Psalm 30

Während der Chanukkafeiertage wird in vielen Synagogen der Psalm 30 zusätzlich ins Morgengebet aufgenommen. Der Grund dafür liegt in der Überschrift des Psalms: „Lied der Einweihung des Tempels“, da ja zu Chanukka der Tempel wieder eingeweiht wurde. Dass der weitere Inhalt des Psalm nicht so ganz zur Überschrift passen will, bemerkt auch Rabbiner Hirsch in seinem Kommentar zu dem Psalm.
– Aber lassen Sie sich überraschen……

:מִזְמוֹר שִׁיר חֲנֻכַּת הַבַּיִת לְדָוִד
Psalmlied, Lied der Einweihung des Tempels von David.

:אֲרוֹמִמְךָ יְהוָה כִּי דִלִּיתָנִי וְלֹא שִׂמַּחְתָּ אֹיְבַי לִי
Ich kann dich ergeben, Gott, denn Du hast mich aus der Tiefe gehoben und hast meinen Feinden nicht ihre Freude an mir gewährt.

:יְהוָה אֱלֹהָי שִׁוַּעְתִּי אֵלֶיךָ וַתִּרְפָּאֵנִי
Gott mein Gott, ich habe zu Dir gefleht, und Du hast mich geheilt,

:יְהוָה הֶעֱלִיתָ מִן שְׁאוֹל נַפְשִׁי חִיִּיתַנִי (מיורדי) מִיָּרְדִי בוֹר
hast, Gott, aus dem Grab meine Seele heraufgeführt, hast mich am Leben erhalten, da ich in die Gruft sinken wollte.

:זַמְּרוּ לַיהוָה חֲסִידָיו וְהוֹדוּ לְזֵכֶר קָדְשׁוֹ
Singet Gott, ihr in Liebe Ihm euch hingebend, und sprechet Bekenntnis aus Seinem heiligen Gedanken.

:כִּי רֶגַע בְּאַפּוֹ חַיִּים בִּרְצוֹנוֹ בָּעֶרֶב יָלִין בֶּכִי וְלַבֹּקֶר רִנָּה
Denn ein Augenblick in Seinem Zürnen gibt ein Leben in Seinem Wohlgefallen; am Abend kehrt Weinen ein, und am Morgen ist es Jubel.

:וַאֲנִי אָמַרְתִּי בְשַׁלְוִי בַּל אֶמּוֹט לְעוֹלָם
Auch ich, ich hatte einmal in meinem Wohlstand gesagt: ich wanke nimmermehr;

:יְהוָה בִּרְצוֹנְךָ הֶעֱמַדְתָּה לְהַרְרִי עֹז הִסְתַּרְתָּ פָנֶיךָ הָיִיתִי נִבְהָל
allein, Gott, nur mit Deinem Wohlgefallen hattest Du meinem Emporsteigen zu Macht Stand gegeben; bargst Du Dein Angesicht, ward ich schreckbewältigt.

:אֵלֶיךָ יְהוָה אֶקְרָא וְאֶל אֲדֹנָי אֶתְחַנָּן
Zu Dir aber, Gott, rief ich, erstrebte bei meinem Herrn mir Gewährungswürdigkeit:

:מַה בֶּצַע בְּדָמִי בְּרִדְתִּי אֶל שָׁחַת הֲיוֹדְךָ עָפָר הֲיַגִּיד אֲמִתֶּךָ
„ Welcher Gewinn in meinem Blut, wenn ich hinabsteige in die Grube! Wird Staub Dir huldigen? Deine Wahrheit verkünden?

 :שְׁמַע יְהוָה וְחָנֵּנִי יְהוָה הֱיֵה עֹזֵר לִי
Höre, Gott, und Schenke Gewährung mir, Gott – sei Helfer mir!“

 :הָפַכְתָּ מִסְפְּדִי לְמָחוֹל לִי פִּתַּחְתָּ שַׂקִּי וַתְּאַזְּרֵנִי שִׂמְחָה
Da hattest Du meine Totenklage in Reigen mir umgewandelt, hattest meinen Sack gelüftet und mich mit Freude gegürtet.

 לְמַעַן יְזַמֶּרְךָ כָבוֹד וְלֹא יִדֹּם יְהוָה אֱלֹהַי לְעוֹלָם אוֹדֶךָּ:
Darum soll alles Herrliche Dir singen und nie aufhören, Gott mein Gott, in alle Zukunft will ich Dir Huldigung bereiten

 

Zu der Überschrift dieses Psalms bemerkt Rabbiner Hirsch: „ Der Inhalt dieses Kapitels dürfte zunächst uns Schwierigkeiten bieten, seinen Zusammenhang mit der Überschrift zu ermitteln. Kein Wort vom Tempel, noch weniger von dem Tempelbau und der Einweihung desselben findet sich darin. Vielmehr sprechen sich darin die Erfahrungen eines ganzen Lebens von der Heilung, Rettung, Prüfung und Beglückung aus, die Gott denen angedeihen lässt, welche sich in Liebe Ihm hingeben. Vergegenwärtigen wir uns aber das Wesen und die Bedeutung des Tempels, des jüdischen Gotteshauses, das ja eben nichts anderes als die Gottesnähe auf Erden, die innigen Beziehungen Gottes zum Menschen und des Menschen zu Gott, die Gegenwart Gottes in mitten der Menschenbestrebungen, sowie das Emporstreben des Menschen zu Gott zum Bewusstsein bringen soll; dass nichts anderes darzustellen hat, als, dass da, wo alles geistige und leibliche Sein und Wollen(שולחן ומנורה)  zum vereinigten Aufgehen in göttliches Wohlgefallen (מזבח הקטרת) der Verwirklichung des göttlichen Gesetze (ארון)  hingegeben wird, dort sich das ganze menschliche Einzel- und Gesamtleben zu einem Cheruwimthron gestalte(כפרת) , auf welchem unsichtbar die Gottesgegenwart sich niederlässt, um sich in der segnenden und schützenden Leitung und Beglückung alles Menschenstrebens auf Erden zu bekunden, wie dies ja auch die Worte bezeugen, mit welchem der erste Bau seines jüdischen Gotteshauses verordnet wurde: ועשו לי מקדש ושכנתי בתוכם (siehe Pent. Schemot 25,8); vergegenwärtigen wir uns endlich, wie der erste Gedanke: „Gotteshaus“ und die erste Weihe eines Grundsteines zu einem „Gotteshaus“ aus der Erkenntnis von der innigen Verbindung das Himmels und der Erde, von der vor allem dem Menschen in dem reinen und bescheidenen Streben „seiner Hausesgründung“ auf Erden sich unmittelbar bekundenden, schützenden und segnenden Gottesgegenwart hervorgegangen, also, dass die reine Menschenstätte sich zu einem „Haus Gottes“ und zu einer Eingangspforte zum Himmel auf Erden sich gestalte – אין זה כי אם בית אלקים וזה שער השמים  – vergegenwärtigen wir uns endlich, wie der erste, der den Entschluss zur Gründung eines Gotteshauses fasste (Jaakow), sich der Auffassung eines solchen Entschlusses nur dann für würdig erachten wollte, wenn ihn Gott der Bekundung seiner Nähe in Gewährung des verheißenen Schutzes und Beistandes werde würdig gehalten habenאם יהיה אלקים עמדי ושמרני וגו‘ ונתן וגו‘ ושבתי וגו‘ והיה וגו‘ והארץ הזאת וגו‘ יהיה בית אלקחם וכל וגו‘ (siehe Pent. Bereschit 28, 12-22): so begreifen wir, wie eben das Durchdrungensein von der unmittelbaren Gottesnähe, Führung und Leitung, die er (David) in seinem wechselvollen Leben erfahren der leitende Gedanke gewesen, der David zu dem Entschluss, das bleibende Gotteshaus zu bauen, geführt, und er eben den Anspruch dieser Erfahrungen, wie sie das Gottes schauende Lied, ,שיר unseres Kapitels enthält, zur Einweihung dieses „Hauses“ bestimmen konnte. Sind es doch eben diese Gedanken, auf welche alle Gotteshäuser beruhen und deren ewig neue Wiederbelebung für all unser Sein und Wollen Zweck unserer Gotteshäuser bleibt. 

Obgleich der Tempel erst von seinem Sohn Schlomo erbaut wurde, so war doch dieser Bau nichts als Ausführung und Erfüllung der von David getroffenen und hinterlassenen Anordnungen, der sowohl die näheren Bestimmungen für Bau und Einrichtung des Tempels als auch alles an Material und Mitteln zur Ausführung Erforderliche seinem Sohn überliefert hatte.

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