Religionsphilosophisches in S. R. Hirsch’s Kommentar zum Pentateuch.

Von Prof. Dr. Elias Fink in Frankfurt a. M. (1860-1937)

Herr Prof. Dr. Elias Fink ( 1860 -1937) war Oberlehrer für Mathematik und Naturwissenschaften, später auch der Direktor der Samson Raphael Hirsch Schule in Frankfurt am Main.

Dieser Artikel wurde der „Samson Raphael Hirsch Jubiläums-Nummer“ der Zeitschrift der „Israelit“ anlässlich des 100 Geburtstages des Rabbiners am 25.Siwan 5668 (24. Juni 1908) entnommen.

Sprachlich leicht verändert von Michael Bleiberg

Die folgenden Zeilen setzen sich zum Ziel, aus dem Hauptwerk des genialen Mannes, dessen hundertster Geburtstag in diesen Blättern  gefeiert wird, die Grundlinien seiner Weltanschauung in gedrängter Kürze zusammen zu stellen. Für den modernen Juden, der auf den Boden des altüberlieferten Glaubens seiner Väter steht, kann es nicht ohne Reiz sein zu sehen, wie ein ebenso gelehrter, wie fein gebildeter Jünger des talmudischen Judentums, der doch Samson Raphael Hirsch unbestritten gewesen ist, die vielfach umstrittene Harmonie zwischen Glauben und Wissen herzustellen verstanden hat. Eine liebevolle Vertiefung in das Studium des חומש-Kommentars von S. R. Hirsch zeigt aber nicht nur dies, sondern sie wirkt an sich auch fruchtbringend und wird den Leser selbst zu dem angedeuteten Ausgleich führen, in dem er im Strudel, der von anderswo auf ihn eindringenden mannigfachen Lebensanschauungen, den Rocher de Bronze (eherner Fels) finden wird, der ihm nimmer wankende Stütze gewährt und ihn mit dem stolzen Bewusstsein erfüllt, selbst den neuesten materialistischen Behauptungen gegenüber sieghaft bleiben zu können. Es wäre nicht zu schwer, an der Hand dieses חומש-Kommentars ein vollständiges System der jüdischen Religionsphilosophie zu entwickeln, das uns eine in sich geschlossene Erkenntnistheorie ebenso gut böte, wie eine lückenlose Kosmogonie (Schöpfungslehre) und eine wohlbegründete Ethik. Leider legt der hier zugemessene Raum uns große Beschränkung auf, in deren Folge wir auch auf jede Kritik verzichten müssen. Unsere Darstellung möchte daher nur mehr als einfache Sammlung von Lesefrüchten in der bezeichneten Richtung gelten.

An die Spitze unserer Erörterung stellen wir die grundlegende Lehre von dem göttlichen Ursprung der תורה und ihrem ewig unabänderlichen Charakter, denn dieses Prinzip bestimmt zugleich die Grenzen alles jüdischen Philosophierens, das niemals die Übereinstimmung mit der תורה einbüßen darf. Für die Göttlichkeit der תורה werden zahlreiche Beweisgründe angeführt, von denen wir wenigstens die wichtigsten hervorheben möchten. Obenan steht hier die Tatsache, dass wir Juden trotz unserer politischen Ohnmacht nur mit der תורה in der Hand, einen so beispiellosen Gang durch die Zeiten haben vollbringen können. Der heftige Widerstand, den Moses’ Zeitgenossen dem Gesetz entgegenstellten, ist ein ebenso untrüglicher Beweis für die Wahrhaftigkeit und Göttlichkeit der „Heiligen Schrift“ wie die Verwirklichung des angekündigten Zerstreuungsschicksals. In welch fundamentalen Gegensätzen das Volk ursprünglich zu dem Gesetz stand, beweist doch zur Genüge der eine Umstand, dass es nach bloß vierzigtägiger Abwesenheit משה’s sich das goldene Kalb schuf: wie hätte da aus seiner eigenen Mitte als zeitgenössisches Produkt ein Gesetz hervorgehen sollen, in dem das Heidentum so tiefe Verabscheuung erfährt? Und von den Ägyptern konnte Moses auch nichts entlehnt haben, denn dann hätte er doch gewiss die Priesterkaste in ihren Einkünften nicht abhängig  gemacht von dem guten Willen des Einzelnen, sondern ihr Grund und Boden, sowie festes Einkommen gewährt. Er hätte ferner die Beschädigung von Tempelgütern, für die die תורה nicht einmal Ersatz vorschreibt, gewiss mit den höchsten Strafen belegt und wohl auch die Lehre von der Seelenwanderung und Erhaltung des Individuums durch Einbalsamieren herübergenommen, während doch nach jüdischer Anschauung gerade umgekehrt die Seele verharrt und der Körper wandert, indem er zum Staube zurückkehrt.

Dass aber משה aus sich selbst heraus unmöglich dem Volk Gesetze gegeben haben kann, erkennt man aus seinem Kraftmangel und seiner beispiellosen Bescheidenheit, wie denn auch die erste staatliche Einrichtung des jüdischen Volkes und משה’s Bitte um den Beistand seines Schwiegervaters beweisen, dass er eben doch nicht wie andere Gesetzgeber bloß ein schlauer Führer war, der eine aus den Bedürfnissen seiner Zeit hervorgegangene Gesetzgebung ins Werk setzte. Seine Verzweiflung an sich selbst und der anfängliche Zweifel des Volkes an seiner Sendung, die Tatsache, dass es später einen solchen Zug durch die Wüste unter seiner Führung mitgemacht hat, ja für die תורה freudig in den Tod gegangen ist, dies alles kann nur aus der Erkenntnis geschehen sein, dass die תורה unmittelbares Gotteswerk ist. Institutionen wie die des שבת oder des יובל-Jahres wären als auf menschlicher Anordnung beruhend geradezu Verbrechen, wie es unsere Weisen mit den Worten ausdrücken:גוי ששבת חייב מיתה  (ein Goi, der Schabbat hält, macht sich todesschuldig). Moses wäre überhaupt ein großer Tor gewesen, wenn er ein Gesetz gegeben, von dem er sich selbst bewusst war, dass es auch nach Jahrhunderten noch nicht ins Volk gedrungen sein werde, und als dessen Garanten Himmel und Erde angerufen hätte. Als בריאה, als Gottesschöpfung mitten in der Menschengeschichte aufgestellt, verliert die Sendung Moses’ alles Widersinnige. Sie ist als solche einzig in ihrer Art und kann mit nichts verglichen werden, was sonst unter den Völkern als Religion oder Gesetz entstanden ist. Aber auch über jede Art von Prophetie ist sie hoch erhaben, wie wir dies noch weiter unten sehen werden.

Diese unsere göttliche תורה hat nun aber keineswegs den Zweck im Auge, uns eine Metaphysik (Lehre vom Übernatürlichen) zu geben, um uns Gott erkennen zu lehren. Viel mehr will sie uns bloß in der irdischen Welt orientieren und uns zeigen, wie wir diese – und uns – aus Gott heraus vorstellen können. Daher lehrt sie die Unsterblichkeit der Seele so wenig wie das Dasein Gottes mit ausdrücklichen Worten. Wohl aber zeigt sie uns — und das ist zugleich die Basis der ganzen Gesetzgebung am Sinai — Gott als den Lenker unserer Geschicke und den Leiter unserer Handlungen. In freier Unterordnung unter das Gottesgesetz sollen die Menschen den Charakter ihrer höheren Gattung verwirklichen, denn der große Zweck, den Gott mit der Schöpfung hat erreichen wollen, wird nur erzielt, wenn jeder das Gesetz erfüllt, das Gott ihm gegeben hat.

Dieses Ziel der Schöpfung ist auch ein wesentlicher Punkt in der Aufstellung des jüdischen Gottesbegriffes. Er wird nämlich nicht erschöpft durch das Attribut des Erschaffens der Welt und des in ihr nach unabänderlichen Gesetzen verlaufenden Geschehens, sondern Hauptmoment dieses Begriffes ist das אהי‘ (Gottesname, s. שמות 3.14), worin die freie Herrschaft über die Gestaltung der Zukunft zum Ausdruck gelangt. Zu ihrer Verwirklichung hat Gott das persönliche, absolute, freie Wesen, den willensfreien Menschen als Mitarbeiter geschaffen. Dem jüdischen Gottesbegriff gemäß ist Gott freier Herr über sein Werk, das ihm also niemals über den Kopf wachsen kann. Denkmal der Schöpfung ist daher nicht diese selbst, als vielmehr ihr Aufhören am .שבת Er ist demnach ein Grundpfeiler unserer religiösen Anschauung und seine strenge Feier eines unserer wichtigsten Symbole. Dieser (der Schabbat) bedarf Gott, um dem Menschen das von ihm geforderte Menschliche zu vergegenwärtigen, nicht aber um ihm etwas Göttliches zu demonstrieren, denn Gott anschauen sollen wir ausschließlich in seinen Werken, nicht in einem Bilde. Zum Bewusstsein der Gottesgegenwart sollen wir lediglich durch den Segen des irdischen Daseins gelangen, durch die ganze Gestaltung des inneren und äußeren Lebens, wie es angedeutet ist in den Worten:בכל המקום אשר אזכיר את שמי אבוא אליך וברכתיך  (wo immer ich meinen Namen nenne, ich komme zu dir und segne dich). Des Menschen Sorge soll daher nicht die Gestaltung seines Geschickes sein, sondern nur die seiner Taten. Gott zu begreifen ist dem Menschen weder als Aufgabe gestellt noch überhaupt möglich. Die äußerste Grenze, die in dieser Hinsicht ein Mensch hat erreichen dürfen, und auch nur ein Moses, wird gekennzeichnet durch das   אני אעביר כל טובי על פניך (Ich werde alle meine Güte deinem Angesicht vorüberführen)  (שמות Kap. 33, 19). Hiermit wurde ihm die Anschauung der Einheit Gottes in der Mannigfaltigkeit seines Waltens zuteil, wie sich die einheitliche Güte Gottes in der Mannigfaltigkeit von רחמים (Barmherzigkeit) und חנינה (Gnade) offenbart, und damit ein Einblick in das Individuelle der göttlichen Führung, von wo aus die Erscheinung des  צדיק ורע לו (dem Gerechten ergeht es schlecht) und des לו  רשע וטוב (dem Bösen geht es gut) kein Rätsel mehr ist, das es nur für den bleibt, dem die tiefe Einsicht in die Individualität des Menschen abgeht. Der einzige richtige Standpunkt für die Beurteilung alles Menschlichen ist eben der   מקום אתי (ethischer Standpunkt), d.h. aus der Gott nahen Höhe alles Menschliche zu würdigen und zu verstehen und nicht umgekehrt, vom niederen Standpunkt des Menschen die Anschauung Gottes und des Göttlichen zu gewinnen. Gott ist das einzig absolut Gegebene, weder plastisch noch spekulativ hat die Menschheit sich ihren Gott erst zu schaffen. Der Mensch soll nicht von sich aus seinen Gott, sondern von Gott aus sich begreifen. In Gottes ewigen Sein wurzelt unser zeitliches Dasein, aus seinem persönlichen freien Willen und seiner freien schöpferischen Macht stammt unsere Freiheit, unsere Persönlichkeit, unser sittlich-freies Wollen und Tun. Er erblickt in unserem gesegneten Gedeihen und in der Blüte unserer sittlichen Vollendung die Verwirklichung seines Willens und für dieses Ziel unseres Daseins regelt er unser Tun und lenkt er unser Geschick. „Ewiger“ kann den Gottesbegriff nicht zum vollen Ausdruck bringen, denn ה‘ bedeutet Seinsspender, der auch bei verscherzter Vergangenheit jeden Augenblick bereit ist, aus der Fülle seiner allmächtigen Barmherzigkeit neues Dasein zu verleihen. In die Entwicklung, die er als  אלקים auf Gesetz und Ordnung gestellt hat, greift er ein und leitet sie seinem Ziele der Menschenerziehung gemäß. Zwei Faktoren gestalten demnach die Entwicklung der Weit: die in der ursprünglichen Schöpfung gegebene gesetzmäßige physische Ordnung und die mit Rücksicht auf das sittliche Verhalten des Menschen dieser Entwicklung gegebene örtliche Leitung. Die physische Weltordnung lässt sich allerdings der Betrachtung von Himmel und Erde ablauschen, die sittliche Weltordnung aber, d.h. Gottes Walten in der Geschichte lehrt erst die Offenbarung des Namens הי.

Die Identität Gottes in der Natur und in der Geschichte zieht sich durch die ganze Gotteslehre hindurch. Gott, der das Gesetz gegeben hat, gibt auch die dessen Erfüllung bedingte Nahrung, und umgekehrt. Er, der die Nahrung zum Leben spendet, hat auch das Gesetz gegeben, dass die Verwendung dieses Lebens bestimmt. Dieser jedem Dualismus in unserem Gottesbegriffe so strenge abholde Monismus (Einheitslehre) wird keineswegs gestört durch den Plural in den Attributen und Prädikaten, die sich auf Gott beziehen, wie in כי שם נגלו אליו האלקים  (denn dort wurde ihm Gott [Mehrzahl] offenbart) oder in אשר לי אלקים קרובים (mir ist Gott [Mehrzahl] nahe), denn er entstammt der Pluralität im Gottesbegriffe nichtjüdischer Kreise, auf die alle jene Stellen hinblicken, um dadurch zu betonen, dass unser Gott in seiner Alleinheit und Allmacht wirklich das ist, was die polytheistische Weltanschauung von ihren vielen Göttern träumt. Unseren Gottesbegriff aber verdanken wir der uns zuteil gewordenen Offenbarung.

Wenn diese (Offenbarung) uns heute als ein Rätsel, ja als ein Wunder erscheint, so ist dies bloß die Folge der Verschiebung des Verhältnisses, das ursprünglich zwischen Gott und Menschheit bestanden hat. Das so zu sagen Naturgemäße war der innige Verkehr Gottes mit den Menschen, der jetzt uns als Ausnahmezustand erscheint, wie es die Weisen mit dem Worte ausdrücken עיקר שכונה בתחתונים (die Hauptwohnung ist auf Erden). Folge und Ziel unserer תורה soll eben die Wiederherstellung des alten Verhältnisses sein und die Sendung der Propheten hat so wenig Übernatürliches an sich wie jener Augenblick, wo am Sinai das ganze Volk zu gehobenen Propheten geworden. Solche vorübergehenden Momente der Rückkehr zum ursprünglichen natürlichen Zustand hatte eben die Kraft der תורה bewirkt.

Nicht in besonderer Ekstase und Verzückung ist die Gottesnähe zu suchen, sondern mitten in unserem irdischen Leben, sofern es sich auf seiner sittlichen Höhe hält (והיה מחנך קדוש – dein Lager soll heilig sein). Das Wie eines solchen Verkehrs, wie also Gott zu Menschen gesprochen hat, bleibt uns freilich ein ewiges Rätsel, wie denn Sprache überhaupt uns eigentlich rätselhaft bleibt. Keinesfalls ist aber Offenbarung etwa bloßes Erzeugnis der menschlichen Fantasie, denn Gott spricht nicht in dem Propheten, sondern er tritt aus seiner Unsichtbarkeit heraus und spricht zu ihm. In die Modalität einer prophetischen Offenbarung können wir allerdings nicht eindringen, aber sie gehört jedenfalls nicht in die Kategorie der Schwärmerei, wird auch nicht durch die Vorstufe des החבודדות (Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben) d.i. räumlicher und geistiger Vereinsamung gewonnen, sondern das frisch pulsierende, gottgeweihte Leben erlangt die Gottesnähe, wie es auch die Weisen ausdrücken, wenn sie (30b 12h) sagen: אין השכינה שורה לא מתוך עצלות ולא מתוך עצבות ולא מתוך שחוק ולא מתוך קלות ראש ולא מתוך שיחה ודברים בטלים אלא מתוך שמחה של מצוה  d.h. nicht Schlaffheit oder Trübsinn, nicht Ausgelassenheit, Leichtsinn oder Tändelei, sondern מצוה-Freude bringt den Gottesgeist auf den Menschen. Auch auf der niederen Stufe der Prophetie, die durch בחלום אדבר בו (im Traum werde ich zu ihm sprechen) gekennzeichnet wird, ist der Traum nur ein Medium der Mitteilung an den Menschen, denn אין השכינה שורה אלא על גבור עשיר חכם ועניו (die Schechina zeigt sich nur demjenigen, der die Eigenschaften stark, reich, weise und bescheiden auf sich vereint). Gott wählt zu seinem Organ nur einen starken, reichen, weisen und bescheidenen Menschen, damit nicht krankhafte Halluzination für Gottesgesicht ausgegeben werde. Nur ein unabhängiger, für sich selbst nichts erstrebender Mensch vermag die Dinge in jener reinen Objektivität zu verstehen, die der Botschaft Gottes entspricht, nur ein zur Vollendung gereifter Geist versteht das Wort Gottes zu fassen und wiederzugeben. Dies liegt aber weit ab von allem Visionären. Praktische Klarheit ist der Zustand, indem z.B. Abraham נביא wird, was gar nicht προ-ϕητ (pro-phet) „Vorhersager“ bedeutet, auch nichts mit Vision und Dichten zu tun hat, sondern es bedeutet im Wesentlichen  Gottes Organ zu sein, zu dem Gott spricht, aber nicht aus dem Gott spricht, um sein Wort weiter zu tragen. So zeigt auch das ganze Verhalten משה’s, namentlich seine Verzweiflung an sich selbst, dass die תורה durch ihn, aber nicht aus ihm ist. Er behält seine volle Selbständigkeit und seine ungeschmälerte Willensfreiheit, weshalb ja auch unsere Weisen sagen, לעולם לא ירדה שכינה למטה מעשרה, (niemals steigt die Schechina unter 10 Tefachim [Maßeinheit: ca. 10 cm] herunter) womit sie zum Ausdrucke bringen, dass das Menschliche im Menschen bei einem solchen Vorgang nie völlig geschwunden und zum willenlosen Werkzeug des Göttlichen geworden ist. Können wir auch nichts Positives über die Art und Weise des נביא– oder רוח הקדש-Zustandes aussagen, so wissen wir doch jedenfalls, was er nicht ist. Die Vorstellung, das Gott nur in dem Propheten, nicht aber zu ihm spricht, ist ebenso unjüdisch wie die, dass durch ein Gotteswunder den Einfältigen plötzlich Prophetengabe verliehen werde, denn חכם נתתי חכמה ובלב כל (und in das Herz jedes „Weisen Mannes“ habe ich Weisheit gegeben), nur den macht Gott zum Gefäße göttlicher Weisheit, der bereits die natürliche menschliche Weisheit aus sich entwickelt hat. Der Geist der Prophetie kommt aus dem Menschen, ruht auf ihm, ist also etwas, das von außen kommend den Propheten über das Niveau des Normalmenschlichen hinaushebt. Der רוח hingegen ist bloß eine Vermehrung des geistigen Innern, und was infolge solcher Erregung geschieht, weht nicht hinaus über das normale Maß menschlicher Fähigkeit, bleibt vielmehr Menschentat und Menschenwort, nur getragen und gehoben von besonderer geistiger Begabung.

Dieses führt uns zur Betrachtung des Wesens des Menschen, seiner Seele und seiner Fähigkeit des Erkennens. Vor allem ist die Doppelseite von Körper und Geist zu betonen. Was Gott von der Erde zum Menschen bildete, ist irden und verfällt, das eigentlich Lebendige im Menschen entnahm er aber nicht der Erde, das ist vielmehr Hauch von Gott und hierin liegt die ganze Größe des Menschen, seine Freiheit, seine Unsterblichkeit. Beim Tier haftet die lebendige Individualität an dem irdischen Stoff, der nicht anders der Erde entstammt als die Tierseele. Beim Menschen dagegen ist nicht nur der Geist, sondern auch die Lebenskraft etwas Höheres als beim Tier. In dem Geist haftet seine Seele, scheidet der Geist, so wird das Lebendige nicht miteingesargt, denn es haftet an dem unsterblichen Geist. Was das Tier tötet, tötet nicht immer auch den Menschen, denn seine Gesundheit ist nicht vom Leibe allein abhängig. אדם יש לו מזל (der Mensch hat auch Glückhaftes) will sagen, es gibt im Menschen etwas, was sich aller Berechnung entzieht, er kann auch durch den Geist lebendig bleiben, denn der Geist trägt ebenfalls das Leben. Von den zwei im Menschen vereinigten Elementen, עפר מן האדמה (Staub der Erde) und נשמה חיים  (lebendige Seele), gehört jenes dem Gebiete der Unfreiheit und des physischen Zwanges an, während dieses ihn über alle zwingende Notwendigkeit hinweghebt, ihn frei macht und auch den Leib in den Bereich der Freiheit emporträgt. Wie nämlich Gott frei über seine Welt gebietet, so hat er auch dem Menschen einen Funken seines freien Willens eingehaucht und ihm die Freiheit über seine kleine Welt, über seinen Leib und dessen Kräfte verliehen. Bei allen seinen Mängeln hat der Mensch doch die Fähigkeit, in höchster sittlicher Vollkommenheit den ihm vom Schöpfer vorgesteckten Ideale zu entsprechen, wobei die Möglichkeit des Fehlens mit zur sittlichen Vollendung gehört, da sie die Grundbedingung aller sittlichen Freiheit ist. Dieser Gedanke ist die Grundlage aller jüdischen Überzeugung, die auch durch das weite Gebiet der vielverzweigten טומאה-Gesetze (Gesetze über Unreinheit) ihren Ausdruck findet. Es würde zu weit führen, so verlockend es auch ist, dieses hier durch eine Analyse der betreffenden Vorschriften im Einzelnen nachzuweisen, wir müssen uns auf die Bemerkung beschränken, dass die טומאה-Gesetze das Bewusstsein von dem persönlich freien Gott und dem sittlich freien Menschen ungetrübt zu erhalten bestimmt sind. In gleicher Richtung sollen auch die Bestimmungen über die מאכלות אסורות (Verbotene Speisen) wirken, die als  שקוץ נפש(Stachel in der Seele) die freie Energie zu sittlich freier Selbstbestimmung in uns lähmen könnten. Der Mensch soll mitten in einer Welt gebundener Kräfte und Mächte kraft der ihm verliehenen Freiheit über sie alle emporragen und sie beherrschen. In jedem קרבן (Opfer) und וידוי (Sündenbekenntnis), in jeder Selbstverurteilung soll die Erkenntnis an den Tag gelegt werden, dass wir anders hätten handeln sollen und können, also die Anerkennung der sittlichen Freiheit. Auch die normalerweise eintretenden טומאות sollen das Bewusstsein wecken, dass trotz der physiologischen Gebundenheit die sittliche Freiheit uns von Gott gewährleistet ist. Aber persönliche Freiheit ohne Gesetz ist nichtig, sie schlägt zuletzt in unheilvolle Willkür um. Es gehört schon die ganze Mannesarbeit an sich selbst dazu, um die Fesseln der Begierden und Leidenschaften zu brechen, die den Menschen zum Sklaven der Sinnlichkeit machen. Erst wenn der Mensch in seinem sittlichen Wollen keinen Kampf mehr zu bestehen hat, dann hat er die Stufe der Heiligkeit erklommen, den höchsten Grad sittlicher Freiheit, der im eigentlichsten Sinne allerdings nur Gott eignet.

Wie wir von ihm, der durch keine Sinne wahrnehmbar ist, die unmittelbare Gewissheit in uns tragen, so sind wir uns auch der individuellen Realität der Seele ohne sinnliche Wahrnehmung unmittelbar gewiss. Sie ist die innere Ursache der Bewegung, sie macht als נפש, Wille, den Menschen zur Persönlichkeit. Vom Stoffe durchaus getrennt, ist sie das jedem Lebendigen innewohnende Unfassbare, das Bleibende im Wechsel des Stoffes und nicht etwa, wie der Materialismus behauptet, ein bloßes Accidens (das Zufällige, Unwesentliche) des Stoffes, denn dann müsste ja mit dem Stoffwechsel die Identität des Individuums und der Persönlichkeit schwinden. Das Beharren der Eindrücke beweist vielmehr, das Vorhandensein eines Bleibenden, das die Eindrücke festhält, worin sich eben die Kontinuität des Individuums vollzieht.

Sinnlicher Repräsentant der Seele ist das Blut, durch das die Seele den Leib beherrscht, und deshalb tritt es im Opfer als Symbol der Menschenseele auf, wie es von ihm (ויקרא 17,11) heißt: כי בדם הוא בנפש יכפר „denn das Blut bedeutet: mit der Seele erwirkt man Sühne“. Der Satz (דברים 12, 23) כי בדם הוא הנפש (im Blut ist die Seele) will auch nur sagen: Das Blut ist die körperliche Vergegenwärtigung der Seele. Das Blut ist aber nicht die Seele selbst, denn getrennt vom Blute lebt die Seele im Körper. Beim Tiere steht das Blut mit der Seele in organischer Verbindung, beim Menschen aber ist es der Seele untertan, die mittels seiner als empfindende, erkennende oder wollende Seele Nerven und Muskeln regiert. Um diese Herrschaft nach dem göttlichen Willen zu üben, muss die Seele ihrerseits sich dem göttlichen Gesetze unterordnen, wodurch das menschliche Leben sich im Dienste Gottes vollzieht, so dass es nur der Wille Gottes ist, den der Wille des Menschen in sittlich freier Energie verwirklicht.

Aber auch unsere Erkenntnis der Dinge wurzelt in Gott. Das wahre Wesen der Dinge können wir mit den uns zugemessenen Seelenkräften nie vollständig erfassen. Das, was wir ein Objekt nennen, ist nur die Erscheinung des Gegenstandes vom Standpunkte des Subjektes, auf das eine Wirkung von jenem ausgegangen ist, nicht aber das Ding an sich. Nur die Wirkungen sind die Vermittler der Erkenntnis. Ihr sind daher nur zwei große Forschungsgebiete zugänglich: Geschichte seit Erschaffung der Welt und die geschaffenen Dinge. Alles, was vor der Schöpfung oder jenseits des Irdischen liegt מה למעלה מה למטה מה לפנים מה לאחור (was oben, was unten, was vor, was hinter dir liegt) ist ihr versagt. Innerhalb dieser Grenzen aber ist die Erkenntnis von Geschichte und Natur nicht nur gestattet, sondern sogar wünschenswert, weil dann die jüdische Weltanschauung in ihrer vollen Harmonie erst recht klar hervortritt, so dass „Gott“ und „göttliches Walten” nicht bloß erlaubt, sondern gewusst werden. Wesen und Bestimmung der Dinge sind etwas Gegebenes, nicht erst vom Menschen Geschaffenes, denn seine ganze Weisheit besteht im Grunde darin, dass er den Dingen Namen geben, also ihren Begriff bilden und aussprechen kann. Wer nun die Erkenntnis entnimmt von Demjenigen, der den Dingen Wesen und Bestimmung erteilt hat, der ist in Wahrheit חכם, und darum ist חכמת התורה die höchste Einsicht. Sein und Wirken im ganzen Weltall ist nur Gottes Gedanke und Botschaft. Alle Wissenschaft sucht nur diese Gottesgedanken abzulauschen. Die geistigen Bestrebungen des Erkennens und Wollens, die sich auf die sinnliche Welt beziehen, müssen ihren Ausgangspunkt und ihr Ziel finden in dem zu Gott emporstrebenden Geist des Erkennens und Wollens, wie  dies symbolisch durch die מנורה (Leuchter im Tempel) im Heiligtum zum Ausdruck kam. Der dort gepflegte Geist der Gotteserkenntnis ist durchaus kein rein abstrakter, sondern er findet seine volle Betätigung in der auf die Erkenntnis der Welt gerichteten Bestrebungen. Wenn wir trotzdem theoretische Erkenntnis und praktischen Willen unterscheiden, so ist dies bloß unsere eigenste Abstraktion, denn alle Erkenntnis hat nur Wert, wenn sie auf das Vollbringen des Guten hinzielt, das wiederum seinen Wert nur aus der Erkenntnis des Wahren schöpft. Gemeinsame Wurzel beider ist יראת ה‘ (Gottesfurcht) die zugleich höchste Erkenntnis und höchste Sittlichkeit bringt. Dieser höchste Grad der sittlichen Freiheit ist Heiligkeit, nämlich jene Stufe des sittlichen Wollens, auf der kein Kampf mehr zu bestehen ist, weil unter Aufhebung aller Subjektivität der menschliche Wille vollständig in den ausgesprochenen göttlichen Willen aufgeht, und das ist zugleich das höchste Ideal. Der Menschengeist kann auf Erden als höchstes Ziel nur das erreichen, die Erde und alles Irdische vom göttlichen Standpunkt aus zu schauen, nicht etwa Gott selbst zu sehen. Zu diesem Ideal hin treibt die ganze Menschenentwicklung, zu jener Stufe, auf der die Heiligung des Gottesgesetzes das ganze Leben durchdringt und der Tod von der Erde geschwunden ist, weil das Ideal seine Verwirklichung gefunden hat.

Hieraus ergeben sich dann die Grundzüge einer jüdischen Ethik. Nicht unsere eigene Idee darf uns bei unserem Tun und Lassen vorschweben, sondern nur der Gottesgedanke und das Gottesgebot. Freiheit im Gehorsam und Gehorsam in der Freiheit sind die beiden charakteristischen Merkmale jüdischen Tuns und diese gewähren uns „Glückseligkeit“. Einem solchen pflichtgetreuen Leben gegenüber verliert das alte Rätsel des צדיק ורע לו רשע וטוב לו seine ganze Bedeutung, denn unserem beschränkten Erkenntnisvermögen entzieht sich das zutreffende Urteil über das Individuelle des göttlichen Waltens, wir vermögen ja kaum zu einer vollen Erkenntnis des Generellen vorzuschreiten. Unsere Wertung des צדיק und  רשעist so wenig maßgebend wie unsere Beurteilung des רע und טוב. Es kommt hinzu, dass שכר מצוה בהאי עלמא ליכא, dass diese Welt nicht eine Welt des Pflichtenlohnes ist. Der Gute hat schon eine hiniedige Unsterblichkeit durch sein Fortleben in seinen Nachkommen, die die sittlichen Anlagen zum Guten und den Lohn seiner Tugenden von ihm erben, während des Bösen Nachkommenschaft erlischt, wenn sie in seinen Wegen fortwandelt. Das höchste, einzige Gute ist jene Menschenbestimmung, die in den Räumen des Gottesheiligtums durch die Einrichtung seines היכל, חצר und  דבירzur anschaulichen Darstellung gelangte und die rechte Würdigung des wahren Glückes des Menschen lehrte. Diese Glückseligkeit ist nicht etwa nur uns Juden zugänglich, sondern Jedem, der seine Welt- und Lebensanschauung aus der תורה schöpft und durch Erfüllung ihrer חוקים ומשפטים sich zur Höhe reinen Menschentums erhebt, die durch ihre Gottesnähe die höchste Glückseligkeit gewährt. Diese קרבת אלקים (Gottesnähe) erstrebt jeder מקרב (Opfernde) durch sein קרבן (Opfer) wie es dieser Begriff im strengsten Sinne ausdrückt, und dass sie jedem Menschen ohne Unterschied erreichbar ist, betonen auch unsere Weisen, indem sie sagen, מנין אפילו נכרי ועושה את התורה הרי הוא ככהן גדול לומר אשר יעשה אותם האדם וחי בהם (sogar ein Nichtjude, der die Gesetze der Thora praktiziert, ist wie ein Hohepriester, d.h. derjenige der sie praktiziert , wird durch sie leben). Und wenn es beim לולב – Gebote heißt ושמחתם לפני ה‘ אלקיכם (und freut euch vor dem Ewigen) so ist auch dort der Gedanke ausgesprochen: Gott ist jeder unserer Lebensstellungen nahe, jeder kann in ihrer Art zur Vollkommenheit und Schöne sich vollenden. Aber die Gottesnähe ist nicht deshalb erstrebenswert, um in ihr und durch sie materiellen und geistigen Segen zu erhalten, sondern umgekehrt ist dieser Segen selbst nur wünschenswert, um durch seine Verwendung im Sinne Gottes der Gottesnähe d. i. des טוב an sich gewürdigt zu werden. Gottesnähe ist nämlich das absolut Gute, eine Vorstellung, die auch durch die in Verbindung mit עולה (Ganzopfer) und שלמים (Friedensopfer) vorgeschriebenen נסכים (Gussopfer) zum Ausdruck kam. Ihnen lag der Gedanke zugrunde, dass unsere höchste irdische Glückseligkeit nicht den Gipfel unserer Bestrebungen bildet, sondern dass sie nur die Basis unseres zur Gottesnähe führenden Lebensbaues ist.

Diese Anschauung führt aber keineswegs zur Geringschätzung der materiellen Güter, vielmehr erscheint der durch redliche emsige Arbeit erworbene Besitz auch bedeutenden Gelehrten von so hohem sittlichen Adel, dass sie es nicht verschmähen, als Holzhauer, Schneider, Schuhmacher, Lastträger, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, indem sie gleichzeitig dem Grundsatze huldigen,  עשה שבתך חול ואל תצטרך לבריות , d.h. auch am Sabbath nicht besser als an Wochentagen zu leben, um nur nicht der Menschenhilfe bedürftig zu sein. Das ehrlich erworbene Eigentum geht so völlig in die besitzende Person über, dass der Dieb, der sich am Vermögen vergreift, den angerichteten Schaden unter allen Umständen ersetzen muss. Im Unvermögensfalle sogar mit seiner Arbeitskraft, die aber nicht hinter Schloss und Riegel in einem Gefängnis zu verwenden ist, sondern in einer Familie, wo alle Bedingungen dafür geboten sind, dass der Verbrecher trotz seiner Erniedrigung zum Diener des Hausherrn, immer noch als Bruder geachtet und behandelt wird. Ja, der als Sklave verkaufte Dieb tritt, wenn er Familienvater ist, mit Frau und Kind in die Familie des Käufers ein, der auch sie mitzuversorgen hat, damit sie nicht durch die Folgen des Verbrechens dem Elend preisgegeben werde während der Zeit, wo der Verbrecher, der Freiheit beraubt, für die Seinen zu sorgen außer Stande ist. Aber diese Freiheitsberaubung trägt nicht den Charakter der Strafe an sich, sondern ist nur das Mittel zur Entschädigung der Bestohlenen. Freiheitsstrafen mit alldem Jammer und Elend, das sie über Weib und Kind des Gefangenen bringen, kennt das Gottesgesetz überhaupt nicht, es schreibt nur eine Untersuchungshaft vor, die aber nur von ganz kurzer Dauer sein kann, weil es keinen Indizienbeweis zulässt. Selbst die Todesstrafe trägt nicht eigentlich den Charakter des Abschreckungsmittels, denn nur in vier Fällen ist die Veröffentlichung des Todesurteils vorgeschrieben. Der auch bei dieser Strafe gebrauchte Ausdruck ונתת נפש תחת נפש statt ולקחת beweist, dass hier nicht an ein Rachenehmen gedacht ist, sondern an eine Restitution, die der Gerechtigkeit und der verletzten Menschenwürde geleistet wird. Hiermit hängt auch zusammen, dass dieses Gesetz den Begriff der Begnadigung gar nicht kennt, denn nicht des Menschen, sondern Gottes ist das Recht. Wenn einmal das Gottesrecht, das doch für Menschenwillkür keinen Raum lässt, den Tod über den Verbrecher verhängt hat, dann ist die Vollziehung dieses Urteils nicht eine Härte, die durch andere Rücksichten gemildert werden könnte, sondern sie ist rücksichtsvolle Sühne des Verbrechers, wie das Opfer auf dem Altar.

Das Opfer kann nicht als Konzession an den Polytheismus aufgefasst werden, denn schon Kain und Abel opferten zu einer Zeit, wo es noch gar kein Götzentum gab. Diese beiden Opferer beweisen zugleich, dass dem Opfer kein absoluter Wert zukommt, dass ihm vielmehr nur ein relativer Wert innewohnt, der von dem Sinne abhängt, den der Opferer damit verbindet. Wenn auch hier beim Opfer die Gesinnung von entscheidender Bedeutung ist, so tritt sie bei der allgemeinen Wertung unseres Tuns doch zurück gegenüber der Legalität, d. h. gegenüber der objektiven Übereinstimmung mit dem Gesetz, also mit dem göttlichen Willen, denn dieser ist der eigentliche Maßstab für den sittlichen Wert unserer Handlungen und geht daher der Gesinnung voraus. Eine schlechte Tat, d. i. eine Gott nichtgefällige, wird durch die Unschuld der Gesinnung nicht zu einer Guten, ja diese Unschuld selbst kann mit zum Verbrechen werden, weil jeder die Pflicht hat, sich über die Anforderungen zu unterrichten, die Gott an den sittlichen Charakter unserer Handlungen stellt. Kenntnis des Gesetzes gehört daher mit zu unseren wichtigsten Lebensaufgaben. Es entspräche aber keineswegs der jüdischen Weltanschauung, durch Flucht aus dem geschäftigen Leben in die Beschaulichkeit eines asketischen Mönchtums sich den Anforderungen des Lebens zu entziehen, um, in theoretische Spekulationen versunken, aus Furcht vor seinen Reizen oder Geringschätzung seiner vielfältigen Aufgaben das Göttliche jenseits und außerhalb des gewöhnlichen Lebens zu suchen. Im ungebrochenen Lebensmut und froher Lebenslust liegt vielmehr ein charakteristisches Merkmal des messianischen Zeitalters, wo die ganze Natur wieder paradiesisch verjüngt ist und Menschengröße nicht in der Unterjochung der Menschen durch einen mächtigen Herrscher erblickt wird, sondern wo überall die Wiederkehr des Paradieses auf Erden sich kundgibt im unendlich gesteigerten Segen der Natur und im ungestörten Frieden unter den Völkern, die der Pflege von Kunst und Wissenschaft eine Stätte bereiten, während in ihrer Mitte  חבל נחלתוein Leben gestaltet, das auf den Gottesdiktaten der Sittenheiligung, der Wahrheit, des Rechts und der Liebe sich aufbaut und in jeder Fuge die alleinige Gottesherrschaft auf Erden zur Anschauung bringt, sodass das Charakteristikum des Judentums voll in die Erscheinung tritt. Der Monotheismus alleine erschöpft es nicht, sondern erst dessen weiteste Konsequenz: die Einheit Gottes mit der Einheit des Lebens durch Gottes Gesetz.

Der Artikel im Original: Quelle: https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/freimann/content/titleinfo/2029193

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