabbiner der Mischna sich um eine Liberalisierung und Demokratisierung des jüdischen Gesetzes bemüht hätten, im Gegensatz zu den aristokratischen, konservativ eingestellten Sadduzäern, unter deren Kontrolle das Priestertum und der Tempel zu Jerusalem standen.

Innerhalb der Reformbewegung vertrat Geiger eine gemäßigte Position und versuchte, zwischen den radikaleren Auffassungen von Samuel Holdheim und Kaufmann Kohler sowie den konservativen Vertretern wie Zacharias Frankel und Heinrich Graetz zu vermitteln. Geiger setzte sich für den Gebrauch des Deutschen in der jüdischen Liturgie ein und empfand die meisten Speisegesetze als unangemessen. Er bezeichnete die Beschneidung in einem Brief an Leopold Zunz als „barbarisch blutigen Akt“, stellte sich jedoch gegen einen Aufruf des Frankfurter Reformvereins zu deren Abschaffung und sprach sich auch dagegen aus, den Schabbat auf den Sonntag zu verlegen.

Er heiratete am 1. Juli 1840 in Frankfurt am Main Emilie, geborene Oppenheim (* 7. Dezember 1809 wahrscheinlich in Bonn; † 6. Dezember 1860 in Breslau). Der gemeinsame Sohn Berthold Geiger (1847–1919) wurde Rechtsanwalt und Politiker. Sein Sohn Ludwig Geiger widmete sich insbesondere der Goethe-Forschung.

Abraham Geiger starb 1874 im Alter von 64 Jahren in Berlin. Sein Grab befindet sich in der Ehrenreihe des Jüdischen Friedhofs Schönhauser Allee. Auf Beschluss des Berliner Senats ist die letzte Ruhestätte von Abraham Geiger seit 2001 als Ehrengrab des Landes Berlin gewidmet. Die Widmung gilt vorläufig für 20 Jahre, kann anschließend aber verlängert werden.

Das Abraham-Geiger-Kolleg an der Universität Potsdam ist nach ihm benannt. Es verleiht alle zwei Jahre den Abraham-Geiger-Preis.

Am 25. Mai 2010 enthüllte die Historische Kommission des Landes Berlin eine Gedenktafel zum 200. Geburtstag Abraham Geigers in den Hackeschen Höfen, Rosenthaler Str. 40, seinem Sterbeort.

Schriften (Auswahl)

Was hat Mohammed aus dem Judenthume aufgenommen? Dissertation Bonn 1833. Textarchiv – Internet Archive

Nachdruck der 2., revidierten Auflage. Kaufmann, Leipzig 1902. Herausgegeben und mit einem Vorwort von Friedrich Niewöhner. Parerga Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-937262-07-5.

Nachdr. der Ausgabe Madras 1898. Zohar books, Tel Aviv 1969.

Judaism and Islam. Translated by F. M. Young, 1896. Online Edition (englisch)

Das Judenthum und seine Geschichte von der Zerstörung des zweiten Tempels bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts. In zwölf Vorlesungen. Nebst einem Anhange: Offenes Sendschreiben an Herrn Professor Dr. Holtzmann. Breslau: Schletter, 1865–1871. Digitalisat

Judaism and its history: in 2 parts (Das Judenthum und seine Geschichte, englisch). Lanham [u. a.]: Univ. Press of America, 1985. ISBN 0-8191-4491-6.

Urschrift und Übersetzungen der Bibel in ihrer Abhängigkeit von der inneren Entwicklung des Judenthums. 1857

Zur Theologie und Schriftenerklärung der Samaritaner. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 12. 1858. S. 132–142 (Digitalisat).

Zur Geschichte der thalmudischen Lexikographie: Einige unbekannte Vorgänger und Nachfolger des Aruch. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 12. 1858. S. 142–149 (Digitalisat).

זךעיתא זךעיוח σπεματα. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 12. 1858. S. 307–309 (Digitalisat).

Warum gehört das Buch Sirach zu den Apokryphen? In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 12. 1858. S. 536–543 (Digitalisat).

Eine mittelalterliche jüdische Medaille. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 12. 1858. S. 680–693 (Digitalisat).

Notizen von Rabbiner Dr. Geiger – I. Assaf. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 14. 1860. S. 277–279 (Digitalisat).

Nachgelassene Schriften. Reprint of the 1875–1878 ed., published in Berlin by L. Gerschel. Band 1–5. Arno Press, New York 1980, ISBN 0-405-12255-1

Seine Schriften in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft

Wikipediaeintrag zu Heinrich Graetz

Gekürzte Fassung

Heinrich Graetz (Hirsch Graetz) (geboren am 31. Oktober 1817 in Xions, Großherzogtum Posen; gestorben am 7. September 1891 in München) war ein deutscher Historiker jüdischer Abkunft. Seine Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart ist ein Standardwerk der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts und eine der wirkmächtigsten Gesamtdarstellungen der jüdischen Geschichte überhaupt.

Leben

Heinrich Graetz wurde als Erstgeborener von drei Kindern des Inhabers eines kleinen Fleischereibetriebes, Jakob Graetz (gest. 1876), in Xions in der preußischen Provinz Posen geboren. Jiddisch war seine Muttersprache.

Nicht zuletzt wegen der ärmlichen Verhältnisse innerhalb der Familie wurde er 1831 zu Verwandten nach Wollstein geschickt, wo er die talmudischen Vorträge des Rabbiners Samuel S. Munk besuchte.

Vom 8. Mai 1837 bis Ende Juli 1840 lebte er als Schüler und literarische Hilfskraft („Famulus“) im Hause von Samson Raphael Hirsch, des damaligen Landesrabbiners von Oldenburg, des führenden Vertreters der (Neo-)Orthodoxie im deutschen Judentum des 19. Jahrhunderts.

Nach dem Abschied aus dem Hause Hirschs nahm er gegen Ende 1840 (bis Juli 1842) in Ostrowo einen Hofmeisterposten an, um sich finanzielle Mittel für den Universitätsbesuch zu verschaffen.

Anschließend ging er nach Breslau, wo er sich auch publizistisch in die dortigen Auseinandersetzungen innerhalb der jüdischen Gemeinde einschaltete und insbesondere als Gegner des die Reform vorantreibenden Gemeinderabbiners Abraham Geiger, der zu dieser Zeit als charismatische Persönlichkeit und gewaltiger Kanzelredner gefürchtet war, auftrat. Ab 1842 hatte er als Autodidakt mit ministerieller Sondererlaubnis die Universität Breslau besucht, trieb dort geschichtliche, philosophische, orientalische und physikalische Studien und wurde im April 1845 an der Universität Jena zum Dr. phil. promoviert mit der in Latein verfassten Arbeit De autoritate et vi, quam gnosis in Judaïsmum habuerit (unter anderem auch das Sefer Jetzira behandelnd), deren deutsche Fassung 1846 unter dem Titel Gnostizismus und Judentum veröffentlicht wurde. In Breslau besuchte er das katholische Schullehrerseminar und erhielt am 4. November 1847 das Befähigungszeugnis.

Im Winterhalbjahr 1852/1853 hielt er in Berlin Vorlesungen über jüdische Geschichte. Nach Stationen als Leiter einer Religionsschule in Breslau, dann 1849 in Nikolsburg, wurde er am 12. September 1850 Leiter der jüdischen Schule in Lundenburg, Mähren (die Stelle hatte ihm Hirsch, der inzwischen Landesrabbiner im mährischen Nikolsburg geworden war, besorgt). 1853 wurde er von Zacharias Frankel, mit dem ihn seit 1846 eine enge Freundschaft und Gesinnungsgenossenschaft verband, zum Dozenten für jüdische Geschichte an das neu gegründete Jüdisch-Theologische Seminar in Breslau berufen und wirkte hier 37 Jahre bis zu seinem Tode als der „vielgefeierte und hochverehrte Dozent“ (Salomon Wininger) für jüdische Geschichte und Bibelkritik. Im Dezember 1869 wurde er von der preußischen Regierung auch zum Honorarprofessor an der Universität Breslau ernannt, an jener Universität, an der er einst erst nach Überwindung großer Schwierigkeiten zur Immatrikulation zugelassen worden war. Die königliche spanische Akademie der historischen Wissenschaften zu Madrid ernannte ihn, auch in Anerkennung seiner objektiven Darstellung der Judenvertreibung aus Spanien, zu ihrem Ehrenmitglied (27. Oktober 1888).

Von 1869 bis 1887 gab er auch die Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums heraus.

Graetz besuchte 1872 im Auftrag der Alliance Israélite Universelle Palästina und gründete in Jerusalem ein Waisenhaus.

Im Oktober 1850 heiratete er Marie Monasch (gestorben am 31. Mai 1900). Der Physiker Leo Graetz (1856–1941) war sein ältester Sohn. Daneben hatten sie drei weitere Söhne und eine Tochter.

Das Grab von Heinrich Graetz befindet sich auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Breslau (Wrocław).


 Siehe Wikipediaeintrag am Ende dieses Artikels Seite 11

 Wikipedia: „Die Rabbinerkonferenz in der Bundesrepublik Deutschland, später Deutsche Rabbinerkonferenz (DRK), wurde 1952 unter Rabbiner Dr. Siegbert Neufeld gegründet. Sie war später der Zusammenschluss aller Rabbiner, die entweder in einer dem Zentralrat der Juden in Deutschland angehörenden Gemeinde amtierten oder einem Landesverband des Zentralrats angehörten. Die Deutsche Rabbinerkonferenz ging 2005 in zwei unterschiedliche Rabbinerkonferenzen über, die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD, gegründet 2003) und die liberale Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschland (ARK, gegründet 2005). Sie sollte zunächst noch als Dachorganisation der beiden Konferenzen dienen. Dieser Plan wurde später jedoch nicht weiterverfolgt.

Beide Rabbinerorganisationen – ORD und ARK – unterhalten je ein eigenes Rabbinatsgericht (Beth Din).”

 אוּדִים, Ud ist ein (verbrannter) Holzscheid, Udim die Mehrzahl

 Wikipedia: Die Landdrostei Hannover war im 19. Jahrhundert eine Mittelbehörde des Königreichs Hannover und der preußischen Provinz Hannover. Sie war die direkte Vorgängerin der Bezirksregierung Hannover.

 Wikipedia: Das preußische Judengesetz vom 23. Juli 1847, offiziell Gesetz über die Verhältnisse der Juden, regelte die Stellung der Juden in Preußen neu.

Das Gesetz schuf – als Fortführung des Judenedikts von 1812 – eine weitgehende Vereinheitlichung des bis dato geltenden Rechts. Die Provinz Posen mit ihrer größeren jüdischen Bevölkerung blieb davon jedoch ausgenommen.

 Siehe Wikipediaeintrag zu Rabbiner Nathan Marcus Adler Seite 12

 Siehe Wikipediaeintrag zu Rabbiner Isaak Bernay Seite 14

 Siehe Wikipediaeintrag zu Rabbiner Jakob Ettlinger Seite 15

 Siehe Wikipediaeintrag zu Rabbiner Abraham Geiger Seite 17

 Siehe Wikipediaeintrag zu Heinrich Graetz Seite 19

 Das von Rabbiner Hirsch entwickelte Schulsystem תורה עם דרך ארץ

 Der Fähigkeit mit Menschen umzugehen

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