Psalm 19

Die Übersetzung stammt von Dr. Simon Bernfeld (1860-1940). In Klammern und kursiv habe ich zum Vergleich die Übersetzung von Rabbiner Hirsch gemäß dem vorherigen Artikel gesetzt.

Rabbiner Hirsch unterteilt diesen Psalm in 5 Teile. Der Psalm beginnt mit der Beschreibung der göttlichen Allmacht in der Natur (V. 2-10). Jedoch kann der Mensch, aus der Erkenntnis der Allmacht Gottes in der Natur, nicht auf sein Verhalten gegenüber Gott und seinen Mitmenschen schließen. Dazu bedarf es der Toragebung am Berg Sinai (V. 8-10). Die Einhaltung dieser Gottesgesetze sind das einzig wahre Erstrebende des Menschen (V. 11,12). So dass sich der Mensch, bei Einhaltung dieser Gesetze des göttlichen Beistandes gewiss sein kann (V. 13,14). Der Psalm schließt mit dem Wunsch, dass dieses Lied Gott gefallen möge (V.15).

לַמְנַצֵּ֗חַ מִזְמ֥וֹר לְדָוִֽד׃

Dem Sangmeister,Psalm Davids.

הַשָּׁמַ֗יִם מְֽסַפְּרִ֥ים כְּבֽוֹד־אֵ֑ל וּֽמַעֲשֵׂ֥ה יָ֝דָ֗יו מַגִּ֥יד הָרָקִֽיעַ׃

Der Himmel erzählt die Herrlichkeit Gottes, und seiner Hände Werk verkündet das Firmament.

י֣וֹם לְ֭יוֹם יַבִּ֣יעַֽ אֹ֑מֶר וְלַ֥יְלָה לְּ֝לַ֗יְלָה יְחַוֶּה־דָּֽעַת׃

Ein Tag verkündet dem andern das Wort, und eine Nacht bringt der andern Kenntnis.

אֵֽין־אֹ֭מֶר וְאֵ֣ין דְּבָרִ֑ים בְּ֝לִ֗י נִשְׁמָ֥ע קוֹלָֽם׃

Ohne Worte und ohne Reden; es wird keine Stimme vernommen.

בְּכׇל־הָאָ֨רֶץ  יָ֘צָ֤א קַוָּ֗ם וּבִקְצֵ֣ה תֵ֭בֵל מִלֵּיהֶ֑ם לַ֝שֶּׁ֗מֶשׁ שָֽׂם־אֹ֥הֶל בָּהֶֽם׃

Über die ganze Erde erstreckt sich [des Himmels] Glanz, bis an das Ende der Welt seine Worte; dem Sonnenball richtet da [Gott] ein Zelt ein.

וְה֗וּא כְּ֭חָתָן יֹצֵ֣א מֵחֻפָּת֑וֹ יָשִׂ֥ישׂ כְּ֝גִבּ֗וֹר לָר֥וּץ אֹֽרַח׃

Er gleicht einem Bräutigam, der aus seiner Kammer hervortritt; er freut sich wie ein Held die Bahn zu durchlaufen.

מִקְצֵ֤ה הַשָּׁמַ֨יִם מֽוֹצָא֗וֹ וּתְקוּפָת֥וֹ עַל־קְצוֹתָ֑ם וְאֵ֥ין נִ֝סְתָּ֗ר מֵחַמָּתֽוֹ׃

Von dem einen Ende des Himmels ist sein Anfang, und sein Kreislauf ist über dessen anderem Ende, nichts ist verhüllt seiner Glut. —

תּ֘וֹרַ֤ת יְהֹוָ֣ה תְּ֭מִימָה מְשִׁ֣יבַת נָ֑פֶשׁ עֵד֥וּת יְהֹוָ֥ה נֶ֝אֱמָנָ֗ה מַחְכִּ֥ימַת פֶּֽתִי׃

Die Lehre des Herrn ist untadelig, sie erquickt die Seele; des Herrn Zeugnis bewährt, sie macht Toren weise.

(Die Lehre Gottes umfasst das ganze Leben, Darum erquickt sie die Seele. Das Zeugnis Gottes begleitet uns überall treu, Darum macht’s den Unerfahrensten weise.)

פִּקּ֘וּדֵ֤י יְהֹוָ֣ה יְ֭שָׁרִים מְשַׂמְּחֵי־לֵ֑ב מִצְוַ֥ת יְהֹוָ֥ה בָּ֝רָ֗ה מְאִירַ֥ת עֵינָֽיִם׃

Die Befehle des Herrn sind recht, sie erfreuen das Herz; des Herrn Gebot ist lauter, es erleuchtet die Augen.

(Die Aufgaben Gottes liegen so einfach in unseres Lebens Ebene, Darum erfreuen sie das Herz.
Das Gebot Gottes ist so klar und lauter, Erleuchtet darum die Augen.)

יִרְאַ֤ת יְהֹוָ֨ה טְהוֹרָה֮ עוֹמֶ֢דֶת לָ֫עַ֥ד מִֽשְׁפְּטֵי־יְהֹוָ֥ה אֱמֶ֑ת צָֽדְק֥וּ יַחְדָּֽו׃

Die Furcht des Herrn ist rein, sie bestehet ewig; des Herrn Aussprüche sind wahr und gerecht allzumal.

(Die Gottesfurcht ist rein, Und darum ewig unerschütterlich.
Die Ordnungen Gottes sind: Wahrheit, Zusammen: Gerechtigkeit!)

הַֽנֶּחֱמָדִ֗ים מִ֭זָּהָב וּמִפַּ֣ז רָ֑ב וּמְתוּקִ֥ים מִ֝דְּבַ֗שׁ וְנֹ֣פֶת צוּפִֽים׃

Sie ist köstlicher denn Gold und feines Gold in Menge, und süßer denn Honig und Honigseim. —

(Sie sind die zu erstrebenden Güter Mehr als Gold und Kleinodienfülle,
Und sind zugleich süßer als Honig Und als des Honigs süßester Seim.)

גַּֽם־עַ֭בְדְּךָ נִזְהָ֣ר בָּהֶ֑ם בְּ֝שׇׁמְרָ֗ם עֵ֣קֶב רָֽב׃

Dein Knecht achtet auch treu auf sie, er übt sie mit großer Treue.

(Auch dein Diener fand zuerst nur der Mahnung Ernst in ihnen,
Als er sie aber erfüllte — den reichsten, reichsten Lohn.)

שְׁגִיא֥וֹת מִֽי־יָבִ֑ין מִֽנִּסְתָּר֥וֹת נַקֵּֽנִי׃

Verirrungen, wer merkt sie alle? Von verborgenen [Sünden] sprich mich frei.

גַּ֤ם מִזֵּדִ֨ים חֲשֹׂ֬ךְ עַבְדֶּ֗ךָ אַֽל־יִמְשְׁלוּ־בִ֣י אָ֣ז אֵיתָ֑ם וְ֝נִקֵּ֗יתִי מִפֶּ֥שַֽׁע רָֽב׃

Aber auch von bösen Trieben halte deinen Knecht fern, dass sie mich nicht beherrschen. Dann bleibe ich ohne Tadel und rein von schweren Vergehen.

יִ֥הְיֽוּ לְרָצ֨וֹן ׀ אִמְרֵי־פִ֡י וְהֶגְי֣וֹן לִבִּ֣י לְפָנֶ֑יךָ יְ֝הֹוָ֗ה צוּרִ֥י וְגֹאֲלִֽי׃ 

Mögen meines Mundes Worte und meines Herzens Sinnen dir wohlgefällig sein, Herr, mein Hort und mein Erlöser.

Aus dem Kommentar von Rabbiner Hirsch zu diesem Psalm: Dieser Psalm ist „ vielleicht der bedeutsamste Psalm, der eben die Quellen der Gotteserkenntnis und der Gotteshuldigung zum Inhalt hat. Es sind ihm dies das Buch der Natur und das Buch der Tora, jenes die Quelle der Gotteserkenntnis, dies der Gotteshuldigung. Er spricht die bedeutsame Wahrheit aus, wie für die Gotteserkenntnis eines allmächtigen Schöpfers, Ordners und Regierers der Welt, es nicht der sinaitischen Offenbarung bedurft hätte, wie diese schon aus dem gedankenvollen Anblick der Natur insbesondere des Himmels zu schöpfen sei (V. 2-7).

Allein für die Gotteshuldigung, für die Menschenerkenntnis, für die Erkenntnis dessen, was nun in dieser von Gottes Allmacht erfüllten, von Gottes Gesetz beherrschten Welt, der Mensch mit seinem freien Wollen und Vollbringen solle, wie und wodurch er mit seinem freien Wollen und Vollbringen in dieser Gotteswelt Gott seine Huldigung zu betätigen habe, darüber bleibt ihm Himmel und Erde die Antwort schuldig, das Gottesgesetz für die Aufgabe seines Daseins auf Erden vermag er nicht aus dem Anblick des Himmels und der Erde zu schöpfen, die Antwort, die er von dort sich ermitteln wollte, führte ihn in trostlose Irre, und nur das Gotteswort, das Gottesgesetz, die vom Sinai Israel und der Menschheit gewordene Tora gibt ihm die beglückende, seinem Wesen harmonisch zustimmende, sein Einzeln- und Gesamtleben dem Gotteswillen entsprechend gestaltende Lehre (V. 8-10).

Sie sei daher das einzige Erstrebenswürdige, das, wenn es auch zuerst unserem Wollen beschränkend entgegentritt, doch bei treuer Wartung eine immer reichere Fülle von heilspendenden Folgen erschließt (V.11,12),

und zu deren immer volleren Verwirklichung jedes treue Streben des göttlichen Beistandes ebenso gewiss sein kann, als es dessen nicht zu entbehren vermag (V.13,14).  

Dass diese Auffassung der göttlichen Doppeloffenbarung in Natur und Gesetz und deren für die Belehrung der Menschen bestimmter Ausdruck im Liedeswort dem göttlichen Wohlgefallen und dem göttlichen Zweck entsprechen möge, dem Wohlgefallen und dem Zweck Gottes, der sich ihm …. als „Hort und Erlöser“ bewährt hat, mit diesem Wunsch (V. 15) schließt der Psalm.“

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